Sagen und Mythen:Magischer Zauber

Aubing Sagen

In Aubing weiß man sich manche Sage zu erzählen.

(Foto: Ellen Draxel)

Schaurige Gestalten, sprechende Pferde: In Aubing weiß man sich manche Sage zu erzählen.

Von Ellen Draxel

Xaver grast seelenruhig auf der Pferdewiese. Ob er in der Heiligen Nacht jemandem mit menschlicher Stimme die Zukunft vorausgesagt hat, wie es Aubings Rösser einer alten Sage zufolge beherrschen, ist dem Hengst nicht anzusehen. Stattdessen versucht er, Werner Dilg in die Hand zu zwicken, als der ihn sanft streicheln will. Dem Tier dürfte auch nicht bewusst sein, dass dort, wo es genüsslich die letzten saftigen Halme verspeist, an der Ecke Schwemm-/Sulzemooser Straße, um 1850 sogenannte Gemeindehäuser standen. Dort beherbergte die Gemeinde ihre Armen.

Vor vielen, vielen Jahren, erzählt eine alte Geschichte, trieb dort ein Geist sein Unwesen. Ein weißer Mann, mit einer schweren Kette gefesselt an einen riesigen schwarzen Hund mit feurigen Augen, schleppte sich Nacht für Nacht müden, schlürfenden Schrittes vom Gemeindehaus durch das Dorf. Er hatte ein aschfahles Totengesicht und starrte blicklos vor sich. Am Ende des Dorfes verschwand der Unheimliche dann - und niemand konnte sagen, wohin. Die Bewohner verschlossen damals die Türen und wagten sich nicht hinaus.

"Man kann sich schon vorstellen, wie der schaurige Geselle mit dem Hund die Schwemmstraße entlang marschiert ist, vorbei am wilden, offenen Bach", sagt Werner Dilg. Der Architekt kennt sich in Aubings realer und sagenhafter Historie gut aus, er engagiert sich im Förderverein "1000 Jahre Urkunde Aubing", im Verein Aubinger Archiv und hat schon zwei Kinderbücher über Aubing geschrieben und illustriert.

Orte mit Jahrhunderte alten Geschichten, das weiß der 80-Jährige, gibt es im tausend Jahre alten Aubing einige. Den "Karzer" zum Beispiel - ein Kellergewölbe im Neumaierhof an der Ubostraße 21. Dort verwahrte man von etwa 1700 bis 1803 Übeltäter - um dem Richter, der nur alle vier bis sechs Wochen aus Maisach kam, genügend Zeit zu geben, Recht zu sprechen. Oder das "Pesthäusl beim Schwab" an der Flunkgasse 1, das 2012 abgerissen und durch moderne Wohnhäuser ersetzt wurde. 1854 wütete in Aubing die Cholera, 68 Menschen starben innerhalb kürzester Zeit. Die Gemeinde betete daraufhin zum heiligen Sebastian - und die Cholera erlosch. Seitdem ist der 20. Januar, Namenstag des Heiligen, in Aubing ein Festtag.

Prädestiniert für geheimnisumwitterte Sagen ist besonders der Aubinger Lohwald. Wenn flackernde Sonnenstrahlen die kahlen Bäume umschlingen, wenn der Wind durch die am Boden liegenden Blätter fegt und plötzliches Rascheln inmitten sonstiger Stille das Herz schneller schlagen lässt, gedeihen fantasievolle Bilder. Zu diesen magischen, aber historisch belegten Orten zählen die drei Keltenschanzen in der Aubinger Lohe. Dass es sie gab, ist unumstritten, die Flächen stehen unter Denkmalschutz. Wozu die rund 60 mal 80 Meter großen, von Gräben und Wällen umgegebenen Plateaus aus der Zeit vor Christi Geburt aber genutzt wurden, weiß niemand genau. "Wenn es Heiligtümer waren, befanden sich dort Tempel aus Holz, wahrscheinlich auch Opferaltare", mutmaßt Dilg. Die Areale könnten aber auch Gutshöfe oder Schutzanlagen gewesen sein. Eine Schanze thront längs der Eichenauer Straße auf einem kleinen Hügel - und selbst der Aubinger, der schon oft hier war, verspürt jedes Mal "eine gewisse Mystik" an diesem Ort. Kinder haben in der Mitte der Keltenschanze ein Tipi aus Ästen und Pflanzenhaaren gebaut. Die Installation erinnert an einen Druiden mit langem Bart, der auf der Suche nach heilenden Wurzeln und Kräutern durch den Wald wandert.

Das Schloss im Teufelsberg

Auf dem Teufelsberg stand einmal ein wunderschönes Schloss, so erzählt es Gisela Schinzel-Penth in ihrem Buch "Sagen und Legenden von München", das ganz aus weißen Steinen erbaut war und ein Tor aus purem Gold hatte. In diesem Märchenschloss lebte ein junger Graf mit seiner engelsgleichen Gemahlin. Die beiden Eheleute waren einander von Herzen zugetan, einer konnte ohne den anderen nicht sein.

Eines Tages wollte der Graf auf die Jagd gehen. Liebevoll verabschiedete er sich von seiner Gattin und zog mit seinen Hunden zum Tor hinaus. Ungeduldig wartete die junge Frau auf seine Rückkehr. Aber Stunde um Stunde verrann, und kein Zeichen deutete seine Heimkehr an. Plötzlich, es war schon weit nach Mitternacht, vernahm die Gräfin ein leises, klägliches Winseln vor dem Tor. Rasch befahl sie den Dienern zu öffnen und erkannte zu ihrer Freude den Lieblingshund ihres Mannes. Sie bückte sich, um das treue Tier zu streicheln. Da bemerkte sie zu ihrem Entsetzen, dass er eine abgehauene Hand zwischen den Zähnen trug. Zu Tode erschrocken erkannte sie an dem goldenen Ring die Hand ihres unglücklichen Gatten. Er war auf der Jagd von Räubern überfallen, beraubt und erschlagen worden.

Als die Gräfin aus ihrer Ohnmacht erwachte, waren ihre herrlichen Haare schneeweiß geworden. Doch sie weinte keine Träne. Sie ließ ihren Gatten aufs Prachtvollste bestatten, entlohnte alle Diener und verließ mit ihnen das Schloss durch das goldene Portal. Dann wandte sie sich um, streckte die Hand mit dem Ring ihres Mannes am Finger weit aus und verfluchte das Schloss, in dem sie einst so glücklich gewesen waren. Da öffnete sich der Teufelsberg, und langsam sank das herrliche Bauwerk mit all seinen Reichtümern in die Tiefe. Die Gräfin drehte sich um und verfluchte auch den Wald, in dem die mörderischen Räuber hausten. Der Boden tat sich erneut auf und verschlang den Wald mit allem, was sich darin befand, und verwandelte ihn in ein undurchdringliches Moor. Die Gräfin aber wurde niemals mehr gesehen.

Ebenfalls denkmalgeschützt und sagenumwoben ist eine Stelle auf der anderen Seite des Landschaftsschutzgebietes, die man über die Teufelsbergstraße erreicht. Auf dem Weg zum sogenannten Aubinger Burgstall, im Volksmund Teufelsberg genannt, findet sich ein Wegkreuz. Es steht erst seit 13 Jahren an dieser Ecke, erinnert aber an ein Kreuz an anderer Stelle, das dem Bau des Autobahntunnels zum Opfer fiel. Feurige Männer, so überliefert es der Aberglaube, hätten nach dem Gebetläuten am Abend allen, die den Bannkreis ihres Dorfes verließen, am damaligen Lochhausener Feldkreuz aufgelauert. Erst ein Stoßgebet, erzählt man sich, bereitete dem höllischen Spuk ein Ende.

Der Teufelsberg selbst - nicht zu verwechseln mit dem beliebten Schlittenberg - ist abseits des Weges gelegen, ein Hügel oberhalb einer ehemaligen Moorlandschaft. Die Turmburg dort wurde vermutlich im 11. Jahrhundert errichtet und im 13./14. Jahrhundert wieder aufgegeben; sie diente dem Welfenherzog Heinrich dem Löwen als Wehr- und den Aubingern als Fluchtburg. Ein tiefer Graben rund um die Anhöhe erinnert noch an den historischen Bau aus Tuffsteinsockel und Holzstockwerken. Laut einer Sage stand auf dem Hügel ein "wunderschönes Schloss", das mitsamt seinen Reichtümern in der Tiefe des Berges versank. Die Story lockte zahlreiche Schatzgräber an, Schürfmulden auf dem Areal sind ein beredtes Zeugnis der Suche dieser Glücksritter.

Als Werner Dilg mit Grundschülern einen Ausflug auf den Teufelsberg unternahm, haben die Kinder eine der fünf majestätischen Eichen "Ubo-Eiche" getauft. Zur Erinnerung an die erste urkundliche Erwähnung Aubings als "Ubingen".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: