Ergebnisse der SZ-Leserumfrage:Schön, hier zu sein

Therme, Flughafen, Wohnen oder Stadtgestaltung: Zum 40. Jubiläum der Landkreisausgaben hat die "Süddeutsche Zeitung" ihre Leser zu wichtigen Erdinger Themen befragt.

Von Antonia Steiger

Als in den 1990er-Jahren die Stadt Erding damit begonnen hat, ihre Altstadt zu sanieren, gab es einen Aufschrei. Abschnittsweise verwandelten sich die Verkehrsadern in Baustellen, auf denen es nach Ansicht der Anwohner deutlich zu langsam vorwärts ging. Dass sich der Schrannenplatz in einen "Roten Platz" verwandeln sollte, war für die Erdinger kaum zu verkraften. Die Verzweiflung unter den Geschäftsinhabern war enorm, mancher fürchtete um sein wirtschaftliches Überleben angesichts der Bauarbeiten vor der Haustür. Heute sieht die Sache anders aus: Menschen zücken ihre Handys und Fotoapparate, um die Häuserzeilen zu fotografieren. Erding positioniert sich als Tourismusziel - ohne Flughafen und Therme natürlich undenkbar - und möchte den gesamten Landkreis einbeziehen. Menschen kommen für ein paar Tage, gehen zum Baden und fahren wieder. Es kommen aber auch andere: Sie wollen ihr ganzes Leben lang hier bleiben.

Der Zuzug ist enorm, und er lässt kaum nach. Es ist nicht das putzige Ortsbild Erdings, das die Menschen darüber nachdenken lässt, für immer hierher zu ziehen, sondern wohl eher die niedrige Arbeitslosigkeit in der Region. Der Region wurde erneut ein Zuzug prognostiziert, der bisherige Vorhersagen nochmals übertrifft. Aber was bedeutet es, in der Region, im Landkreis Erding oder in der Stadt Erding zu leben? Zum 40-jährigen Bestehen ihrer Lokalausgaben in den Landkreisen hat die Süddeutsche Zeitung mit einer Befragung ihrer Lesern versucht herauszufinden, was ihr Lebensgefühl ausmacht. Der Erdinger Stadtrat wird es gerne lesen: Nirgendwo in der Region beurteilen die Leser das Ortsbild ihrer Heimatstadt so positiv wie in Erding: 83 Prozent. Es hat sich also doch gelohnt.

Ergebnisse der SZ-Leserumfrage: Nicht sofort verliebt haben sich die Erdinger bei der Altstadtsanierung in ihren neuen roten Schrannenplatz. Heute ist er ein beliebtes Fotomotiv.

Nicht sofort verliebt haben sich die Erdinger bei der Altstadtsanierung in ihren neuen roten Schrannenplatz. Heute ist er ein beliebtes Fotomotiv.

(Foto: Peter Bauersachs (Archiv))

6114 Interviews wurden im Rahmen der Umfrage "40 Jahre Landkreisausgaben" in der gesamten Region geführt. Die Region: Das sind die Landkreise Erding, Ebersberg, Freising, Fürstenfeldbruck, Starnberg, Dachau, Bad Tölz-Wolfratshausen und München. Die Umfrage kann nicht als repräsentativ gelten, Trends lassen sich jedoch ablesen. Zum Beispiel bei der Frage der Beurteilung des Wohnungsangebotes. Die Kaufpreise für Immobilien sind zu hoch - wer würde das nicht unterschreiben? Tatsächlich beantworten diese Frage mit einem eindeutigen Ja sogar noch mehr Menschen in der gesamten Region (82 Prozent) als die Befragten im Landkreis Erding (80 Prozent). Nein, die Preise sind nicht zu hoch: Auch dieser unkonventionellen Behauptung können einige zustimmen, im Landkreis Erding zwölf Prozent der Befragten, in der gesamten Region sechs Prozent. Der Trend geht jedoch in eine andere Richtung: Die Klagen über zu hohe Immobilienpreise sind beileibe kein spezielles Erdinger Problem. Die gesamte Region stöhnt unter dem Zuzug und unter dem Druck auf den Wohnungsmarkt. Jedermann weiß, dass dies zu Lasten der weniger gut Situierten geht, besonders gut wissen das die Menschen im Landkreis Erding: Das Bewusstsein dafür, dass es mehr Wohnraum für Menschen mit niedrigerem Einkommen geben müsse, ist im Landkreis Erding laut der nichtrepräsentativen Befragung sogar noch ein bisschen höher (79 Prozent) als in der gesamten Region (76 Prozent).

