Verfahren wird ausgesetzt:Nur einer kann es gewesen sein

Saß bei der Gerichtsverhandlung der Falsche vor Gericht? Ein 38-Jähriger, der wegen Amtsanmaßung angeklagt ist, bestreitet die Tat. Verteidiger vermutet Verwechslung mit dessen Bruder, der einen ganz ähnlichen Vornamen trägt

Von Regina Bluhme, Erding

Zwei Brüder mit zwei sehr ähnlich klingenden Vornamen, doch wer von beiden ist der Schuldige? Diese Frage beschäftigte am Mittwoch Richterin Michaela Wawerla am Amtsgericht Erding. Wegen Amtsanmaßung saß einer der beiden Brüder auf der Anklagebank. Die Anmaßung bestand darin, dass der 38-Jährige im vergangenen Jahr auf Privatgrund eigenmächtig ein Schild "Absolutes Halteverbot" aufgestellt haben soll. Nach knapp 45 Minuten entschied die Richterin, das Verfahren auszusetzen. Es konnte nicht geklärt werden, ob nicht der Falsche auf der Anklagebank saß. Jetzt soll ermittelt werden, wer von den beiden polizeibekannten Geschwistern das Schild aufgestellt hat.

Für die Staatsanwältin war die Sache klar: Der Angeklagte habe Anfang April 2017 und dann im nochmals im Zeitraum Ende April bis Mitte Mai auf einem Betriebsgelände im Gewerbegebiet von Schwaig, knapp an der Grundstücksgrenze zur Straße hin, das Verkehrsschild Nummer 283 (absolutes Halteverbot) angebracht. Das sei grundsätzlich nicht verboten - nicht erlaubt sei allerdings, dass ein Verkehrsschild "in Richtung öffentlicher Raum wirkt". Kurz: Für Verkehrsteilnehmer sah das Schild wie eine amtliche Anordnung aus. Ein offizielles Parkverbot dürfe aber nur die öffentliche Hand kraft ihres Amts ausweisen, betonte die Staatsanwältin. Daher der Vorwurf der Amtsanmaßung.

"Dieser Vorwurf ist blanker Unsinn", konterte der Verteidiger des 38-Jährigen. Grundsätzlich könne jeder ein Verkehrsschild auf seinem Privatgrundstück aufstellen, da könne er "Aufsätze darüber schreiben". Es sei nicht die Schuld des Grundstückbesitzers, "wenn sich die Leute von den Schildern irritieren lassen". Und überhaupt habe der Angeklagte mit der Sache rein gar nichts zu tun. "Er hat die Tat nicht begangen", betonte der Anwalt. Für das betreffende Grundstück und den dazugehörigen Betrieb sei nämlich der Bruder des 38-Jährigen zuständig. Beide hätten sehr ähnlich klingende Vornamen, es müsse sich um eine Verwechslung handeln.

Aufgekommen war die Sache, nachdem eine Polizeistreife das Schild entdeckt hatte. Der Polizeibeamte im Zeugenstand berichtete, er habe einen Mitarbeiter des Betriebs nach dem Verantwortlichen gefragt und die Handynummer des 38-Jährigen erhalten. Auf einem Zettel habe er das Telefonat mitnotiert. Der Angeklagte habe seinen Vornamen deutlich genannt, "da irre ich mich nicht, die beiden Brüder sind auf der Dienststelle bekannt", berichtete der Polizeibeamte. Von dem Bruder sei im Telefonat nie die Rede gewesen, betonte der Beamte.

Auf Nachfrage des Verteidigers stellte sich heraus, dass von dem Mitarbeiter kein Name in den Akten zu finden ist. Für die Staatsanwältin reichte die Beweisaufnahme dennoch aus. "Da muss ich lachen", sagte darauf hin der Verteidiger und stellte einen Beweisantrag, "sicherheitshalber". Damit gibt es jetzt weitere Ermittlungen: Es wird der Mitarbeiter erneut befragt und es soll auch geklärt werden, wem das Grundstück überhaupt gehört. Die genauen Eigentumsverhältnisse konnte die Polizei nämlich auch mit Hilfe der Gemeindeverwaltung nicht exakt ermitteln. "Da gab es Schwierigkeiten", fügte der Polizist hinzu.

Nach einer kurzem Besprechung mit dem Anwalt draußen vor Tür überraschte der 38-Jährige mit der Information, dass die Gemeinde nun ihrerseits auf Grundstückshöhe Halteverbotsschilder angebracht habe. "Wird nun die Gemeinde verurteilt?", fragte der Anwalt mit süffisantem Lächeln. Diese habe auch die Berechtigung dafür, konterte die Staatsanwältin sichtlich genervt.

Richterin Michaela Wawerla entschied schließlich, das Verfahren auszusetzen. Die Staatsanwaltschaft Landshut wird neben dem Mitarbeiter auch den Bruder des 38-Jährigen befragen. Außerdem soll geklärt werden, ob mittlerweile tatsächlich Haltverbotschilder von Amts wegen aufgestellt wurden. Sei dies der Fall, so Richterin Michaela Wawerla, dann erwäge sie die Einstellung des Verfahrens.

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