Steinkirchen:Gottserbärmlicher Zustand

Die Filialkirche Ebering ist ein nahezu einmaliges Kleinod im Landkreis, aber sie müsste dringend saniert werden. Hoffnung macht ein neues Denkmalschutz-Sonderprogramm des Bundes, für das sich die Kirchenstiftung bewerben will

Von Regina Blume, Steinkirchen

Dem Heiligen Martin fehlt ein kleiner Finger, der Mutter Gottes rieselt Holzstaub auf die Schuhe, an der Wand wuchert es grün, der Chorbogen muss mit einem Baugerüst gestützt werden. Kurz: Die Filialkirche Ebering ist in einem gotterbärmlichen Zustand. Die Rettung des maroden, denkmalgeschützten und ziemlich einmaligen Kirchleins könnte jetzt aus Berlin kommen. Wenn im kommenden Jahr ein Denkmalschutz-Sonderprogramm des Bundes neuaufgelegt wird, will sich die Kirchenstiftung auf jeden Fall bewerben. Die Hälfte der geschätzten Sanierungskosten von 750 000 Euro ließe sich damit abdecken. Die Zeit drängt.

"Kommen´S rein, aber kriegen Sie keinen Schreck", sagt Gertraud Deutinger zur Begrüßung. Die Mesnerin des Kirchleins wartet am Eingang des Gotteshauses, das dem Heiligen Stephanus und dem Heiligen Laurentius geweiht ist. Es geht vorbei an einer verwitterten, mit mächtigen, rostigen Beschlägen versehenen Tür. Innen wuchert es teilweise grün vom Boden die Wände hinauf, die Stufen zum Altar sind zerbröckelt, der Chorbogen wird von einem Baugerüst und mehreren Holzbrettern abgestützt. An den abgebröckelten Wänden sind zum Teil Kreuz- oder Tupfenmuster erkennbar, an einigen Stellen schimmern Wandmalereien hindurch. "Der Holzwurm frisst sich schier verrückt", sagt Gertraud Deutinger, als sie vor einer Mutter-Gottes-Figur an einem der beiden Seitenaltäre steht. Tatsächlich, die Madonna mit Jesukind im Arm ist durchlöchert und auf den braunen Schuhen der Gestalt sammelt sich Holzstaub. Am Hauptaltar steht rechts der Heilige Martin, ebenfalls schwer porös. "Ihm ist ein kleiner Finger abgebrochen, wir haben ihn leider nicht mehr gefunden", berichtet Deutinger. Da hatte eine kleine Madonna an der Seitenwand mehr Glück. "Wir konnten ihr die Hand wieder ankleben", so Deutinger. Die Jesusfigur am rechten Seitenaltar wiederum hält noch einigermaßen wacker am Kreuz, aber auch nur dank eines weißen Bandes, das an ihrem Bauch festgezurrt ist. Es gäbe da auch noch eine Glocke in dem Turm von 1734, "aber das Läuten wäre zu gefährlich", sagt Deutinger.

Von "erheblichen Schäden" spricht Restauratorin Petra Schwaerzel. Sie hat kürzlich im Auftrag des Ordinariats eine Untersuchung des Gebäudes durchgeführt. "Feuchte, Mauersalze, Klimaschwankungen und temporär sehr hohe Luftfeuchten" hätten dem Kirchlein "sehr stark zugesetzt". "Es zeigte sich, dass der Bestand zwar sehr starke Schäden aufweist, aber dennoch weitgehend erhalten ist." Um den Verfall aufzuhalten, müsse "baldmöglichst" gehandelt werden, so Schwaerzel.

Bei aller Hinfälligkeit ist dieses kleine Kirchlein bei Steinkirchen "ein Kleinod der Erdinger Kulturlandschaft", betont Petra Schwaerzel. 1524 wurde das Kirchlein erstmals erwähnt. Datiert ist der Ursprung des Kirchenbaus allerdings bereits um 1300. Das Netzgewölbe stammt aus dem 16. Jahrhundert. Zwei Altäre wurden um 1600 in der Pfarrbeschreibung genannt. Der heutige Choraltar stammt aus den Jahren 1679/80, die Kanzel wahrscheinlich aus dem 17. Jahrhundert, der Seitenaltar aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Im Sakristeischrank lagern noch Stücke des barocken Altarschmucks, während die Figur des Heiligen Laurentius und die imposante Eingangstür aus spätgotischer Zeit stammen.

Wo gibt es das heute noch? Das Kirchlein sei eines der wenigen, die einen "Blick direkt ins Mittelalter" gewähren, betont Hans Rohrmann, Kunstreferent der Erzdiözese Freising-München. Freilich sei der "Verfallszustand unvergleichlich", räumt er ein. Aber er sieht auch etwas Positives: "Immerhin ist eine stimmungsvolle Kirche erhalten, die nicht wie andere ,verrestauriert' worden ist". Die Untere Denkmalschutzbehörde im Landratsamt Freising betont die Bedeutung einer "weitgehend originaler und unverfälschter Barockausstattung".