Wer liest die Süddeutsche Zeitung überhaupt? Etwas mehr Männer als Frauen, etwa die Hälfte hat ein Studium abgeschlossen. Das ist in der gesamten Region so. In der Altersstruktur liegt im Landkreis Erding ein Schwerpunkt der Befragten (42 Prozent) zwischen 40 und 59 Jahre, regionsweit befinden sich mit 35 Prozent die meisten Leser dagegen im bereits etwas fortgeschritteneren Alter von 70 und älter. Im Landkreis Erding macht diese Gruppe nur 19 Prozent der Leserschaft aus - zumindest laut Umfrageergebnissen. Und noch eine Besonderheit des Landkreises: Mit 41 Prozent liegt der Anteil derer, die in einem Haushalt mit drei oder mehr Personen leben, deutlich über dem Schnitt in der gesamten Region. Nur 28 Prozent der Leser in der gesamten Region leben in solchen Haushalten, dagegen 57 Prozent in Zwei-Personen-Haushalten.

Ergebnisse der SZ-Leserumfrage: SZ-Grafik

SZ-Grafik

Der Erdinger Kinderreichtum ist bekannt, immer wieder rangiert der Landkreis unter den jüngsten Landkreisen Deutschlands. Geburtenzahlen gehen nach oben, dies aber auch in anderen Landkreisen rund um München. Es ist kein geringer Aufwand, den die 26 Kommunen für die Kinderbetreuung leisten. Und wie beurteilen die Leser der SZ diese Bemühungen? Tja, wie soll man es sagen: Es ist ihnen zum Teil schlichtweg egal. Zwischen 28 und 41 Prozent liegen die Anteile der Befragten im Landkreis Erding, die auf die Frage nach dem Angebot nach Hortplätzen, Ganztagsschulen, Kinderkrippen und Kindergarten ihr Kreuzchen ganz einfach bei "interessiert nicht" machten. In der gesamten Region liegen diese Zahlen übrigens noch höher - bei jeder einzelnen dieser Fragen.

Heimatverbunden und trotzdem zukunftsorientiert: So sind die Menschen in der Region wie auch im Landkreis Erding. Das lässt sich an vielen Antworten ablesen. Viele leben gerne an ihrem Wohnort, manche lieben es gar, hier zu leben. 89 Prozent der Befragten im Landkreis und in der gesamten Region stimmen in diesem Punkt zu. Und sie wollen hier auch bleiben: 88 Prozent sagen dies in der Region, 83 im Landkreis Erding, wobei es ein Stadt-Landkreis-Gefälle gibt. Was für ein Kompliment für die Große Kreisstadt: 91 Prozent der SZ-Leser, die an der Befragung teilgenommen haben, wollen nicht von Erding wegziehen - ein Spitzenwert. Im restlichen Landkreis sagten dies 77 Prozent.

Es ist wohl auch eine Frage der Anpassungsfähigkeit, wenn Menschen sich wohlfühlen. Man arrangiert sich mit dem Unabänderlichen. Das zeigt sich nirgends besser als an der Haltung zum Flughafen. Er gilt den Erdingern mehr als den Freisingern als Motor einer funktionierenden wirtschaftlichen Entwicklung, man sah ihn von Anfang an als Bereicherung. Und vor allem: Dass er dem Landkreis mehr schadet als nützt, sagen nur 15 Prozent der SZ-Leser im Landkreis Erding. Im Nachbarlandkreis liegt der Wert bei 38 Prozent, mehr als doppelt so hoch. Gelassenheit tut Not im Umgang mit den Errungenschaften der Moderne. Das gilt auch für die Therme: Zu teuer, zu viel Trubel, das finden etwa zwei Drittel der Befragen. 60 Prozent gehen gar nicht in die Therme. Missen wollen sie die Therme trotzdem nicht. Ist sie ein Segen für den Landkreis? Das finden trotz aller Kritik 68 Prozent der Befragten. Vielleicht, so denken sie sich, gehen wir ja doch mal hin.

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