Umweltschutz:Keine Angst vor Blindschleichen

Umweltschutz: Jörg Steiner, auf einem Bauernhof aufgewachsen, erkundete schon als Bub die Natur, heute ist es sein Beruf, diese zu schützen.

Jörg Steiner, auf einem Bauernhof aufgewachsen, erkundete schon als Bub die Natur, heute ist es sein Beruf, diese zu schützen.

(Foto: Marco Einfeldt)

Als Leiter der Unteren Naturschutzbehörde weiß Jörg Steiner, das er sich mit seinen Einsprüchen nicht immer Freunde macht, vor allem nicht bei den Landwirten

Interview Von Katharina Aurich, Freising

Jörg Steiner ist ein Mensch, der sich auch über kleine Veränderungen freut. Zum Beispiel über die Uhus, die sich wieder im Landkreis im Flachland angesiedelt haben, nachdem sie ganz verschwunden waren. Obwohl immer mehr Flächen zugebaut würden, die Landwirte düngten, Gift spritzten und bis an die Bachufer pflügten, um ihr Auskommen zu sichern, kämen manche Tier- und Pflanzenarten wieder zurück, berichtet der Biologe. Zum Beispiel entdeckte Steiner Wachtelkönige im Ampertal, auch Kraniche oder Störche würden vermehrt gesichtet, auf dem Domberg niste sogar ein Wanderfalkenpaar. Es gebe aber noch viel zu tun, um die Natur im Ampertal und in den Isarauen, die Moorgebiete und die Magerrasen der Schotterebene als Lebensräume für Tiere und Pflanzen für künftige Generationen zu erhalten.

SZ: Der Bevölkerung im Landkreis wächst, Boden- und Pachtpreise steigen, Landwirte intensivieren die Bewirtschaftung. Welche Perspektiven hat die Natur, mit der niemand Geld verdient?

Jörg Steiner: Wir müssen die Infrastruktur bündeln und konzentrieren. Auf den freien Flächen weiter renaturieren, beispielsweise in unserem wasserreichen Landkreis den Flüssen mehr Retentionsflächen geben, auf denen sich das Wasser bei Hochwasser ausbreiten kann. Und wir müssen mehr Landwirte dafür gewinnen, extensiv zu wirtschaften.

Für die allermeisten konventionell wirtschaftenden Landwirte sind Naturschützer keine Freunde. Wie bewegen Sie sie dennoch zu einer Kooperation?

Die Verwaltung und die Landwirte - das sind zwei verschiedene Welten. Ich möchte niemanden unter Druck setzen, nehme mein Gegenüber ernst, mache niemandem etwas vor. Die Landwirte stehen wirtschaftlich unter Druck und wir haben leider wenig zu bieten. Es gibt die Agrarumweltprogramme, die die Bauern, die extensiv wirtschaften und damit Pflanzen und Tieren auf ihren Feldern eine Chance geben, unterstützen. Aber die Programme sollten finanziell noch viel mehr ausgebaut werden.

Wurde Ihnen dieser Einsatz für die Natur in die Wiege gelegt?

Ich wollte natürlich als Kind, das auf einem Bauernhof aufwuchs, Landwirt werden. Schon als Bub war ich viel draußen unterwegs und beobachtete Tiere und Pflanzen, ich hatte keine Scheu, Blindschleichen oder Frösche anzufassen. Ich kescherte Amphibien aus Tümpeln, was heute streng verboten ist, fand Kammmolchlarven, denen ich es zu Hause gemütlich einrichtete, ich fütterte sie und beobachtete ihre Entwicklung. Die fertig entwickelten Tiere setzte ich dann wieder aus. So lernte ich, wo die Molche und viele andere Arten im Landkreis vorkommen. Am Hofmiller-Gymnasium belegte ich dann den Leistungskurs Biologie und entschied mich anschließend, das Fach zu studieren.

War es in den Achtzigerjahren einfach, als Diplom-Biologe einen Job zu finden?

Nein, aber ich hatte schon als Schüler in den Siebzigern Kontakt zum Lehrstuhl für Terrestrische Ökologie von Professor Wolfgang Haber und habe dort Studenten bei Kartierarbeiten unterstützt. Es war damals alles sehr offen an der Uni und man konnte schon als Schüler mitmachen. Das war die Zeit, in der Bayern großflächig kartiert wurde, denn man wusste bis dahin wenig über die Flora und Fauna. Da war mein Wissen über die Arten im Landkreis natürlich sehr nützlich und die Erfahrung beim Kartieren kam mir später immer wieder zu Gute. Nach dem Diplom als Biologe, ich schrieb meine Arbeit über Seen, da ich mich auf Gewässerökologie spezialisiert hatte, blieb ich dann drei Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der LMU. Dann kam die Wende und die Landschaftsplanungsbüros wuchsen, weil es viele Aufträge in den neuen Bundesländern gab. Da mein Vertrag an der Uni ausgelaufen war, wechselte ich in ein privatwirtschaftliches Planungsbüro.

Welche Erfahrungen machten Sie dort?

Natürlich muss ein privates Planungsbüro wirtschaftlich arbeiten und den Satz "das geht nicht" gibt es nicht. Das kannte ich schon von zu Hause durch die Arbeit in der Landwirtschaft, daher fiel mir der Einstieg in das Büro und vor allem das Arbeiten unter Druck leicht. Wir hatten Aufträge in Bayern und Thüringen und oft lange Anfahrtswege. Ich habe dabei viel gelernt, so planten wir beispielsweise in Thüringen die Abwasserentsorgung für Kommunen, das gab es ja kaum und es war gruselig, was wir oftmals vorfanden.

Was müsste aus Ihrer Sicht passieren, um die Natur noch besser zu schützen?

Wir brauchen mehr Landwirte, die extensiv wirtschaften, die das wollen und auch können. Natürlich müssten sie für diese Arbeit, mit der sie unsere Kulturlandschaft erhalten und Lebensräume für Flora und Fauna schaffen, angemessen entlohnt werden. Im Moment brauchen wir zum Beispiel im Freisinger Moos Hofstellen, die dies übernehmen, die Weidetiere halten, die den Aufwuchs, der ohne Dünger wächst, abgrasen. Diese Betriebe brauchen natürlich auch spezielle Maschinen, um extensiv zu arbeiten. Große Schlepper und teure, riesige Pflüge sind dort fehl am Platz.

Wie und wo erholen Sie sich von Ihrem Job als Leiter der Naturschutzbehörde?

Wichtig ist, auch mal andere Themen und Lebenswirklichkeiten wahrzunehmen, sonst ist man im Tunnel drin. Ich arbeite beispielsweise gerne mit Praktikanten und erfahre von ihnen, wie sie leben und was sie beschäftigt. Mir ist auch Humor wichtig, über mich selbst lachen zu können. Und natürlich draußen zu sein, mit meiner Frau Schmetterlinge und Heuschrecken zu beobachten, zu wandern und Fossilien zu entdecken, Flüsse und Bäche zu erkunden. Ich bin auch oft zu Hause in unserem Garten und ein paar Hektar bewirtschaften wir auch noch selbst, natürlich extensiv.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten . . .

... dann würde ich mich in einer Zeitmaschine 200 Jahre zurück versetzen lassen und die Natur hier im Landkreis erkunden.

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