Syrer:"Hier darf ich in Frieden leben"

Syrer: Ayman Alokab musste aus Syrien fliehen. Im SZ-Gespräch freut er sich über die Redefreiheit in Deutschland.

Ayman Alokab musste aus Syrien fliehen. Im SZ-Gespräch freut er sich über die Redefreiheit in Deutschland.

(Foto: Renate Schmidt)

Ein guter Job und neue Freunde: Der Syrer Ayman Alokab ist in Erding angekommen

Interview von Jan-Hendrik Maier, Erding

Vor zweieinhalb Jahren ist Ayman Alfanad Alokab aus Syrien geflüchtet. Mittlerweile ist der 26-Jährige als fest angestellter Vermessungstechniker in ganz Bayern unterwegs. Mit der SZ sprach er über die Flucht, wie er hier Arbeit fand - und sein Heimweh nach Aleppo.

SZ: Wann sind Sie in Deutschland angekommen?

Ayman Alfanad Alokab: Ich habe am 5. Oktober 2013 München erreicht. Nach den Formalitäten und dem Beginn des Asylverfahrens lebte ich ab November 2013 mit acht oder neun anderen Syrern in den Containern der Erdinger Unterkunft "Zum Lohfeld".

Wie haben Sie die erste Zeit in Erding erlebt? Wie war die Stimmung um Sie?

Ich habe in Deutschland nichts Negatives erfahren. Alle waren sehr nett. Die Zeit im Container war nicht ganz schlecht. Wir haben gemeinsam gekocht, Karten und Fußball gespielt. Aber es gab auch schwierige Situationen. Um zu duschen, musste man durchs Freie gehen. Das war im Winter kalt. Und einen ruhigen Ort zu finden, war nicht leicht. Manchmal luden uns Lehrer vom Korbinian-Aigner-Gymnasium zum Tee ein. Wir haben gute Gespräche geführt ... (lacht), mit einer Arabisch sprechenden Lehrerin stritt ich immer über Borussia Dortmund und den FC Bayern.

Kurz vor Weihnachten erreicht Sie ein Brief, dass die Volkshochschule einen Deutschkurs für Flüchtlinge anbietet.

Ja, ich wollte die Sprache gut lernen, auch wenn die Grammatik schwierig ist. Aber es bringt nichts, deswegen zu sagen, ich kann das nicht. Wenn man sich anstrengt und ehrgeizig ist, kann man die Menschen verstehen und mit ihnen sprechen.

Binnen eines halben Jahres haben Sie das Sprachniveau B1 erreicht. Wie ging es nach dem Kurs für Sie weiter?

Vor einem Jahr, noch während des Kurses, habe ich im Jobcenter Jens und seine Frau Rola, die selbst aus Syrien kommt, kennen gelernt. Jens ist mehr als nur ein Freund für mich. Er fuhr mit mir nach München, wo die Behörden meinen Abschluss als Vermessungstechniker anerkannten. Am Wochenende suchten wir im Internet nach Stellenanzeigen. Er hat mir beim Schreiben der E-Mails geholfen, weil ich damals erst Niveau A2 hatte. Nach einigen Monaten lud mich die CEC Projekt GmbH in Kirchheim bei München zum Bewerbungsgespräch ein. Sie erklärten mir, ich müsste noch den Führerschein machen und etwas zum Grundbuch lernen, aber sie würden mich schon von August an bis zum Ende des Deutschkurses als Praktikant nehmen.

Sind Sie dort mittlerweile fest angestellt?

Ja! Nach dem Bestehen des B1-Kurses finanzierte das Jobcenter den Führerschein, Jens erklärte mir die Theoriefragen. Jetzt arbeite ich im Außendienst in ganz Bayern, kann alleine zu Terminen fahren, einmessen und Grundsteine legen. Seit dem 1. August wohne ich dank Jens' Hilfe in einer eigenen Wohnung in Erding.

Wann ist die Entscheidung gefallen, Syrien zu verlassen?

Nach dem Studium muss man eineinhalb Jahre Wehrdienst leisten, aber die Armee ist leider nur eine Gemeinschaft von Diktator Assad. Aus meiner Heimat wegzugehen war sehr, sehr schwer. Ich bin vor circa zwei Jahren, kurz nach meinem Abschluss, geflohen. Meine Freunde und ich haben an der Uni in Aleppo gegen das Regime demonstriert. Einmal wurden wir von Sicherheitskräften fotografiert. Da war klar, ich muss fliehen. Wenn die dich verhaften, droht dir schlimme Folter.

Wie würden Sie die Umstände Ihrer Flucht beschreiben?

Ich bin mit meinen Eltern, den zwei Schwestern und drei Brüdern zunächst in ein Lager in der Türkei gekommen. Nach ein paar Monaten ging es für mich über Griechenland und Serbien weiter nach Deutschland. Wenn man dich in einem Land festnimmt, schicken sie dich in ein anderes Land zurück.

Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie in Deutschland angekommen sind?

Hm, das kann ich schwer beschreiben. Klar, die Flucht ist überstanden, man kann nur froh sein - aber ich musste meine Heimat verlassen. Es ist so widersprüchlich: Ich kann hier leben, aber zu Hause oder auf der Flucht werden die Leute getötet. Es war eine Überraschung, dass ich in Deutschland bleiben konnte.

Was ist für Sie hier anders als in Syrien?

Ich glaube, die Menschen hier sind hilfsbereiter. Auf der Straße haben Unbekannte bei Augenkontakt immer gelächelt. Es ist schön, dass hier die Traditionen beibehalten werden, in Syrien gibt es leider nur wenige Feste. Aber vor allem herrscht hier Redefreiheit. Wenn du in Syrien etwas gegen den Präsidenten sagst, stirbst du schnell.

Wie blicken Sie auf Ihre Heimat zurück?

Es gibt so viele Fragen, aber keine Antworten. Niemand kann uns helfen. Warum tut die UN nichts? Alle kämpfen gegen alle: die Armee, der IS, die Kurden. Warum? Für was? Europa hat nach dem Zweiten Weltkrieg verstanden, sie können gemeinsam leben. Irgendwann müssen wir es doch auch verstehen. Es muss doch Frieden und Gerechtigkeit geben. Das ist meine Hoffnung. Aber wann? In zwei, zehn oder hundert Jahren? Manchmal schaue ich vom Balkon aus in den Himmel und erinnere mich, wie es war, durch die wunderschöne Altstadt von Aleppo zu gehen . . ., aber hier darf ich in Frieden leben, habe Arbeit und gute Freunde gefunden.

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