Verfahren eingestellt:Gedächtnislücken und schlampige Ermittlungen

Eichstrich am Masskrug

Der ganze Streit entzündete sich an lediglich einer Maß Bier, die angeblich nicht bezahlt worden sei.

(Foto: Florian Peljak)

Betrunkener Polizeibeamter prügelt sich auf dem Erdinger Herbstfest mit einem nüchternen Kellner

Wenn ein Polizeibeamter, auch wenn er nicht im Dienst ist, andere Menschen anzeigt, weil sie ihn angeblich mit der Hand ins Gesicht geschlagen und ihn dann am Boden liegend auch noch mit Füßen gegen Kopf und Brust getreten hätten, hagelt es üblicherweise empfindliche Strafen wegen gefährlicher Körperverletzung. Am Amtsgericht Erding wurde so ein Verfahren gegen zwei Kellner vom Erdinger Herbstfest jedoch einmal wegen Geringfügigkeit und einmal gegen eine Geldauflage von 300 Euro eingestellt. Denn im Laufe der Verhandlung verfestigte sich der Eindruck, der Polizeibeamte sei bei dieser Auseinandersetzung der eigentliche Täter gewesen. Und seine eigenen geringfügigen Verletzungen, die wohl durch das Eingreifen der Security entstanden sein können, versuche er den beiden Kellnern in die Schuhe zu schieben.

Der 37-jährige Polizeibeamte aus dem Landkreis Erding war am 9. September vergangenen Jahres, einem Samstag, zusammen mit seiner Frau im Biergarten auf dem Erdinger Herbstfest. Er hatte bereits vier Maß Bier getrunken, als sich gegen 21 Uhr ein Streitfall ergab: Der 47-jährige Keller hatte an der Stirnseite des Tisches, an dem der Polizeibeamte saß, einen Kranz mit zehn frisch eingeschenkten Maßkrügen abgestellt und von dort aus die Krüge verteilt. Der Kellner sagte vor Gericht aus, plötzlich habe ein Maßkrug gefehlt und der Kläger habe eine frische Maß vor sich gehabt. Er habe ihn aufgefordert, das Bier zu bezahlen, doch dieser habe sich geweigert. Es sei sein eigenes Bier, das er erst zehn Minuten zuvor erhalten und bereits bezahlt habe. Nach einigem hin und her, bei dem auch Beleidigungen seitens des Polizeibeamten gefallen sein sollen, hat ihn der Kellner nach eigenen Angaben am Hemd hochgezogen und vom Tisch weggeschoben: Wenn er nicht bezahle, solle er den Biergarten verlassen. Security und Volksfestwache seien bereits zugegen gewesen und hätten die beiden Streithähne getrennt. Plötzlich sei der Polizeibeamte zwischen den Sicherheitskräften hindurchgesprungen und habe dem Kellner mit der Faust eine klaffende Wunde auf der Stirn geschlagen, die im Krankenhaus mit sieben Stichen genäht werden musste. Dann konnten die Sicherheitskräfte den Kläger überwinden und am Boden fixieren. Zu dem Zeitpunkt hatte er 2,6 Promille, der Kellner war absolut nüchtern.

Der Polizeibeamte zeigte bei der anschließenden Vernehmung den Kellner an: Er habe ihn von der Bank geschubst und zusammen mit einem weiteren Kellner getreten, als er am Boden gelegen sei.

Die Ermittlungen der Polizei gegen ihren Kollegen waren aus Sicht der beiden Rechtsanwälte der Kellner ungewöhnlich schlampig. Es gab keine Gegenüberstellung mit dem angeblichen zweiten Kellner, der Übergabebericht fehlte und nach entlastenden Merkmalen sei auch nicht gesucht worden. Außerdem verwickelte sich der Polizeibeamte vor Gericht in so massive Widersprüche und berief sich zu wichtigen Details auf Gedächtnislücken, dass er als Hauptbelastungszeuge unglaubwürdig schien.

Vor diesem Hintergrund stellte Richter Andreas Wassermann mit Einwilligung der Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Beim zweiten Kellner wegen Geringfügigkeit, beim Hauptangeklagten gegen eine Zahlung von 300 Euro an den Malteser Hilfsdienst. Bei ihm komme lediglich ein Schubsen des Gastes in Betracht. Es gebe kein öffentliches Interesse an einer Strafverfolgung, sagte Wassermann.

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