Dabei weist das Kirchlein noch weitere Besonderheiten auf. Es liegt auf einer kleinen Anhöhe, gleich neben einem großen Hof, den der Neffe von Gertraud Deutinger betreibt. 30 Pferde sind dort eingestellt, früher züchtete der Vater von Gertraud Deutinger dort selbst Pferde. Über viele Jahre wurden beim Kirchlein Pferderennen abgehalten, erzählt Gertraud Deutinger. Ein wenig erinnert heute noch ein kleines Reitturnier daran. Die Tradition der "Fohlentaufe" wird in Ebering so gut es geht fortgeführt. Heuer war es wieder einmal so weit, mit dem Kaplan hoch zu Pferde und einem Eselsfohlen, wie Gertraud Deutinger erzählt. Dann ist da noch eine Votivtafel aus dem Jahr 1860, die auf ein "Brünnlein" mit heilendem Wasser unterhalb des Kirchenhügels verweist.

Nun ist es ja nicht so, dass all die Jahre überhaupt nichts für den Erhalt des Kirchleins getan wurde. 2007 zum Beispiel wurde das Architekturbüro Rieger mit einer Voruntersuchung zur Außenrenovierung beauftragt. Es erfolgte die statische Sicherung des Dachreiters und des Fundaments, wie Karin Kreuztarek vom Architekturbüro mitteilt. "Wir könnten 90 Prozent des Bestands sichern." Gertraud Deutinger sagt: "Es ist ja nicht so, dass keiner anfangen will. Aber alle haben ein bisserl Angst vor den Kosten". Laut Rohrmann belaufen sich die Schätzkosten auf 750 000 Euro.

Restauratorin Petra Schwaerzel, Architektin Karin Kreutzarek und Kunstreferent Hans Rohrmann waren kürzlich mal wieder an Ort und Stelle. Zusammen mit Vertretern des hiesigen Pfarrverbands, der Denkmalschutzbehörden, der Gemeinde sowie dem Erdinger Bundestagsabgeordneten Andreas Lenz (CSU). Er kenne keine Kirche im gesamten Wahlbezirk, "die in einem so schlechten Zustand ist", erklärte Lenz sichtlich beeindruckt.

Bei dem Ortstermin ging es um die Rettung des Gotteshauses und die könnte das "Denkmalschutz-Sonderprogramm" des Bundeskultusministeriums bringen. Dieses sieht eine 50-prozentige Förderung für Kulturdenkmäler vor und zwar für die Substanzerhaltung und Restaurierung. "Das ist bei Ebering der Fall", ist Andreas Lenz überzeugt. Wie die Untere Denkmalschutzbehörde im Landratsamt Erding bestätigt, ist die Filialkirche in der Denkmalliste eingetragen. Auch hier drängt man auf schnelle Maßnahmen. Für die Ausstattung sei "Gefahr im Verzug", schreibt die Behörde.

Allzu rasch wird es aber leider nicht gehen. Laut Andreas Lenz sind die Mittel des Sonderprogramms für 2015 bereits vergeben. Er sagte aber zu, sich für die Neuaufnahme des Programms für 2016 einzusetzen. Auch die konkreten Antragsmodalitäten und Termine werde er recherchieren. Die Kirchenstiftung als Rechtsträger werde sich um die Aufnahme bemühen, erklärt wiederum Hans Rohrmann. An den restlichen 50 Prozent der Kosten müssen sich der Freistaat Bayern und die Kirche beteiligen. Möglich wäre es laut Landratsamt auch, dass der Landkreis Erding, der Bezirk Oberbayern, die Gemeinde Steinkirchen oder die Barockstiftung mithelfen. Pfarrer Jacek Jamiolkowski vom Pfarrverband Holzland ruft bereits jetzt schon seine Gläubigen zu Spenden für die Kirche auf. Das entsprechende Konto bei der VR-Bank Taufkirchen hat die Nummer 214108, Bankleitzahl ist 70169566, als Verwendungszweck soll "Ebering" angegeben werden.

Der neue Anlauf sei "auf jeden Fall einen Versuch wert", erklärt Gertraud Deutinger. Noch lebt das Kirchlein. Einmal im Monat wird die Messe zelebriert und erst kürzlich wurde das Patrozinium des Heiligen Laurentius gefeiert. Dann schmückt Gertraud Deutinger den Kirchenraum mit frischen Blumen und legt weiße Tücher auf den Altar. Lange kan sie die aber nicht liegen lassen. Sie vergilben innerhalb weniger Tage.

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