Ermittlungen:Cellist teilt Link auf Facebook - jetzt ermittelt der Staatsschutz

Demonstration gegen 54. Münchner Sicherheitskonferenz, 2018

Verbotenes Symbol: Medien dürfen die Fahne der YPG zum Zweck der staatsbürgerlichen Aufklärung dennoch zeigen.

(Foto: Florian Peljak)
  • Weil er einen Link des Bayerischen Rundfunks teilte, wird gegen einen Musiker der Münchner Philharmoniker ermittelt.
  • Das vermeintliche Vergehen: Auf einem Foto im Beitrag ist eine verbotene Fahne zu sehen.
  • Politikerin Nicole Gohlke kritisiert die Staatsanwaltschaft. Mit solchen Methoden sei man "nah an Typen wie Erdoğan dran".

Von Thomas Schmidt

Die Polizei ermittelt gegen einen Cellisten der Münchner Philharmoniker wegen der Tatsache, dass der Musiker einen Nachrichtenbeitrag des Bayerischen Rundfunks auf seiner Facebook-Seite geteilt hat. Sein vermeintliches Vergehen: Auf einem Foto des BR-Artikels ist eine Fahne der YPG zu sehen. Die Gruppe gilt als bewaffneter Arm der kurdischen Arbeiterpartei PKK in Syrien, ihre Fahne darf in Deutschland nicht gezeigt werden. Dass Johannes König, 27, lediglich einen Beitrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunksenders online geteilt hat und das auch noch unkommentiert, spielt für die Fahnder keine Rolle. Theoretisch droht dem Cellisten nun sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr.

Der BR hatte bereits im August über eine Polizei-Razzia berichtet, weil ein Tatverdächtiger im Internet eine YPG-Fahne gepostet haben sollte. Wie Dutzende andere Internetnutzer, so teilte auch König den entsprechenden Link auf seiner Facebook-Seite. Monate vergingen, ohne dass etwas geschah. Am Freitag jedoch landete eine Vorladung in seinem Briefkasten: Das Kriminalfachdezernat 4, zuständig für Staatsschutz, teilte dem Cellisten mit, dass man gegen ihn wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz ermittle. Am 19. März soll er dazu im Kommissariat vernommen werden.

König reagierte überrascht. "Ich hatte noch nie etwas mit der Polizei zu tun", sagt er. "Man könnte darüber lachen, wäre es nicht so ernst." Er entschloss sich, den Fall öffentlich zu machen, formulierte ein Statement und bezog politisch Stellung: Die "Kriminalisierung der Symbole der kurdischen Freiheitsbewegung" sei ein "unerträglicher Kotau vor dem türkischen Regime", so König.

Dass selbst das Posten eines BR-Artikels Grund für Ermittlungen des Staatsschutz sei, "ist ein irrwitziger Höhepunkt der Repression". Unterstützt wird König unter anderem von der Münchner Politikerin Nicole Gohlke, die für die Linke im Bundestag sitzt. Sie kritisiert die Staatsanwaltschaft und fragt: "Merken die nicht, wie nah sie mit solchen Methoden an Typen wie Erdoğan dran sind?"

"Die Polizei kann kein Auge zudrücken", rechtfertigt deren Sprecher Sven Müller die Ermittlungen. Sie sei verpflichtet, Straftaten zu verfolgen, sonst begehe sie selbst eine Straftat. Zwar dürften Medien zum Zweck der staatsbürgerlichen Aufklärung verbotene Zeichen zeigen, das gelte aber nicht für die Nutzer dieser Medien. Vulgo: Was der BR darf, darf Johannes König noch lange nicht. Man suche nicht gezielt im Internet nach solchen Posts, sagt Müller, aber wenn sie bei anderen Ermittlungen auftauchten, müsse man der Sache nachgehen.

Welche Ermittlungen das sind, könne er nicht sagen. Nur so viel: Wegen der Verbreitung dieses BR-Artikels gebe es noch etwa zehn weitere Anzeigen. Ob am Ende Straftaten vorliegen, müsse die Justiz klären. "Als der Gesetzgeber das Gesetz geschrieben hat", sagt Müller noch, "wusste er nicht, dass es mal soziale Netzwerke im Internet geben wird."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: