Streit in der Baugenossenschaft:Bauen oder sparen?

Nach dem Knall bei der Jahreshauptversammlung will OB Gotz vermitteln. Der Aufsichtsrat fordert mehr Mitsprache. Am Montag ist ein klärendes Gespräch geplant

Von thomas Jordan, Erding

Mehr bauen oder mehr sparen? Diese Frage spaltet den Vorstand und den Aufsichtsrat der Baugenossenschaft (BG) Erding. Zudem gibt es massive Kritik am Stil der Geschäftsführung des Vorstands. Nach dem heftigen internen Knall bei der Jahreshauptversammlung Mitte Juni sind die Fronten zwischen den Führungsgremien verhärtet wie noch nie. Nun will Erdings Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) vermitteln. Für Montag ist ein klärendes Gespräch geplant. Unterdessen fordert der Aufsichtsrat unter der Führung der langjährigen SPD-Stadträtin und ehemaligen Dritten Bürgermeisterin, Eva Kolenda, mehr Mitsprache.

Bei dem Gespräch am Montag soll neben der Aufsichtsratsvorsitzenden und dem langjährigen Vorstand Helmut Berther auch dessen Tochter Sonja Kienle anwesend sein. An der Person Kienles hatte sich der Streit zuletzt zugespitzt. Für eine Stellungnahme war sie für die SZ nicht zu erreichen. Aus dem Aufsichtsrat wird Kienle vorgeworfen, Vorschläge übergangen zu haben. Die ehemalige Bankerin war zehn Jahre lang zusammen mit Matthias Lindmayer Vorstandsmitglied der Genossenschaft. Seit 1. Juli ist Lindmayer alleiniger BG-Vorstand. Kienle hat hingeworfen, nachdem ihr der Aufsichtsrat nur einen unüblich kurzen, einjährigen Anschlussvertrag angeboten hatte. Das wollte Kienle nicht akzeptieren. Zumal die wirtschaftliche Bilanz der Genossenschaft im vergangenen Jahres ausgezeichnet war. So konnte etwa die Eigenkapitalquote auf 39 Prozent erhöht werden.

Doch genau an dieser Stelle liegt das Problem: Vorstand und Aufsichtsrat haben sich an der Frage verhakt, wie viel Risiko man eingehen will, um neue Wohnungen zu bauen und bezahlbare Mieten zu gewährleisten.

"Mit günstigem Wohnen auf Pump ist niemandem geholfen", sagt Vorstand Matthias Lindmayer. Weil die prognostizierten Baukosten beim Genossenschaftsprojekt Südlicher Thermengarten Erding um mehr als drei Millionen Euro in die Höhe schossen, schrumpfte der Vorstand das ganze Projekt drastisch: Von geplanten 60 werden jetzt nur noch 16 Wohnungen gebaut. Weil die Baugenossenschaft nur über 1,5 Millionen Euro Rücklagen verfügt, hätte sie sich andernfalls mit etwa 15 Millionen verschulden müssen. "Untragbar" heißt es von einem ehemaligen Vorstandsmitglied: "Wenn die Zinsen steigen, fährt die Baugenossenschaft gegen die Wand."

Streit in der Baugenossenschaft: Zur Baugenossenschaft Erding gehören auch Wohnungen an der Beethovenstraße.

Zur Baugenossenschaft Erding gehören auch Wohnungen an der Beethovenstraße.

(Foto: Renate Schmidt)

Auch der momentane Vorstand Lindmayer scheut das langfristige Risiko wenn die Zinsen für die Tilgung der Kredite in Zukunft wieder steigen sollten.

"Das sehe ich anders", sagt die Aufsichtsratsvorsitzende Eva Kolenda, die seit langem auch dem Erdinger Mieterverein vorsteht. Sie kritisiert, dass der Vorstand zu stark auf Gewinnstreben ausgerichtet sei. Die Wohnungssituation in Erding sei "entsetzlich" für Mieter. Wohnraum wird in der Boomregion immer knapper. Selbst bei der Baugenossenschaft muss man inzwischen drei Jahre warten, bis man aufgenommen wird.

Im Fall des Südlichen Thermengartens, wo nun voraussichtlich Anfang nächsten Jahres die Bauarbeiten beginnen sollen, ist die Lage noch aus einem anderen Grund verzwickt. Die Baugenossenschaft Erding hat den Baugrund verbilligt im Erbbaurecht von der Stadt Erding erhalten. Die Stadt nimmt damit jedoch auch auf das Mietniveau der neu zu bauenden Wohnungen Einfluss. Oberbürgermeister Gotz übt sich dabei nicht zum ersten Mal in der Vermittlerrolle. Wie es übereinstimmend heißt, war Gotz in der Vergangenheit sogar bereit, den Mietdeckel von 9 Euro pro Quadratmeter auf 9,50 Euro anzuheben. Trotzdem sah sich der Vorstand nicht in der Lage, mehr als 16 Wohnungen am Südlichen Thermengarten zu bauen. "Langfristig wäre es finanziell nicht darstellbar gewesen," sagt BG-Vorstand Lindmayer.

Die Zahl der neu zu bauenden Wohnungen ist aber nicht der einzige Streitpunkt zwischen Vorstand und Aufsichtsrat. Bewohner der Genossenschaftsanlage von St. Paul hatten sich beschwert, weil die Miete nach Sanierungsarbeiten um einen Euro höher ausgefallen war als üblich. Eva Kolenda will nun mehr Mitsprachemöglichkeiten für den Aufsichtsrat durchsetzen, insbesondere wenn es um das leidige Thema Mieterhöhungen geht. Der Aufsichtsrat lasse gerade eine Mustersatzung für die Baugenossenschaft Erding prüfen. Es soll erarbeitet werden, an welchen Stellen die Kontrolleure stärker mitreden können: "Wir sind keine Aufsichtsräte, die Schreiben der Vorstände abnicken," betont Kolenda.

Streit in der Baugenossenschaft: Eva Kolenda.

Eva Kolenda.

(Foto: Renate Schmidt)

Den Mietpreis bei Neubauten zu senken, wie Kolenda sich das wünscht, dürfte trotzdem äußerst schwierig werden. Das bestätigt Hans Maier, Direktor des Verbandes der bayerischen Wohnungswirtschaft, in dem alle 470 bayerischen Baugenossenschaften Mitglied sind, im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung: "Man muss zwischen 9,50 und 10 Euro nehmen, um wirtschaftlich zu bleiben." Maier sieht allerdings noch eine andere Möglichkeit: Abhängig von der Einkommenshöhe ihrer künftigen Mieter können Baugenossenschaften Mittel aus dem bayerischen Wohnungsbauprogramm (EOF) abrufen. Bei Neubauten kann die Miete laut Maier dadurch um bis zu einem Drittel gesenkt werden.

Auch für Matthias Lindmayer liegt eine mögliche Lösung für die Querelen der Baugenossenschaft Erding darin, stärker auf staatliche Fördermittel zurückzugreifen.

Im Falle des Wohnungsbauprogramms EOF ist die Einkommensgrenze der künftigen Mieter dabei übrigens großzügig gestaltet. Schon ab einem Jahreseinkommen von maximal 80 000 Euro kann ein Vier-Personen-Haushalt mit einer Mietpreissenkung von einem Euro pro Quadratmeter rechnen.

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