Wachsende Population:Waschbären werden heimisch

Auch in diesem Jahr haben Jäger bereits etliche Exemplare im Landkreis gesichtet. Die anpassungsfähigen Tiere fühlen sich in städtischer Umgebung wohl

Von Denis Giessler, Erding

Waschbären sehen zwar putzig aus, sorgen seit mehreren Jahren aber für Diskussionen. Ob sie den Lebensraum der heimischen Tierwelt und die Artenvielfalt bedrohen, darin sind sich die Fachleute bislang uneinig. In den vergangenen Jahren ist das Wildtier im Erdinger Land angekommen, auch dieses Jahr sichteten Jäger wieder mehrere der pelzigen Kleinbären. Optimale Lebensbedingungen, fehlende natürliche Feinde und die schnelle Anpassungsfähigkeit des Waschbären begünstigen seine stetige Verbreitung auch in urbanen Räumen. Das aus Nordamerika stammende Tier breitet sich seit den Sechzigerjahren in Bayern von Norden her aus. 2012 wurde in dem Marderhund sogar noch ein weiterer Neuankömmling im Erdinger Land beobachtet.

Thomas Schreder, Biologe und Vorsitzender der oberbayerischen Jäger, der auch für die CSU im Erdinger Stadtrat sitzt, sagt, dass für 2015 die Daten des Wildtiermonitorings zwar noch nicht ausgewertet worden seien. Mehrere Jäger haben ihm zufolge den Waschbären im Laufe des ersten halben Jahres in einigen Gemeinden im Landkreis aber schon gesehen: in Dorfen, Walpertskirchen, Buch am Buchrain, Pastetten und Forstern.

Im Süden des Erdinger Landkreises trafen Jäger aber schon vor etlichen Jahren auf diese Tiere. Auch Klaus Ottis, Tierarzt in Erding und Veterinärmediziner des Kreisjagdverbandes, hat in seinem Jagdrevier in der Gemeinde Buch am Buchrain im Jahr 2011 einen Waschbären gesichtet. Andere Jäger haben ihm zufolge das Tier sogar bereits zu Beginn der 2000er Jahre beobachten können. Ottis vermutet eine "erhebliche Anzahl". Dass die Bestände dauerhaft weiter zunehmen, bezweifelt er, da "Viren wie die Staupe regelmäßig Populationen verringern." Der Natur wolle er einfach "freien Lauf lassen", wie er sagt.

Ein Waschbär im Wald

An diesen Anblick muss man sich vielleicht auch im Landkreis Erding gewöhnen. Waschbären breiten sich seit den sechziger Jahren auch in Bayern aus.

(Foto: dpa)

Waschbären stellen aufgrund ihrer Anpassungsfähigkeit für die heimischen Tiere eine starke Konkurrenz dar, sagt Schreder: "Im Gegensatz zum Fuchs, ihrem direkten Wettbewerbskonkurrenten, können sie klettern und sich ihre Nahrung von Bäumen holen." Auch seien Waschbären bei der Nahrung wenig wählerisch. Zu ihrem Speiseplan "gehören Wurzeln, Gräser, Beeren, aber auch Fleisch und Schnecken." Als Neuankömmlinge in einem Ökosystem, in dem sich über Tausende Jahre Räuber-Beute-Beziehungen gebildet hätten, würden sie nun den Lebensraum, aber auch die Nahrung der heimischen Tiere bedrohen. "Der Waschbär findet hier einen gedeckten Tisch vor, hat keine natürlichen Feinde und kann sich so schnell vermehren."

Pro Wurf gebären Waschbären zwei bis vier Junge. Im Landkreis habe es bislang aber keine Tötungen der Tiere gegeben, so der Biologe. Für die Zukunft prognostiziert er einen dauerhaften Anstieg der Population, die im Landkreis dann nicht mehr ausrottbar sei, wie er glaubt. Welche Auswirkungen das Tier auf die heimische Artenvielfalt auf lange Sicht habe, könne er zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht sagen: "Wir wollen keine Panik machen, beobachten die Situation aber aufmerksam."

Wachsende Population: Der Jäger Thomas Schreder rechnet mit einem dauerhaften Anstieg der Population.

Der Jäger Thomas Schreder rechnet mit einem dauerhaften Anstieg der Population.

(Foto: Peter Bauersachs)

Laut Frank-Uwe Michler, Wildbiologe und Jäger, basiert die bisherige Diskussion nur wenig auf wissenschaftlichen Erkenntnissen: "Hier spielen lobbyistische Interessen verschiedener Jagd- und Tierschutzverbände eine Rolle." Michler ist überzeugt davon, dass es für anpassungsfähige Tierarten wie den Waschbären noch freie ökologische Nischen gebe. So ist der Waschbär in der Lage, etwa in Sümpfen und Bächen lebende Insektenlarven und Wasserschnecken zu finden und zu fressen. "Freilich gibt es in jeder Region einzelne nesträubernde Exemplare, die sich negativ auf andere Tierarten auswirken", dies sei aber nicht die Regel. Konkrete ökologische Auswirkungen seien erst nach mehreren Jahrzehnten spürbar: "In Kassel leben die Tiere mittlerweile seit mehr als fünfzig Jahren und haben sich an das urbane Ökosystem angepasst. Auch haben die Menschen haben gelernt, mit dieser Tierart zu leben."

Denn nicht nur in Wäldern, sondern auch in urbanen Räumen sind Waschbären anzutreffen. Hier finden sie etwa in Mülltonnen Nahrung. Häufig nisten sie sich in Dachböden ein, um dort ihre Nester zu bauen. Dort können sie für Probleme sorgen: "Geruchsbelästigung wegen des Unrats, aber auch unmittelbare Schäden an der Dämmung, die sie für den Nestbau verwenden, können die Folge sein", sagt Schreder. Ottis berichtet vom einem Fall, bei dem ein Waschbär mehrere Hasen eines Bauern im Landkreis getötet hatte. Den schützenden Draht habe er einfach durchgebissen.

Ein weiterer Neuankömmling im Erdinger Land ist Ottis zufolge der Marderhund. Dieser ähnele dem Waschbären optisch und verfüge über die gleichen Fähigkeiten: "Er bewegt sich aber noch graziler als der Waschbär, ist flinker und ein ausgezeichneter Jäger." Gesichtet wurde er bisher in Taufkirchen, Buch am Buchrain, Pastetten und Forstern.

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