Umwelt:Wild in Bedrängnis

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Die sich wandelnden Lebensbedingungen im Münchner Speckgürtel wirken sich auch auf Rehe und Hasen aus. Die Jäger versuchen zu vermitteln - und stehen selber unter hohen Druck

Interview von Regina Bluhme, Erding

Die Jagdkultur, Waffenrecht, Wölfe und Wilderer sind die großen Themen beim Landesjägertag in Rothenburg ob der Tauber gewesen. Auch im Landkreis Erding machen Wilderer den Pächtern zu schaffen. Offenbar hat das Ganze eine neue Dimension erreicht: Im Bereich Erding wurde Ende des vergangenen Jahres erstmals ein Tier mit abgetrenntem Kopf zurückgelassen. Thomas Schreder, Pressesprecher des Bayerischen Jagdverbands und zugleich Vorsitzender des Kreisjagdverbands Erding, macht der Fund des Rehs noch immer fassungslos. Im SZ-Gespräch mit dem 50-jährigen Diplom-Biologen und Erdinger CSU-Stadtrat geht es um das Image der Jäger, den schwierigen Kampf gegen Wilderer und die Gründe, warum der Landkreis für Wölfe ziemlich unattraktiv ist.

S Z: Ende vergangenen Jahres hat ein Jagdpächter im Kreis Erding einen scheußlichen Fund gemacht: Ein Reh mit abgetrenntem Kopf. Wer macht denn so etwas?

Thomas Schreder: Ich kann mir darauf auch keinen Reim machen. Wilderer wollen ja meist das Wildbret verkaufen oder eine stolze Trophäe haben. Aber hier wurde ja ein weibliches Reh getötet, mit dem Kopf ist keine Trophäe zu bekommen. Ich weiß wirklich nicht, warum jemand so etwas macht. Das war das erste Mal bei uns im Landkreis Erding. Im Ebersberger Bereich wurde außerdem ein Wildschwein mit abgetrenntem Kopf gefunden.

Sie haben die Polizei verständigt?

Ja, es gibt eine Anzeige gegen unbekannt. Aber es ist halt schwierig, einen Wilderer zu erwischen, wenn man keinen Hinweis hat. Dabei ist das Ganze wirklich kein Kavaliersdelikt. In dem Fall mit dem Reh ist das keine Ordnungswidrigkeit mehr, sondern eine Straftat. Das Problem bei Wilderern ist ja auch, dass sie oft schnell, vielleicht auch aus dem Auto heraus, schießen, oft auch mit Kleinkalibern, die nicht die nötige Energie haben, um Wild möglichst schnell und ohne großes Leiden zu töten. Wenn sie merken, sie haben nicht richtig getroffen, hauen sie ab, und das Tier muss dann qualvoll verenden.

Beim Landesjägertag wurde die geplante Verschärfung des Waffenrechts für Jäger und Schützen sehr kritisiert. Warum?

Ein Punkt betrifft die Waffenaufbewahrung. Da sollen neue, noch schärfere Schränke mit neuen Sicherheitsstandards vorgeschrieben werden. Ich finde die jetzige Aufbewahrung mit den strengen gesetzlichen Vorschriften jetzt schon sicher genug. Es geht um die illegalen Waffen, die müssten verschwinden. Aber das ist halt nicht so einfach. Wir Jäger werden ohnehin regelmäßig von den Behörden kontrolliert, und wir sind in der Handhabung der Waffe absolut gesetzestreu.

Bei den regelmäßigen Hegeschauen stellen Jäger die Geweihe der von ihnen geschossenen Tiere zur Schau. Die Quoten einzuhalten, ist für sie nicht ganz einfach. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Jäger stehen dennoch mitunter in der Kritik.

Immer wieder wird versucht, uns in eine Schublade zu drängen und die Jagd allein als Schädlingsbekämpfung einzustufen. Dem einen schießen wir zu wenig, dem anderen zu viel. Dem wollten wir mit dem Motto des Landesjägertags ein wenig gegensteuern. Die Überschrift hieß: "Jagdkultur und die Kultur der Jagd". Die Jagd ist so alt wie die Menschheit selbst. Wir Jäger haben den Auftrag, für einen artgerechten und gesunden Wildbestand zu sorgen.

Wie in Rothenburg zu erfahren war, wollen aber immer weniger eine Jagdpacht übernehmen.

