Volkstümliche Musik aus Dorfen:Süße Träume

Stefanie Jodl, 13-jährige Gymnasiastin aus Dorfen, feiert ihre ersten Erfolge als Sängerin.

Sarah Ehrmann

Zu ihrem zehnten Geburtstag hatte sich Stefanie Jodl aus Dorfen ein Lied gewünscht. Genauer gesagt: Ein Lied in einem Tonstudio aufzunehmen. Und anstatt über die Kaprizen ihrer Tochter zu schmunzeln, trieben Stefanies Eltern Stefan und Andrea einen Komponisten auf. Er stellte die 1,40 Meter große Gymnasiastin in einem Ein-Raum-Studio vor ein Mikrofon - und sie sang. Stilrichtung: Volkstümlicher Schlager. Vorbild: Stefanie Hertel.

Das Konzept mit dem niedlichen Mädchen mit den Engelslocken und der hohen Stimme ging auf: Stefanie begann durch Bierzelte und Fernsehstudios zu tingeln, Radiostationen spielen ihre Lieder, die ein Komponistenteam entwirft. Es läuft gut für die 13-Jährige: Single, Maxi, das erste Album "Megapowermadl". Journalisten und Fernsehsender sind Dauergäste im Hause Jodl. Die TV-Gala "Krone der Volksmusik" des Mitteldeutschen Rundfunks war ihr bisheriges Highlight - jeder zehnte Deutsche schaute vor dem Fernseher zu.

Für Stefanie Jodl könnte möglicherweise das wahr werden, wovon so viele Teenager träumen: berühmt werden. Dass sie dafür ausgerechnet Heile-Welt-Herz-Schmerz-Schlagerpop gewählt hat, irritiert allerdings und hinterlässt einen schalen Beigeschmack von cleverer Vermarktungsstrategie und Elterndruck. Zu bekannt sind die Geschichten ehemaliger Kinderstars, die Jahre später über Zwang und Gewalt erzählen: Joe Jackson, an den Sohn Michael sich noch als Erwachsener zitternd zurückerinnerte. Oder die Mutter von "Backstreet Boy" Nick Carter, die beim nachlassenden Erfolg des Ältesten flugs die jüngeren blonden Familienmitglieder verheizte.

Doch beim Besuch der Familie Jodl in Dorfen landet man tatsächlich in einem bayerischen Idyll, in dem angenehme Selbstverständlichkeit herrscht. Fast ein bisschen zu perfekt, wie die ganze Familie gemeinsam am Tisch sitzt, aber irgendwie dennoch überraschend überzeugend, wie Stefanie mit glühenden Augen von ihren Erfolgen berichtet. "Süß", rutscht einem unweigerlich heraus, wenn man einen ihrer Sammelordner durchblättert, in dem ihre Mutter in hunderten Fotos jeden Auftritt dokumentiert.

Stefanie mit Stefanie Hertel, Stefanie mit Stefan Mross, Stefanie als Zehnjährige mit Jeansshorts und gepunktetem Top - der erste Auftritt, mit DJ Ötzi im grellen Sonnenlicht. Es störe sie nicht, wenn man sie süß nennt, sagt die angehende junge Frau und setzt ein strahlendes Lächeln auf. Doch Süß-Sein scheint auch ein Muss zu sein in einer rosafarbenen Musikwelt, in der es statt Zufall akribische Arbeit gibt. Mutter und Tochter sind dabei ein festes Team, das daran arbeitet, Stefanies Traum in der Realität umzusetzen.

Das Langsame, aber Stetige, das ist der Mutter wichtig, sagt sie, "die Freid", das ist der Stefanie wichtig. "Ein bisschen ist die Mama schon so eine, die gerne will, dass man Erster wird, wenn man bei einem Wettbewerb mitmacht", sagt der Vater, woraufhin beide Frauen empört protestieren. "Das muss man lernen, dass man nicht immer Erster sein kann", sagt Stefanie. "Das gehört dazu", sagt die Mutter, und die beiden lächeln sich an.

Stefanie sagt, dass sie singen will, um den Menschen Freude zu machen. Dass es vornehmlich ältere Herrschaften sind, die ihr zuwinken und Geschenke schicken, und dass sie in der Schule manchmal den Neid und Spott der Mitschüler ertragen muss, sei ihr egal. "Zum Erfolg gibt es keinen Aufzug, man muss die Treppe nehmen", sagt sie auf Anstupsen der Mutter.

Manchmal merkt man Stefanie an, dass sie viel mit Erwachsenen zu tun hat, selbstbewusst ist, aber auch professionell. Über ihre Zielstrebigkeit singt sie: "I bin des Megapowermadl, 's gibt nix auf der Welt, was mi hält, i woiß ganz genau was i will." Dennoch wirkt sie manchmal selbst amüsiert über ihren Erfolg. In ihrem Zimmer werden Sofa und Pferdebettwäsche noch von Stoffbären bevölkert. "Geschenke von Fans", sagt Stefanie und sie sieht aus, als ob sie sich wirklich freut, auch wenn sie die Schenkenden noch nie gesehen hat.

Dann wirkt sie irgendwie verloren, in dem unpersönlichen Raum, zwischen den großformatigen CD-Shooting-Bildern an den Wänden und den Pokalen in der Vitrine. Dann ist sie ein kleines Mädchen, das jemanden braucht, der sich vor sie stellt und das harte Showgeschäft, die Gemeinheiten, falsche Freunde von ihr fernhält. Bisher entscheidet die Familie gemeinsam über alle neuen Angebote. "Natürlich wollen wir die Stefanie beschützen", sagt die Mutter. Deshalb stehen auch kaum Videos online, falls doch, ist die Kommentarfunktion geblockt.

Für Stefanie beginnt jetzt eine spannende Phase. Das Rad des Erfolgs dreht sich schneller, gleichzeitig wird sie erwachsen und selbständiger. Ob sie später noch volkstümliche Schlager singt, ist ungewiss. "Wir akzeptieren eine Entscheidung in beide Richtungen", sagt der Vater. "Ich will das mein Leben lang machen", sagt Stefanie und strahlt. In der Wange zeigt sich wieder das Grübchen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: