Erfahrungsberichte:Verhängnis hinterm Scheibenwischer

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Kein schöner Anblick: ein Strafzettel an der Windschutzscheibe. (Foto: Lukas Barth)

Über einen Strafzettel ärgert man sich immer - egal ob man selbst schuld ist oder nur Opfer eines missgelaunten Polizisten

Es soll Autofahrer geben, die mit ihren Strafzetteln für Parkdelikte den Innenraum ihres Autos dekorieren, sie einmal im Monat zusammenklauben und sich damit vor den PC setzen. Sie ärgern sich dann - wieder mal - über sich selbst, überlegen, ob es sich nicht lohnen würde, einen Tiefgaragenplatz zu mieten statt ständig vor dem Haus falsch zu parken, und überweisen schließlich, seufzend, alle Strafgebühren an das Polizeipräsidium. Einige Autofahrer entdecken aber auch völlig überrascht ein Zettelchen an ihrer Windschutzscheibe und sind überzeugt, dass sich die Politesse geirrt haben muss, weil sie ganz sicher nie im Leben falsch geparkt haben. Und dann gibt es noch solche, die unverfroren in die Trickkiste greifen . . .

Ein Porsche mit Starnberger Kennzeichen im Parkverbot. Für gewöhnlich zieht so etwas Klischeehaftes Parkraumüberwacher magisch an, habe ich stets mit sattem Vergnügen feststellen können. Nicht so in diesem Fall, obwohl der Schlitten provozierend lässig vor der Staatsoper am Max-Joseph-Platz stand. Ein rätselhaftes Schild auf dem Handschuhfach bannte wohl Strafzettel-Verteiler wie der Knoblauch die Vampire: "Eilige Dental-Lieferung". Eine theatrale Inszenierung? Ein Statement wider die Okkupation des öffentlichen Raums durch dreiste Privilegierte? Oder doch ein heikler Notfall auf höchster künstlerischer Bühne? Immerhin hat Startenor Jonas Kaufmann zeitweilig mit Zahnspange gesungen. Da kann sich schnell mal was verhaken. Dramatisch unangenehm muss auch der Moment gewesen sein, als der spanischen Primadonna Montserrat Caballé im Wiener Konzerthaus eine Brücke aus dem Mund schoss. Und wie schlimm erst wäre ein lispelnder Resi-Mime ohne Vorderzahn? Während ich noch weitere Szenarien durchspielte, kehrte wie aus dem Nichts der Dentalbote von seiner Mission zurück. Die Sonnenbrille ins Haar geschoben, ohne Socken in Herrenslippern. Lächelnd fegte er das Schild von der Ablage - und entschwebte schwerelos aus der Parkverbotszone.

CZG

Meinen Lieblingsstrafzettel haben mir zwei freundliche Polizisten mitten im verschlafenen Nymphenburg ausgestellt. Weil ich mein "Fahrzeug nicht ordnungsgemäß vor dem Zugriff Dritter gesichert" hatte. Zu dem Zeitpunkt war mein Auto ziemlich genau noch Minus 50 Euro wert. So viel forderte jedenfalls der Schrotthändler vier Wochen später von mir, um den Wagen zu entsorgen. Und was war mein Vergehen gewesen? Ich hatte den Kofferraum meines 17 Jahre alten Autos nicht abgesperrt. Es stand an dem Samstagnachmittag direkt vor unserer Haustür und hieß Emil. Mit 14 war er günstigerweise schon von einem PS-starken Benz zum wirtschaftlichen Totalschaden gemacht worden. Ganz ungestraft übrigens. Emils Heckschloss drehte seither manchmal durch. Aber von Verkehrswächtern würde ich so was natürlich niemals behaupten.

HER

Seit zwei Jahren steht mein Auto jeden Tag vor den gleichen grünen Glascontainern in einer Seitenstraße eines Verlagsgebäudes. Was für ein Glück, dass der Platz jeden Morgen quasi auf mich wartete: Nie stand ein anderes Auto dort. Ich hielt mich für clever. Bis sie neulich hinter den Scheibenwischern unseres Wagens klebte - hellrot, regennass und bedrohlich: eine "Verwarnung mit Zahlungsaufforderung" wegen Parkens im absoluten Halteverbot. An meinem Parkplatz. Vor dem, wie man bei genauerem Hinsehen unschwer erkennen kann, ein rundes, rot-blaues Schild prangt. Mit je einem weißen Pfeil in beide Richtungen. Ein bisschen habe ich mich schon geärgert über die 15 Euro Strafe. Und über mich selbst. Auf zwei Jahre verteilt aber immerhin ein guter Schnitt, dachte ich, als ich heute Morgen wieder an dem Schild vorbeikam - das erste Mal seit zwei Jahren mit dem Fahrrad.

LIBO

In Deutschland ist potenziell alles strafbar - außer Dummheit, da war ich mir bislang sicher. Was war ich dämlich! Ich weiß jetzt das Gegenteil: Denn kürzlich habe ich einen Zehn-Euro-Strafzettel bekommen, weil ich meine Parkscheibe "zu früh" eingestellt hatte. Und zwar auf eine Dreiviertelstunde vor jener Zeit, die das Schild vor dem Dantebad gern hätte: 9 bis 20 Uhr steht darauf zu lesen. Und wehe, Du fährst schon um 8.15 Uhr dort vor und stellst diese Zeit auch treudoof an der blauen Pappscheibe ein, die du stolz aus den Tiefen deines Handschuhfachs gekramt hast. Macht zehn Euro! Egal, ob du um 10.15 Uhr schon wieder vor deinem Auto stehst und laut Blechtafel ganze vier Stunden dort hättest bleiben dürfen. Der Grund: "Falsches Einstellen der Parkscheibe" ist auf dem Zettel zu lesen und "Beweisfoto liegt vor". Sicher gibt es einen entsprechenden Paragrafen, den ich damals in der Fahrschule hätte lernen sollen. Bloß bin ich aus der Theoriestunde offenbar zu früh gegangen.

HER

Wer falsch parkt wie ich eines Tages in der Münchner Pestalozzistraße, muss sich über einen Strafzettel nicht wundern. Tat ich auch nicht, aber was sollte der zweite Zettel, der hinter dem Scheibenwischer klemmte? Darauf stand: "Habe beobachtet, wie heute Nacht ein Lastwagen mit dem polnischen Kennzeichen (. . .) ihr Auto angefahren hat." Erst jetzt bemerkte ich das Malheur - die Fahrerseite war übersät mit Dellen und Kratzern. Am gleichen Tag noch der Anruf eines Brauereibesitzers aus Mühldorf: "Mei Fahra is gegen ihr Auto g'fahrn, wia mach mas?" Von der Ehefrau hieß es, dass nur ich in der Lage sei, ein Auto so abzustellen, dass gleich zwei dagegen brettern. Natürlich hatte sie damit nicht recht. Am nächsten Tag fand sich ein Schreiben von der Stadt München im Briefkasten und zwar des Inhalts, dass ein städtisches Müllfahrzeug unser Auto gerammt habe.

MM

© SZ vom 08.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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