Im Landkreis Erding ist das zum Glück nicht so. In unseren etwa rund 110 Revieren gibt es das Problem noch nicht. Wir haben ein beständiges System und eine gute Zusammenarbeit zwischen Jagdgenossen und Jagdpächtern. In anderen Teilen Bayerns haben die Pächter allerdings große Probleme mit Schäden, die vom Schwarzwild verursacht werden. Vom Gesetz her sind eigentlich die Jagdgenossenschaften, die Vereinigung der Grundeigentümer, bei der Schadensregulierung dran. Allerdings wird in vielen Fällen die Schadensregulierung mit dem Jagdpachtvertrag auf den einzelnen Jagdpächter entweder ganz oder anteilig abgewälzt. Eine Rotte von mehreren Stück Schwarzwild kann einen sehr hohen Schaden verursachen. Das schreckt künftige Pächter in vielen Teilen Bayerns ab.

Wie sieht es denn bei uns mit marodierenden Schwarzwildrotten aus?

Bei uns gibt es, verglichen mit den fränkischen Landkreisen, nicht so viel Schwarzwild, weil es hier im Landkreis kaum Rückzugsgebiete gibt. Bei uns sind nur rund zwölf Prozent der Fläche von Wald bedeckt. Größere geschlossene Waldkomplexe gibt es bei uns im Bereich der Isarauen, im Süden des Landkreises bei Isen im Bereich Ebersberger Forst oder im Taufkirchener Holzland. Wenn man dagegen Richtung Westen schaut: überwiegend Ackerland.

Welchen Einfluss hat die Landwirtschaft auf den Wildbestand?

Etwa 19 Prozent des Landkreises werden intensiv landwirtschaftlich mit Mais genutzt, ein großer Teil des Maises wird in den etwa achtzig Biogasanlagen zu Strom gemacht. Das geht natürlich auf Kosten der Lebensräume der Tiere. Sogenanntes Niederwild wie Hasen, Fasane oder Rebhühner tut sich zunehmend schwer. Beispiel Hase: Den Tieren fehlt die Hasenapotheke, so nennen wir die wilden Kräuter, die sie brauchen, um fit zu bleiben. Wir versuchen zusammen mit den Grundeigentümern, mit Blühstreifen gegenzusteuern. Ich möchte den schwarzen Peter nicht allein an die Landwirte verteilen. Die stehen unter großem Produktionsdruck. Auch die Zerschneidung durch die Infrastruktur oder die vielen Baugebiete nehmen dem Wild den Lebensraum.

Welche Rolle spielt die Lage des Landkreises im Speckgürtel Münchens?

Eine große Herausforderung ist der Pendlerverkehr von und nach München. Das führt zu extrem vielen Fahrzeugen auf unseren Straßen und entsprechend zu erhöhter Gefahr von Wildunfällen. Zum anderen pendeln auch viele Münchner gerne am Wochenende in den Landkreis und wollen hier ihre Freizeit verbringen. Da kollidieren schon mal die Vorgaben durch die behördlichen Abschusspläne mit dem Freizeitbedürfnis der Bevölkerung. Ich selbst bin auch Mountainbiker, jeder soll die Möglichkeit haben, seinen Sport auszuüben. Aber es ist wichtig, den Lebensraum der Wildtiere und die Belange der Grundeigentümer zu respektieren.

Und wie sieht es mit freilaufenden Hunden aus?

Leider kommt es immer wieder vor, dass freilaufende Hunde Rehe reißen. Aktuell haben zum Beispiel Rehe ihre Jungen im Bauch, und dann sind sie nicht mehr so mobil und damit eher gefährdet. Ab Mai sind es dann die Kitze, die einem Angreifer schutzlos ausgeliefert sind. Zunehmend haben wir auch das Problem, dass Tiere auf die Straße getrieben werden. Ich habe selber zwei Hunde, und ich kann nur an die Besitzer appellieren, ihre Hunde unter Kontrolle zu halten und um Verständnis für die Wildtiere bitten.

Wann schaut denn mal wieder ein Wolf bei uns vorbei?

Das müsste jetzt so drei Jahre her sein, dass ein Wolf von Osten nach Westen durch den Landkreis gewandert ist. Ich weiß noch, wie er damals mit dem Handy fotografiert wurde, und für uns Jäger gab es eine Info vom Landesamt für Umwelt anlässlich unserer Pflichthegeschau in Isen. So schnell kommt bei uns aber keiner mehr vorbei, glaube ich. Für einen Wolf ist unser Landkreis nicht so attraktiv, da gibt es geeignetere Regionen, wo er seine Ruhe und Rückzugsräume hat. Ich hätte Bedenken, dass er bei uns beim Überqueren der Straßen überfahren wird.

© SZ vom 03.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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