Erkundungsfahrt:Schau mer mal

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In der Paketposthalle an der Friedenheimer Brücke könnte ein Konzertsaal entstehen. Oder im neuen Werksviertel am Ostbahnhof. Grafik: SZ (Foto: N/A)

Horst Seehofer besichtigt - und hält sich bedeckt

Von Christian Krügel und Wolfgang Wittl, München

Niemand wird sagen können, Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) habe es an Einsatz für einen neuen Münchner Konzertsaal missen lassen. Selbst körperlich gibt der 66-Jährige alles, um endlich "eine der großen Jahrhundert-Entscheidungen" für München, wie er selbst sagt, zustande zu bringen. Am Dienstagnachmittag, gleich nach der Kabinettssitzung, machte er sich deshalb mit seinem Büroleiter, mit Kunstminister Ludwig Spaenle und drei Polizisten auf den Weg, ließ sich zum Hintereingang der Paketposthalle an der Friedenheimer Brücke fahren und kraxelte über Metallleitern in das Spannbetonbauwerk. Während unter ihm die Postbeschäftigten Briefe sortierten, ließ er sich von Ex-Wissenschaftsminister Thomas Goppel die Vorzüge des Baus erklären: Wie dort endlich eine Philharmonie, ja mehr noch: eine ganze Musikstadt emporwachsen könne, welch Leuchtturmprojekt der Freistaat an dieser Stelle verwirklichen könne und wie München an internationaler Strahlkraft in der Musikszene gewönne. Wenn sich nur die Staatsregierung am kommenden Dienstag dafür entscheide, dem Projekt Paketpost den Zuschlag zu geben.

Nun schwärmen aber nicht alle derart davon. Bösere Zungen in der CSU sagen, Seehofer könne das schon im Sinne Goppels entscheiden und sich in Neuhausen "einen Pharaonentempel" bauen. Allerdings sei das ein finanzielles Risiko: 80 bis 90 Millionen Euro veranschlagen staatliche Finanzbeamte allein für Grunderwerb, Sanierung und Vorbereitung zum Umbau der Halle. Im Werksviertel am Ostbahnhof, dem Konkurrenzstandort, sei das für ein Drittel zu haben. Also machten sich Seehofer und Spaenle am Dienstagnachmittag nach ihrer Klettertour im Westen auch noch in den Osten auf und inspizierten das Gelände - so heimlich, dass noch nicht einmal Grundstücksbesitzer Werner Eckart etwas mitbekam. Am Tag danach ließ der Ministerpräsident nicht durchblicken, was ihn nun mehr begeistert hat. "Ich entscheide ungern in Unkenntnis einer Sache, ohne mir selbst einen Eindruck verschafft zu haben. Beide Standorte sind nicht umsonst in der engsten Auswahl", kommentierte er seine Tour. Und nun? Er warte ab, welche Entscheidungsvorlage ihm sein Minister Spaenle am Montagabend präsentieren werde. "Dann werde ich mir das ansehen und alles abwägen" - in allen Aspekten: städtebaulich, akustisch, finanziell, zeitlich. "Ich will jeden Eindruck vermeiden, der Ministerpräsident rede dem zuständigen Ressortminister drein", so Seehofer.

Daraus klingt die Erfahrung, die er beim Projekt dritte Startbahn gesammelt hat. Teile der CSU-Fraktion fühlten sich überrumpelt, weil Seehofer sich skeptisch zum Ausbau geäußert hatte. Beim Konzertsaal habe er aber wesentlich mehr Freiheiten als bei der dritten Startbahn, heißt es aus der Fraktion. Allerdings dürften die Kosten bei beiden Standorten nicht zu stark voneinander abweichen. Das spricht nicht für die Paketpost, auch wenn die Initiatoren versuchen, Punkte gut zu machen. Ein Ersatzgrundstück für das Briefverteilzentrum scheint in Germering gefunden zu sein. Offenbar ist auch der Einstieg eines solventen Investors beschlossene Sache: Der Immobilienkonzern CA Immo, der bereits im Arnulfpark investiert hat, soll interessiert sein, auf dem Areal um die Paketposthalle ein Hotel- und Gewerbeareal zu realisieren. Am Dienstag könnte freilich anderes im Ministerrat den Ausschlag geben, zum Beispiel Seehofers guter Draht zu OB Dieter Reiter. Im Rathaus soll es eine Präferenz für das Werksviertel geben. Und einen persönlichen Wunsch hat Horst Seehofer offenbar schon: Noch in seiner Amtszeit soll es einen Spatenstich geben, gerne mit Reiter zusammen.

© SZ vom 03.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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