Wolfgang Gieron im Gespräch:"Wie ein Rausch"

Seit 24 Jahren lockt der Violonist Wolfgang Gieron hochklassige Musiker nach Erding und organisiert Konzert der Klassische Philharmonie - die er selbst dirigiert

Interview von Jan-Hendrik Maier, Erding

Am kommenden Samstag leitet der Erdinger Wolfgang Gieron das Frühjahrskonzert der Klassischen Philharmonie mit Werken von Schubert und Mozart. Die Süddeutsche Zeitung hat mit dem Assistenten von Mariss Jansons über das Orchester, seine Leidenschaft als Violinist für das Dirigieren und die Musik gesprochen.

SZ: Sie haben 1992 die Klassische Philharmonie Erding ins Leben gerufen. Was waren der Grund und die Motivation dafür?

Wolfgang Gieron: Das Ziel war es, in Erding eine Konzertreihe zu gründen, um große Werke der klassischen und romantischen Orchesterliteratur auf die Bühne zu bringen, und das auf hohem Niveau. Die Erdinger sollten dafür nicht nach München fahren müssen.

Woher kommen die Mitglieder der Philharmonie?

Es sind alles Profis, hauptsächlich vom Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und der Staatsoper. Die Idee 1992 war, Profis aus der Region um den Flughafen zu suchen, aber das geht nicht immer, sei es weil sie Dienst haben oder nicht jedes Instrument in der Region vertreten ist. Ich suche die Musiker von Projekt zu Projekt aus.

Wie reagieren Ihre Musikerkollegen auf Ihre Anfragen?

Sie werden lachen, alle spielen mit großer Begeisterung in Erding und sind fast beleidigt, wenn ich sie nicht frage. Manche sind seit 24 Jahren bei jedem Konzert dabei.

Warum?

Unsere Programme sind sehr schön und kommen so in München nicht oft vor, zum Beispiel weil Programmchefs neuere Musik suchen. Wir spielen Beethoven, Schubert, Dvořak, Brahms - das sind für jeden begeisterten Musiker Höhepunkte. Außerdem herrscht in Erding eine lockere Atmosphäre, die Musiker haben Spaß. Es gibt nichts Besseres.

philharmonie

Am Samstag spielen die Klassische Philharmonie Erding und Geiger Anton Barachovsky dort Mozarts 5. Violinkonzert.

(Foto: Thorsten Neidlein/oh)

München ist mit seinen Spitzenorchestern nicht weit weg. Welchen Anspruch erhebt die Philharmonie für sich?

Wir wollen die großen Werke in Erding in ähnlicher Qualität wie in München aufführen, und ich denke, wir kommen dem Ideal schon sehr nahe, auch wenn ich mich nie in eine Linie mit den Weltstars stellen will.

Was zeichnet den Klang der Philharmonie aus?

Der Klang in der Erdinger Stadthalle ist trocken, aber nicht hässlich und dumpf. Da die Theaterbühne viel Klang schluckt, haben wir uns entschlossen, die Streicher auf eine Vorbühne in den Saal zu setzen. Dadurch entsteht ein sehr unmittelbares Erleben für das Publikum, das Sie in den großen Sälen nicht haben. Für Solisten sind das fantastische Bedingungen, sie werden nie durch das Orchester überdeckt. Ich bin sehr zufrieden damit.

Wie erleben Sie die Momente, wenn Ihnen Mariss Jansons, Chefdirigent des BR-Symphonieorchesters, den Taktstock gibt?

Ich bin der Assistent von Jansons und war das schon unter seinem Vorgänger Lorin Maazel. Das ist im Prinzip nichts Besonders. Jansons gibt mir den Stab, wenn er sich einen Eindruck von der Akustik im Saal macht. Es ist gut, wenn ein Dirigent mal die Musik aus der Perspektive des Publikums hört.

Woher kommt Ihre Leidenschaft fürs Dirigieren?

Als junger Mann habe ich nie daran gedacht. Irgendwie wurde ich aber Leiter des Erdinger Kammerorchesters. Das war harte Grundlagenarbeit. Dann suchte Lorin Maazel einen Dirigenten für sein eigenes Violinkonzert, und das musste unbedingt ein Geiger sein, der genau weiß, was der Solist in bestimmten Momenten macht. Maazel wurde mein Lehrer, wir waren viel gemeinsam unterwegs. Wenn Sie vor einem Orchester stehen, kommt eine Klangwolke auf Sie zu, die mit nichts vergleichbar ist. Das ist wie ein Rausch.

Wolfgang Gieron im Gespräch: Dirigent Wolfgang Gierdon hat sein Ensemble unter Kontrolle.

Dirigent Wolfgang Gierdon hat sein Ensemble unter Kontrolle.

(Foto: Peter Bauersachs)

Haben Sie als studierter Violinist am Pult einen anderen Blick auf das Orchester?

Ja. Wenn Sie in einem Orchester spielen, kennen sie seine Vorgänge und Probleme. Ein Dirigent sollte diese ja wegnehmen. Zudem haben Sie 100 Mann vor sich, die Sie bei Laune halten müssen. Das ist schwer.

Warum haben Sie sich am Samstag für Schubert und Mozart entschieden?

Die drei Stücke sind ähnlich in ihrer Besetzung. Bei der Jupitersymphonie erwartet die Zuhörer ein Wunder: Ihr letzter Satz ist Höhepunkt der musikalischen Befruchtung Mozarts durch Bach und auch nach 40 Jahren im Geschäft bin ich immer wieder fassungslos, dass ein Mensch so etwas schreiben kann. Eine kontrapunktische Meisterleistung, die ihresgleichen sucht.

Gibt es in Projekt, das Sie mit der Philharmonie gerne mal realisieren möchten?

Das ist alles eine Kostenfrage, aber mein Traum ist es, einmal Beethovens Neunte in Erding zu dirigieren.

Das Konzert beginnt am Samstag, 29. Mai, um 20 Uhr in der Erdinger Stadthalle. Karten sind noch an der Abendkasse erhältlich und kosten 35, ermäßigt 25 Euro. Einlass ist um 19 Uhr.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: