"The Living":Sie machen, was sie lieben

The Living

Fast ein Familienunternehmen: Zwei Geschwisterpaare machen bei The Living mit. Nur Gitarrist Simon Holzinger (2.v.r.) ist mit niemandem verwandt.

(Foto: Sebastian Resch | Photography)

Vom Geheimtipp zur "Band der Woche" im Radio: Mit der Erdinger Indie-Pop-Band "The Living" geht es stetig bergauf. Auf den ganz großen Durchbruch warten die fünf Musiker aber noch - sie haben Zeit.

Von Stefanie Pichlmair, Erding

Der Frontmann trägt einen schwarzen Filzhut und einen grauen Pulli, der ihm bis an die Oberschenkel reicht. Ein bisschen Hipster, ein bisschen old school. Blauer Nebel wabert um seine Beine, die Scheinwerfer überschütten ihn und seine Gitarre mit grünem Licht.

Vor ihm jubelt das Publikum. Es singt die Texte mit, er tritt vom Mikrofon zurück und überlässt den Refrain der Menge. In die Hände klatschen, im Takt nicken. Für Karlo Röding sind das die besten Momente. Er erlebt sie, weil er vor zwei Jahren die Indie-Pop Band The Living gründete. Und weil sie eine richtig talentierte Gruppe sind. Deshalb sind The Living nun auch für den Tassilo-Preis der Süddeutschen Zeitung nominiert.

Einen Plan B brauchen sie schon noch

The Living, das sind mit Karlo fünf junge Erdinger zwischen 19 und 23 Jahren. Sie wuchsen in der selben Stadt auf, waren alle auf der selben Schule, manche haben sogar die selben Eltern: Karlo und Drummerin Katrin sind Geschwister, genauso Bassist Johannes Würzberg und Katharina, die Keyboarderin. Nur der Gitarrist Simon Holzinger ist mit niemandem verwandt - mitmachen darf er trotzdem.

The Living ist ein Familienbetrieb der ersten Generation, bodenständig und vernünftig sind die Mitglieder. Vor und nach den Bandproben studieren sie Luft- und Raumfahrttechnik oder Politikwissenschaft "um als Plan B etwas in der Hand zu haben", sagt Karlo. Er selbst hat im vergangenen Sommer seinen Bachelor in Betriebswirtschaftslehre an der LMU in München gemacht und kümmert sich aktuell im Jugendzentrum Erding um die Öffentlichkeitsarbeit. "Irgendwie muss man ja Geld verdienen. Mit der Band klappt das noch nicht so recht", sagt er. Das klingt brav und nur bedingt nach Rock 'n' Roll.

Doch das ändert sich, wenn The Living loslegen. Elektrobeats machen das liebevolle Gitarrenpicking tanzbar und erfreulich unkitschig, eine warme Seele bekommen die Songs durch Karlos melancholische Stimme, sie ist charakteristisch heißer und brüchig in den Höhen. Und auch wenn das große Geld bisher ausblieb und sie alle vorsorglich studieren, am großen Traum halten The Living fest: Irgendwann wollen sie von der Musik leben können. "Es ist Wahnsinn, auf die Bühne zu gehen und dort das tun zu dürfen, was du liebst", sagt Karlo.

2014 nahmen The Living mit ihrer ersten EP Words Unsaid am Münchner Sprungbrettwettbewerb teil, ein Contest für junge Bands aus dem Münchner Umland. Der Sieger darf sich ein Jahr lang Münchner Band des Jahres nennen und bekommt Auftritte vermittelt. The Living gewannen, durften unter anderem auf dem Theatron-Festival im Olympiapark spielen, vor lila Nebel und frenetisch hüpfendem Publikum. "Das war richtig fett", sagt Karlo.

"Wir sind professioneller geworden"

Von da an ging es bergauf. Mehr als 100 Konzerte haben sie seither gespielt und unterstützt werden sie mittlerweile auch: The Living wurde von "By-on", dem Spitzenförderprojekt des Verbands für Popkultur in Bayern ausgewählt. Das Netzwerk vermittelt ihnen Vorbandauftritte im Programm von bekannten Bands und organisiert Coachings zur Selbstvermarktung. "Wir sind professioneller geworden. Das merkt man auch auf unserer neuen EP", sagt Karlo. Open Stories heißt die Miniplatte, die seit März erhältlich ist.

Mit ihr waren The Living bereits auf Deutschlandtour. Sie wollten raus aus München, raus aus Bayern, die Clubs im Münchner Umland kennen sie alle. "Wir haben Clubs und Bars in ganz Deutschland angeschrieben und uns die Tour Stück für Stück zusammengesucht. Dann sind wir einfach losgefahren", sagt Karlo. Sie traten in kleinen und großen Schuppen auf, in Hamburg, Kiel und Berlin.

Auch im Radio waren sie bereits zu hören: Puls, das Nachwuchsprogramm des bayrischen Rundfunks, hat sie im März zur Band der Woche gekürt, Live-Auftritt inklusive. "Schon krass, wenn du deine eigenen Songs im Radio hörst", sagt Karlo. In den nächsten Wochen stehen weitere Auftritte an, Ende Mai zum Beispiel das Modular Festival in Augsburg.

Die Anfrage erreichte The Living direkt vom Stadtjugendring Augsburg, dem Veranstalter. Karlo war überrascht: "Da hören Leute deine Musik an Orten, an denen du selbst noch nie warst." Sie werden bekannter, das merken sie selbst. Aber ob sie den großen Durchbruch irgendwann schaffen? "Mit Talent hat das gar nichts mehr zu tun. Da braucht man Glück und die richtigen Kontakte", sagt Karlo. Gelassen und bescheiden sind sie, The Living. Also genau so, wie man es sich von einem Familienbetrieb wünscht.

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