Wartenberg:Der Schrecken der CSU

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Die Freien Wähler in Wartenberg werden 40 - und feiern zusammen mit Hubert Aiwanger sich und ihre Erfolge

Wolfgang Schmidt

Es war eine Idee, die mehr oder minder aus sanftem Zwang heraus geboren wurde. Die Rede ist von der Vereinigung der Freien Wähler in Wartenberg - und wohl kaum einer erinnert sich an die Anfangszeiten vor 40 Jahren so genau wie Altbürgermeister Gustav Weltrich. Der hatte 1966 erstmals für den Marktgemeinderat kandidiert.

Die Freien Wähler nehmen für sich in Anspruch, als treibende Kraft das moderne Wartenberg geschaffen zu haben - so wie es sich hier beim Leonhardiritt zwischen Marktplatz und Rathaus präsentiert. (Foto: Bauersachs)

Er fand sich auf der CSU-Liste, allerdings ohne Mitglied der Christsozialen zu sein. Du hast uns das Mandat zu verdanken, deshalb solltest Du bitteschön in die Partei eintreten, hieß es dann. Weltrich nahm den entgegengesetzten Weg und schuf zusammen mit Walter Gebhardt senior und Alfons Engl eine Basis für Parteifreie Bürger. Diese Erinnerungen und natürlich einige mehr hat Weltrich in einem 260 Seiten starken Buch festgehalten. "Es liest sich wie ein Krimi", scherzt der Chronist.

Im Jahr 1972 fanden sich 40 Gründungsmitglieder zur Freien Wählergemeinschaft Wartenberg zusammen und nominierten zugleich auch ihre Aspiranten für die Gemeinderatswahlen. Sie gewannen auf Anhieb zwei Mandate. Walter Gebhart und Gustav Weltrich waren die ersten FWG-Vertreter im Marktgemeinderat. Bei den Kommunalwahlen 1978 kam ein drittes Mandat hinzu. Weltrich und seine Mitstreiter hatten Blut geleckt: "Dann wollten wir es wissen."

1984 gab es mit ihm erstmals einen Bürgermeisterkandidaten, weil der damalige CSU-Amtsinhaber Matthias Stuhlberger, seit 1948 schon Bürgermeister, Kreisrat und Landtagsabgeordneter amtsmüde war. "Gegen den hätte ich nie gewagt, zu kandidieren", sagt Weltrich heute. Für die CSU-Kreisleitung stellte sich ein furchtbares Szenario dar: Ein Freier Wähler wird Bürgermeister in Wartenberg - einfach unvorstellbar. Dann, erinnert sich Weltrich, hätten sie den Stuhlberger in die Mangel genommen nach dem Motto "Du musst noch mal ran." Und Stuhlberger hat sich breitschlagen lassen. Es ging knapp her - gute 50 Prozent gab es schließlich für Weltrich. "Katastrophe in Wartenberg - CSU am Abgrund", so lauteten damals die Schlagzeilen in der Erdinger Presselandschaft. Denn die Freien Wähler hatte nicht nur den Bürgermeistersessel gewonnen, sondern der CSU auch die absolute Mehrheit genommen.

1990 wurde das 84er-Ergebnis noch einmal getoppt, es gab zwei Mandate mehr und die Freien Wähler wurden zu stärksten Kraft im Marktgemeinderat. 1996 ging ein Mandat verloren - und 2002 kam es zum Aderlass bei der FWG. Weltrich hörte auf, des Weiteren wollten die bei der Bevölkerung sehr beliebten Theresia Huber und Anita Grün keine Politik mehr machen. Peter Schickinger stieg für die FWG gegen den langjährigen Verwaltungsleiter Walter Rost von der CSU in den Ring. Die FWG fiel zurück auf das Ergebnis von 1978 (von sieben auf drei Mandate). Die Ära Rost von 2002 bis 2008 erlebte Weltrich als "sechs Jahre, die in der Gemeinde desaströs waren". Für 2008 wurden alle Kräfte gebündelt und Manfred Ranft schaffte es, mit der hauchdünner Mehrheit von 29 Stimmen in der Stichwahl den CSU-Kandidaten Eduard Ertl zu besiegen.

Eine große Zahl von Dingen" habe man erledigt, unterm Strich stand das moderne Wartenberg, wie es sich heute präsentiert. Weltrich verhehlt aber nicht, dass ohne einen loyalen Partner die Erfolge der FWG nicht möglich gewesen wären - und der fand sich in der SPD. Die Ortskernsanierung, der Marktplatz, Rocklfing, die Obere Hauptstraße, das ganze Kirchenumfeld und der neuer Teil des Friedhofs sind für Weltrich sichtbare Zeichen einer langen, vertrauensvollen Zusammenarbeit.

Der größte Erfolg der FWG liegt für den Altbürgermeister darin, in Wartenberg wieder eine Grundschule etabliert zu haben. Weltrich spricht aus eigener Erfahrung: "Meine Kinder haben alle Schulhäuser absolviert, die waren in Berglern, in Fraunberg, in Reichenkirchen, in Thalheim und Langenpreising." Dass die Marktgemeinde jahrzehntelang in dieser Hinsicht darben musste, lag am Bau des Schulzentrums, der jetzigen Mittelschule. Die Wartenberger mussten aus Geldmangel mit den Nachbargemeinden ein Abkommen treffen: Sie treten dem Schulverband bei und als Gegenleistung schicken die Wartenberger ihre Grundschüler auf die Dörfer.

Gegen den "erbitterten Widerstand der CSU" habe man sich damals durchgesetzt. Gegner gab es viele - das Schulamt, das Landratsamt, den damaligen Kultusminister Hans Zehetmair. Nur die Schulbehörde bei der Regierung von Oberbayern stand hinter den Freien Wählern - und die "Kraft der Argumente", sagt Weltrich. Am 10. September 1991 wurden um 8 Uhr zwei erste Klassen in Wartenberg eingeschult. Weltrich hatte die Eltern zu einem Sektempfang in die Strogenhalle eingeladen - "das war eine tolle Stimmung damals".

In den 40 Jahren hat sich bei den Freien Wählern einiges grundlegend verändert. Aus der rein kommunalpolitisch orientierten Gruppierung ist jetzt eine echte Partei geworden, die sogar den Einzug in den Bundestag anstrebt. Die Wartenberger waren strikt gegen diesen Schritt, aber "dann kam der Herr Aiwanger und hat uns alle umgedreht". Weltrich gerät fast ins Schwärmen, wenn er über die Vorzüge des FW-Bundesvorsitzenden spricht. Es könne nur von Vorteil sein, wenn eine kommunalpolitische Partei in Land- und Bundestag sitzt. Wie das gehen soll, wird Hubert Aiwanger seinen Weggefährten beim großen Festakt in Pesenlern sicher gerne erklären.

© SZ vom 19.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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