Erinnerung:Verschwundene Gedenkstätte

Lesezeit: 2 min

Am Erinnerungsort für Domenico L. haben Unbekannte Blumen und Kerzen entfernt

Von SUSI WIMMER

Es wurden immer frische Blumen gebracht, die Kerzen brannten und von einem Foto lachte Domenico L. Der Kastanienbaum an der Isar war eine kleine Gedenkstätte, zu der die Freunde und auch die Verlobte von Domenico L. regelmäßig pilgerten. Genau an dieser Stelle war der 31-Jährige im Mai 2013 von einem Unbekannten erstochen worden. Vom Täter fehlt bislang jede Spur. Nun ist auch noch die Erinnerungsstätte verschwunden: Unbekannte haben Blumen und Kerzen entfernt, und die Verlobte des Ermordeten, Gilda F., ist sehr traurig. "Man hätte zumindest eine Blume als Erinnerung an einen lieben Menschen dort lassen können."

Einer SZ-Leserin fiel Anfang September auf, dass plötzlich der Baum an der Erhardtstraße gegenüber des Europäischen Patentamtes leergeräumt worden war. Dort war ein Foto von Domenico L. an die Rinde gepinnt, Blumen und Herzen standen am Boden und um den Baum war ein Band gewickelt, in dem eine Sonnenblume steckte. Jetzt sind nur noch Reste von Kerzenwachs zu sehen und ein winziges rotes Plastikherzchen am Boden. "Verschiedene Menschen haben den Baum schön gepflegt", erzählt Gilda F. Sie hofft, dass die Erinnerungsstücke im Zuge der Straßenreinigung entfernt wurden, "und nicht, weil man solche Ereignisse in dieser Stadt lieber vergisst oder verbirgt".

Christian Müller vom Baureferat muss passen. Er habe alle in Frage kommenden Stellen abgeklappert und fand keine Antwort. "Weder die Abteilung Straßenreinigung, Gartenbau oder Ingenieurbau hat mit der Entfernung der Gedenkstätte etwas zu tun", versichert er.

Am Abend des 28. Mai 2013 war Domenico L. zusammen mit seiner Verlobten an der Isar entlanggeradelt. Ein fremder Fußgänger hatte seine Freundin angespuckt, woraufhin ihn der aus Italien stammende Ingenieur zur Rede gestellt hatte. Dann muss der Unbekannte ihm mehrmals ein Messer in den Bauch gerammt haben. Gilda F. hatte die Tat aus einiger Entfernung mit ansehen müssen. Die Polizei überprüfte in den folgenden Jahren fast 15 000 Personen, nahm 5500 Speichelproben - bislang ohne Erfolg.

Mit großer Mühe, sagt Gilda F., habe sie es geschafft, sich etwas mit München zu versöhnen. Nun hoffe sie, nicht schon wieder enttäuscht zu werden. Ihr Wunsch wäre es, dass an dem Baum immer eine kleine Flamme brennt, "für die Seele von Domenico, der heute sonst noch unter uns gewesen wäre und an der Isar gerne weiter geradelt wäre, wie die anderen, die heute noch vorbeifahren".

© SZ vom 10.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: