Erinnerung an Beatles-Konzert in München:Schmachten statt Schlachten

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1966 kamen die Beatles für genau ein Konzert in die Stadt. Die Polizei fürchtete das Schlimmste. Um Randalierer später leichter zu finden, engagierte sie den Fotografen Hannes Havenstein. Doch die Krawalle blieben aus, die Bilder verschwanden - bis zu einem Projekt des Dokumentarfilmers Klaus Bichlmeier.

Von Jakob Wetzel

Es sind Bilder vom Ausnahmezustand. Eine junge Frau schlägt die Hände vors Gesicht und schreit, sie hüpft, sie winkt, sie weint, dann lacht sie versonnen. Die Aufnahmen entstanden am 24. Juni 1966 im Münchner Circus Krone. Die Beatles gaben damals ihr erstes und einziges Konzert in der Stadt - und die Bilder zeigen beispielhaft, was ein Auftritt der vier Musiker mit einer jungen Münchnerin anstellten.

Die Beatles spielten an diesem Tag zwei Mal jeweils eine halbe Stunde lang. Seitdem sind fast 50 Jahre vergangen. Doch ihr Auftritt hallt noch immer nach. Erst vor wenigen Jahren fand ein Archivar im Bayerischen Innenministerium Farbfilmaufnahmen des Konzerts, gedreht von Münchner Polizisten. Jetzt sind bislang unbekannte Schwarz-weiß-Fotografien aufgetaucht, aufgenommen von einem professionellen Fotografen.

Die Bilder lagen all die Jahre in einem Kellerschrank in Gilching. Dass sie ans Tageslicht kommen, haben sie Klaus Bichlmeier zu verdanken, einem Ottobrunner Filmemacher. Er hat eine Dokumentation über das Konzert gedreht und zu einer Bühnen-Show mit Live-Musik und Tanz arrangiert: "Yesterday - Zeitreise Beatles"; Premiere ist an diesem Sonntag im Gasteig. Aber dass es die Bilder überhaupt gibt, das liegt an den Befürchtungen der Polizei.

Die Münchner Beamten hatten 1966 mit dem Schlimmsten gerechnet: mit Krawallen, Tumulten, zumindest Randale. Erst vier Jahre zuvor hatten sich in Schwabing Polizisten und Jugendliche nächtelang Straßenschlachten geliefert - und im Vorjahr hatten junge Rock-Fans in Berlin bei einem Konzert der Rolling Stones, der "härtesten Band der Welt", wie sie die Zeitschrift Bravo nannte, Sitzbänke und Bühne zertrümmert. Die Polizei hatte am Ende gar mit Wasserwerfern anrücken müssen.

Jetzt also München und die Beatles. Die bayerischen Polizisten waren sich sicher, dass es zu Ausschreitungen kommen würde - so sicher, dass sie bereits vorab beschlossen, Beweise zu sammeln: Sie filmten die Zuschauer des Konzerts, um später die Gewalttäter leichter identifizieren zu können. Begleitet wurden sie dabei von einem Fotografen, Hannes Havenstein. Der später vielfach ausgezeichnete Bildjournalist arbeitete an einem großen Foto-Porträt über die Münchner Polizei. Auch er war gespannt. Nur: Mehr als entrückte und hysterische junge Frauen bekam er nicht vor die Kamera, Randalierer waren keine zu entdecken. Und so filmten die Polizisten eben die Bühnenshow - und Havenstein machte zusätzliche Fotografien von den Musikern. So entstand nicht nur einer der frühesten Farbfilme eines Beatles-Konzerts, sondern auch eine Foto-Reportage aus dem Zuschauerraum.

Hannes Havenstein, der Fotograf, lebte bis 2008 in einem Mietshaus in Gilching. Er war Jahrgang 1921 und kein Beatles-Fan, aber das Konzert hatte er nie vergessen, immer wieder erzählte er seinen Kindern davon. Nach seinem Tod fand sein Sohn beim Aufräumen im Keller des Hauses einen Wust von 35 000 Dias, und in einem Stahlschrank entdeckte er Negative, darunter die Aufnahmen vom Beatles-Konzert. Als er dann einen Pressebericht über Bichlmeiers Film-Projekt las, erinnerte er sich an die alten Aufnahmen seines Vaters - und rief den Filmemacher an. Der konnte sein Glück kaum fassen.

Denn Havenstein war nicht der einzige Münchner, der sich bei Bichlmeier meldete. Einen Anruf erhielt er auch von Inge Marschalleck, die 1964 anlässlich der Premiere des Beatles-Spielfilms "Yeah Yeah Yeah" in einem Münchner Kaufhaus zur "Miss Beatle" gekürt wurde, sie präsentierte Bichlmeier ihre alte Urkunde. Später rief ein Mitglied eines Ringervereins aus Neuaubing an, der 1966 gemeinsam mit der Polizei die Sicherheit auf dem Konzert gewährleisten sollte. Die Polizei hatte damals derart große Angst vor Randalierern, dass die Beamten vorsichtshalber die stärksten Männer um Unterstützung baten, die sie kannten: die Ringer vom ESV Neuaubing. Auf den Aufnahmen vom Konzert sind sie gekleidet wie die Polizisten: Sie tragen weiße Hemden und Krawatten.

"Guten Appetit!" von den Beatles

Eine andere Rolle spielte damals die Feuerwehr. Das erzählte der Bassist einer der Vorbands: So habe die Feuerwehr einfach das gesamte Catering der Musiker aufgegessen. Als diese protestierten, erbarmten sich die Beatles und überließen der Vorband das eigene Essen. Zusätzlich gab es eine Autogrammkarte, versehen mit einem "Guten Appetit!" und den Unterschriften von John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr.

Die Autogrammkarte hat ihre eigene Geschichte: Der Bassist schenkte sie seiner damals zehnjährigen Tochter, und die zeigte sie ihren Freundinnen in der Schule - bis sie von älteren Mädchen angesprochen wurde, die ihr fünf Mark dafür boten. Doch das Mädchen war geschäftstüchtig: Es behielt die Karte und beobachtete den Markt. Abends ging es zu seinem Vater und bat um Nachschub: Solche Karten würden in der Schule teuer gehandelt, sagte die Tochter. Womöglich könne sie 20 weitere Karten absetzen. Da waren die Beatles freilich längst wieder fort.

Klaus Bichlmeier hat all diese Anekdoten gesammelt und in seine Bühnenshow aufgenommen. Er wird auch Havensteins Fotografien zeigen, zur Premiere hat er alle Zeitzeugen eingeladen. Aber Bichlmeier will nicht nur der Nostalgie frönen, er hat Größeres vor: Er will die Beatles endgültig unter den Klassikern einreihen auf einer Ebene mit Johann Sebastian Bach oder auch Ludwig van Beethoven. Bei der Premiere am Sonntag sollen sich Darsteller von Beethoven und John Lennon symbolisch die Hand reichen zum "Come together".

Klaus Bichlmeier: Yesterday - Zeitreise Beatles; Sonntag, 6. April, 18 Uhr, Gasteig, Rosenheimer Straße 5

© SZ vom 05.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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