"Wer einmal weg ist, kommt selten zurück":Standortfaktor Jugend

Lesezeit: 2 min

Winfried Pletzer, Referent beim Bayerischen Jugendring. (Foto: oh)

Beim einem Treffen von Kommunalpolitikern und Experten in Fraunberg wird deutlich, wie wichtig es ist, die jüngere Generation in das Gemeindeleben einzubinden und ihnen das Hierbleiben schmackhaft zu machen

Von Gerhard Wilhelm, Fraunberg

Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU), Bürgermeister, Sozialwissenschaftler und Jugendhilfemitarbeiter aus ganz Bayern waren am Freitag zu Gast in Fraunberg. Im neuen Gemeindezentrum fand das vierte Treffen im Rahmen des Kommunalzirkels "Veränderungsprozesse in der Bevölkerungsstruktur aktiv gestalten" statt. Das Thema diesmal: "Jugend in der Kommune - Wie sehen junge Menschen ihre Situation?" Es zeigte sich, dass das Thema einerseits sehr vielschichtig ist, andererseits ein sehr drängendes. Die Jugend im Ort wird - obwohl sie weniger wird, oder vielleicht gerade deshalb - zu einem wichtigen Standortfaktor. Wer jetzt nichts tue, der gefährde auch die Zukunft der Gemeinde, sagte Winfried Pletzer, Referent für kommunale und gemeindliche Jugendarbeit beim Bayerischen Jugendring.

In dem Zirkel beteiligen sich Kommunen aus ganz Bayern und aus allen Regierungsbezirken, um ihre Erfahrungen auszutauschen und neuen Ideen für die Arbeit in den Gemeinden zu entwickeln. Vertreter aus Kommunalpolitik, Verwaltung und Zivilgesellschaft aus 28 bayerischen Kommunen treffen sich dazu mehrmals im Jahr. Diesmal in Fraunberg, um über die Fragen zu reden: Wie beurteilen junge Menschen ihre Situation? Wie sehen Jugendliche ihre Zukunft in ländlichen Räumen? Welche Bedingungen möchten junge Menschen vorfinden und wie erreichen wir es, dass sie sich auch in nichtstädtischen Lebenswelten wohl fühlen? Wann sind Gemeinden "jugendfreundlich"?

Eingeladen war unter anderem Michael Bergrab, mit 24 Jahren der derzeit jüngster Bürgermeister Bayerns aus der Gemeinde Lisberg im Landkreis Bamberg. Er schilderte die rasante Veränderung im Kind-Sein-Prozess im Vergleich zu früheren Generationen. Er kennt die Sorgen, Nöte und Wünsche der heutigen Jugend noch am ehesten aus eigener Erfahrung. Dass er die Seniorengrenze schon ab 50 Jahren ansetzte, was damit auch viele Anwesenden betraf, nahmen die Zuhörer mit Humor auf. Nach Bergrab hat sich für die Kinder und Jugendlichen viel verändert: die Mobilität und Flexibilität, äußere Umfelder wie Familie, Zusammenleben, die neuen Medien. Um eine Brücke bauen zu können von Erwachsenen zu Jugendlichen müsse man sie auch in ihrer Sprache und ihren Medien ansprechen. "Das Amtsblatt ist nicht der richtige Weg."

Der junge Bürgermeister plädierte wie Christoph Schattleitner, österreichischer Autor und Mitinitiator der Diskussionsreihe "Jugend am Land", Jugendhilfeplanerin Daniela Herbrecher und Sabine Niedermeier, Soziologin, und ebenfalls aus dem Landkreis Neumarkt, den Kindern und Jugendlichen Raum zur Selbstentfaltung zu geben, ihnen Verantwortung zu übertragen und sie vor allem ernst zu nehmen. Es müssten Angebote geschaffen werden - von der Freizeitgestaltung über die Einbindung in politische Prozesse bin hin zu kulturellen Angeboten. "Es genügt oft schon Angebote zu schaffen, auch wenn diese dann vielleicht nicht oder kaum angenommen werden. Aber sie zeigen den Jugendlichen, dass man sie einbinden will. So was ist ein langsamer Prozess", sagte Sabine Niedermeier. Angesichts von Ganztagsschulen und Nachmittagsunterricht stehe den Jugendlichen im Gegensatz zu früher auch immer mehr weniger Freizeit für sich zur Verfügung.

Gegen die Tendenz, dass schon Kinder mit sechs Jahren in Vereine gedrängt werden, um sie damit an das Gemeinschaftsleben heranzuführen in der Hoffnung, dass sie später Ehrenämter übernehmen, sprachen sich Fraunbergs Bürgermeister Hans Wiesmaier und Isens Gemeindechef Siegfried Fischer aus. Es bestehe dann eher die Gefahr, dass sie sich mit 20 Jahren, nach rund 15 Jahren in der Vereinsarbeit, verabschieden.

Der Jugend das Gefühl von Heimat zu vermitteln um sie im Ort zu halten ist nach Winfried Pletzer im Streit der Kommunen um die "Ressource" Jugend äußert wichtig. Wer einmal weggegangen sei, komme selten wieder zurück.

© SZ vom 18.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: