Umweltzerstörung:"Jedes Jahr ein anderer Bach"

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In Burdberg bei Sankt Wolfgang läuft eine Odelgrube über und die Fäkalien gelangen in den angrenzenden Rimbach. Dort tötet die braune Brühe Hunderte seltene Mühlkoppen, die gerade bei der Laichablage waren

Von Thomas Daller, St. Wolfgang

Jedes Jahr im Frühling ziehen Elritzen und Mühlkoppen den Rimbach in den Gatterbergen hoch, um dort zu laichen. Heuer endete das in einer Katastrophe. Aus der Odelgrube eines landwirtschaftlichen Anwesen in Burdberg floss am Sonntagmorgen über ein 200 Meter langes Rohr die braune Brühe in den Bach. Obwohl die Feuerwehren rasch zur Stelle waren und etwa einen Kilometer bachabwärts eine Sperre errichteten, starben die seltenen Fische mit Bäuchen voller Eier zu Hunderten, wenn nicht gar Tausenden. Für das europäische Naturerbe Natura 2000 im FFH-Gebiet "Isental mit seinen Nebenbächen" ist das ein einschneidender Verlust, denn es gibt kaum noch Bäche, in denen diese beiden Arten vorkommen.

Tote Elritzen säumen die Ufer des Rimbachs. (Foto: Andreas Hartl)

Der international renommierte Naturfilmer Jan Haft und der Dorfener Naturfotograf Andreas Hartl hatten am Rimbach ein Tarnzelt zum Filmen aufgebaut. Sie wollten nicht nur den Laichzug der Koppen und Elritzen aufnehmen, sondern auch den ebenfalls seltenen Schwarzstorch, der im Bach die eine oder andere Koppe fängt.

Am Sonntagmorgen bemerkte ein Mitarbeiter des Filmteams die braune Brühe im Bach und informierte Hartl, der umgehend zur Stelle war: "Wir haben das Rohr gefunden, wo der Odel reinlief. Überall lagen verendete Fische im Bach. Es waren Hunderte, wenn nicht Tausende tote Koppen drin." Hartl rief die Polizeiinspektion Dorfen an, die einen Streifenwagen schickte und die örtlichen Feuerwehren alarmierte.

Am Bachgrund entdeckten die Naturfilmer Hunderte, wenn nicht Tausende Mühlkoppen, als das Wasser wieder klar wurde. (Foto: Andreas Hartl)

Die Feuerwehren errichteten bei Hofgiebing eine Sperre, damit der Odel nicht in die Goldach fließen konnte. Mehrere Landwirte rückten mit Traktoren und Vakuumfässern an, um das Odelwasser abzupumpen. "Die waren sehr schnell zur Stelle", lobte Hartl, und hätten wohl einen Schaden im Unterlauf des Rimbachs verhindern können. Aber im Oberlauf, der Kinderstube der Elritzen und Mühlkoppen, war der Schaden verheerend, offenbar hat kaum ein Fisch die Einleitung des Odels überlebt. Neben den beiden Kleinfischarten Koppe und Elritze sind auch etliche Bachforellen zugrunde gegangen. Die roten Tupfen dieser Bachforellen haben laut Hartl "eine ganz eigene Form", die sie von handelsüblichen Zuchtforellen unterscheide. Nachdem der Rimbach weder befischt noch besetzt wird, scheint es sich um eine kleine heimische Population zu handeln, die schon seit der letzten Eiszeit in den Bächen der Gatterberge lebt.

Die Feuerwehr errichtete Sperren und pumpte den Odel ab. (Foto: Andi Hartl)

Die polizeilichen Untersuchungen laufen noch, man geht aber davon aus, dass der Landwirt nicht absichtlich den Odel in den Bach laufen ließ, sondern es sich um eine Verkettung unglücklicher Umstände gehandelt hat. Die Drei-Kammer-Grube auf dem Anwesen sei voll gewesen. Über ein gebrochenes unterirdisches Rohr sei der Odel in einen Straßengraben gelangt und über ein Drainagerohr in den nächsten Acker und den angrenzenden Bach. Etwa zwei Stunden sei der Odel in den Bach gelaufen, sagte Hartl. Nur durch den Umstand, dass die Naturfilmer dort Dreharbeiten vorbereitet hatten, sei man so früh darauf aufmerksam geworden. "Wer läuft denn sonst an einem Sonntagmorgen um 8 Uhr in der Früh dort rum", sagte Hartl.

"Jedes Jahr ein anderer Bach", sagte Hartl mit Hinweis auf die verheerenden Gewässerschäden der vergangenen Jahre. So gelangten beispielsweise im Jahr 2016 insgesamt 3600 Liter eines Holzschutzgemischs in die Goldach, ebenfalls in der Gemeinde St. Wolfgang. Auf 13 Kilometern wurde die komplette Fauna ausgelöscht. Diese Gewässervergiftung gilt als die schlimmste, die sich in den vergangenen Jahrzehnten in Bayern zugetragen hat.

"Extrem gefährdete Arten" wie die Mühlkoppe seien fast nirgends mehr zu finden, das Gleiche gelte für die Elritzen. Etwa 50 Elritzen und 30 Mühlkoppen konnte Hartl aus dem Rimbach retten. Sie befinden sich nun in einem großen Aquarium. Hartl hofft, dass es mit diesen Exemplaren gelinge, diese Fische im Rimbach wieder anzusiedeln.

© SZ vom 11.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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