Wer hat richtig gezählt?:Eine Frage der Messung

Hauptgrund für Ortsumfahrung von Forstinning gerät in Zweifel

Von Korbinian Eisenberger, Forstinning

Man kann die Menschen an der Forstinninger Hauptstraße verstehen, wegen dem Verkehrslärm ist es nur nachvollziehbar, dass sie für die Umgehungsstraße kämpfen. Der Gemeinderat hat das Projekt vor mehr als einem Jahr beschlossen, seither ist die Straße das Streitthema Nummer Eins. Den einen kann der Bau nicht schnell genug beginnen, die anderen wollen das verhindern. In den Debatten geht es dabei stets um Wahrnehmungen und Emotionen, so war das auf einer Demo, und so lesen sich auch die Sprüche auf den Plakaten beider Lager. Neu ist, dass jetzt Zahlen bekannt wurden, die der Geschichte womöglich einen neuen Dreh geben.

Es geht um die neusten Messwerte, die das Bundesverkehrsministerium vor Kurzem veröffentlicht hat, sie könnten vieles von dem relativieren, was zur Entscheidung für die Umgehung führte, ist zumindest die Ansicht von Ludwig Seebauer, dem Sprecher der Schwaberwegener Umfahrungsgegner. Für ihn sind die Ergebnisse ein Hinweis darauf, dass die bisherigen Zahlen "grundlegend falsch sind", wie er am Montag in einer Pressemitteilung erklärte. Die Frage ist, ob das so stimmt.

Aus den Zahlen des Ministeriums lässt sich lesen, dass deutlich weniger Autos und Lastwagen durch den Ort fahren als bisher angenommen. Messungen aus dem Jahr 2015 haben ergeben, dass dort vor zwei Jahren täglich 9921 Fahrzeuge (davon 727 Laster) unterwegs waren. Und zwar zwischen der Anschlussstelle zur A 94 Richtung München und dem Ortsausgang Schwaberwegen nach Ebersberg - also an der Hauptstraße. Zum Vergleich: 2010 zählte das Ministerium noch 13 196 Fahrzeuge (davon 850 Laster), also täglich 3275 Fahrzeuge mehr als fünf Jahre später.

Pikant sind die neuen Zahlen deshalb, weil sie die Grundlage des Kernarguments für die Umfahrung pulverisieren könnten. Entscheidend dafür war ein Verkehrsgutachten von vor drei Jahren - damals erhoben vom Staatlichen Bauamt Rosenheim. Anfang Mai hatten die Rosenheimer im allgemeinen Wirbel um die Straße umfangreiche Messungen aus dem Jahr 2014 veröffentlicht. Demnach waren damals pro Tag durchschnittlich 10 400 Fahrzeuge (920 Laster) bis Schwaberwegen unterwegs. "Auf dieser Basis wurde untersucht, wie sich der Verkehr ohne eine Ortsumfahrung" bis 2030 entwickeln werde, hieß es in einer Pressemitteilung im Mai. Die Prognose des Bauamts: Bis dahin steigt der Verkehr im Ort auf 12 200 Fahrzeuge an, darunter 1060 Lastwagen.

Sieht man sich die aktuellsten Zahlen an, muss man sich wundern. Es tauchen plötzlich ganz neue Fragen auf: Ging der Verkehr zwischen 2010 und 2015 tatsächlich zurück? Und wenn ja, warum gleich um 25 Prozent? Oder kann es sein, dass sich da wer verzählt hat? Das Bundesverkehrsministerium 2015? Oder passierte der Fehler ein Jahr zuvor? Kann es sein, dass sich das Bauamt des Freistaats mit den entscheidenden Zahlen und mit seiner Prognose vertan hat?

Ingenieur Bernhard Bauer, der sich in Rosenheim bei der Forstinninger Umfahrung um die Straßenplanung kümmert, sagt, er sei sich ziemlich sicher, dass bei den gravierend auseinander liegenden Zahlen mit den Zahlen aus Berlin etwas nicht stimmen könne. "Es muss eine plausible Erklärung geben", so Bauer. Der Knackpunkt könnte die Methodik sein: Anders als die Landesbehörde zählt das Ministerium weder an mehreren Tagen im Jahr noch zu unterschiedlichen Tages- und Jahreszeiten. "Das Bundesministerium macht nur eine einzige Zählung", sagt Bauer. Demnach könne es gut sein, das an besagtem Tag etwas ungewöhnliches passiert sei - etwa eine Sperrung, ein Unfall oder eine Baustelle. "Das kann das Ergebnis verfälschen", so Bauer.

Vielleicht hat der Zähler des Verkehrsministeriums so einen Tag erwischt, oft sind ja Jugendliche oder Rentner im Einsatz, die sich mit Zählgerät und Stift ein paar Euros dazuverdienen, also nicht unbedingt Profis. Klar ist, dass 2015 an einer anderen Stelle gezählt wurde wie fünf Jahre zuvor, 390 Meter weiter südlich, sodass die Autos, die aus der Moosstraße direkt auf die A 94 wollen, nicht mehr erfasst werden. Auffällige Verkehrsbehinderungen oder Umleitungen aus dem Jahr 2015 gab es hingegen kaum, aber wer weiß das schon noch so genau. In Erinnerung ist vielen wohl noch der Sommer 2014, damals war in Kirchseeon zwei Monate lang die B 304 gesperrt, was wiederum den Verkehr auf der Autobahn und durch Forstinning verstärkt haben muss, als Bauers Berhörde zählte. Wo der Hund (überall) begraben liegt, bleibt also vorerst offen. Straßenplaner Bernhard Bauer will das Ganze nun prüfen und in einer guten Woche sein Ergebnis bekannt geben.

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