Verdi-Oper "Stiffelio":Fiktive Talkshow

Von Dorfen nach München: Opera Incognita inszenieren die fast vergessene Verdi-Oper "Stiffelio"

Von Florian Tempel, Dorfen

Kennen Sie Verdi? Eine freche Frage, natürlich kennt jeder Giuseppe Verdi. Aber wer kennt seine Oper "Stiffelio"? Selbst Kennern sagt sie wenig bis nichts. Was aber nicht verwunderlich ist. Denn auch in einer Opernstadt wie München war das 1850 uraufgeführte Werk bislang noch kein einziges Mal zu hören und zu sehen. "Stiffelio" ist deshalb ganz klar ein Fall für die freie Musiktheater-Compagnie Opera Incognita, die das unerhörte Stück in diesem August nun tatsächlich als Münchner Erstaufführung auf die Bühne bringen wird. Premiere in den Arri-Studios in der Münchner Türkenstraße ist am Samstag, 22. August. Zur Dernière am Samstag, 29. August, fährt für die Dorfener Opera Incognita-Fans ein Bus nach München.

Opera Incognita, das sind der Dorfener Kirchenmusiker Ernst Bartmann und sein Regie-Partner Andreas Wiedermann. Ein Team, das wie jeder Opernfreund im Landkreis weiß, seit Jahren außergewöhnliche und wunderbare Inszenierungen abliefert. Im Jakobmayer sind die zwei längst Stammgäste und haben dort in vier Jahren nicht weniger als sechs Opern- und Operettenklassiker als Dorfener Eigenproduktionen realisiert. Das tun sie stets so gut, dass es eine wahre Freude ist und jedes Mal aufs Neue eine kleine Sensation: große Oper auf hohem Niveau, mit schmalem Budget in der Kleinstadt.

Länger schon als in Dorfen sind Bartmann und Wiedermann jeden Sommer in München aktiv, um dort Oper zu inszenieren. Für ihre Münchner Produktionen wählen sie aber keine gängigen Werke, sondern getreu ihrem Compagnie-Namen am liebsten selten gespielte Stücke. 2011 setzten sie beispielsweise Giacomo Puccinis "Edgar" als Münchner Erstaufführung in der Allerheiligenhofkirche in Szene. Zum Konzept von Opera Incognita gehört zudem, in besonderen Räumlichkeiten zu spielen: 2010 Mozarts "Idomeneo" im Müllerschen Volksbad oder 2012 "La Clemenza di Tito" im Zirkus Krone. Der dritte und ebenso wichtige Aspekt ist, dass bei Opera Incognita junge Sängerinnen und Sänger zu erleben sind, die noch am Anfang ihrer künstlerischen Karrieren stehen.

Beim aktuellen Verdi-Projekt wird das Opera Incognita-Konzept wieder in jeder Hinsicht verwirklicht. Dass "Stiffelio", in dem ein Sekten-Priester und seine treulose Ehefrau die Hauptrollen spielen, unter den Verdi-Opern eine Außenseiterrolle spielt, hat mehrere Gründe. Zensurbehörden pfuschten so sehr in dem Stück herum, dass Verdi die verstümmelte Oper selbst total überarbeitete und sie als Grundlage für seinen "Aroldo" hernahm. Erst in den 1960er Jahren wurde das Original in Neapel wiederentdeckt. Was ebenfalls dazu beitrug, dass "Stiffelio" so lange in Vergessenheit geriet, ist, dass Verdi unmittelbar danach seine größten Erfolge "Rigoletto", "Il Trovatore" und "La Traviata" schrieb. Auf der anderen Seite verspricht gerade deswegen die Wiederentdeckung von "Stiffelio" so interessant zu werden. Denn in dieser Oper, die Verdi in seiner besten Phase geschrieben hat, steht der Komponist "an der Schwelle zu seiner Meisterschaft", sagt Bartmann. In der Musik, die er für ein kleines Orchester mit fünf Streichern, Flöte, Oboe, Horn, Trompete und Posaune transkribiert hat, "schlummert vieles, was Verdi danach komponiert hat".

Der Aufführungsort wird das Studio, wo sonst die "Pelzig hält sich"-Fernsehshow aufgezeichnet wird. Regisseur Wiedermann nutzt das Ambiente, um die Oper als politische Talkshow zu inszenieren. Die fiktive Diskussion zum Thema "Die Rückkehr des christlichen Fundamentalismus?" wird dabei durch krude und verwirrende Ereignisse immer wieder gestört.

Die Hauptrolle des Stiffelio singt der französische Tenor Olivier Trommenschlager, die Hauptrolle seiner Ehefrau Lina die Russin Anastasia Zaytseva. Die weiteren Partie sind mit Bariton Thorsten Petsch, Bassbariton Martin Summer und dem rumänischen Tenor Serban Constantin Cristache besetzt. Zudem singt ein Chor, bei dem auch acht Dorfener und Dorfenerinnen mitwirken.

Premiere am 22. August, weitere Aufführungen am 25., 26., 28. und 29. August. Beginn jeweils um 19.30 Uhr. Zur letzten Vorstellung bietet Weber-Reisen, Tel. 08081/745, einen Bus ab Dorfen. Karten zu allen Terminen bei München Ticket oder beim Ticket Treff Dorfen, Tel. 08081/1393.

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