Statistik für Erding und Oberbayern:Ganz unterschiedliche Tendenzen

Das Handwerk moniert Gesellenschwund, weil viele Jugendliche lieber ein Studium beginnen. Doch Grund zur Klage haben nur wenige Innungen, Bau und technische Berufe sind gefragt

Von Thomas Daller, Landkreis

Seit Jahren klagt das Handwerk über einen Fachkräftemangel und warnt vor einer zunehmenden "Akademisierung". Aber ist dieser Gesellenschwund ein Problem des Handwerks an sich oder sind die Auswirkungen auf die einzelnen Innungen ganz unterschiedlich? Tatsächlich ist letzteres zumindest in Oberbayern und im Landkreis Erding der Fall, wenn man die Zahlen der bestandenen Gesellenprüfungen in den vergangenen zehn Jahren nach Berufen vergleicht. Stark gesunken ist beispielsweise das Interesse an einer Berufsausbildung als Metzger, Bäcker oder Friseur. Bei Schreinern, Zimmerern oder Elektronikern hingegen hat die Zahl der bestandenen Gesellenprüfungen im Vergleich zu 2007 sogar deutlich zugenommen.

Zu den großen Verlierern um die Gunst der Auszubildenden zählen Berufe aus dem Lebensmittelbereich. Die Zahl der Metzger, die ihre Gesellenprüfung in Oberbayern abgeschlossen habe, lag 2007 noch bei 131 und hielt sich bis 2011 noch bei mehr als 100 pro Jahr. Seither geht es weiter steil bergab; 2016 waren es nur noch 65 in Oberbayern und ein einziger im Landkreis Erding. Der Trend ist im Landkreis jedoch uneinheitlich und sprunghaft, es gab starke und schwache Metzgerjahrgänge. Ein einziger ist dennoch der absolute Tiefpunkt. Ähnlich verhält es sich bei den Bäckern: In ganz Oberbayern schlossen 2007 noch 225 erfolgreich ihre Gesellenprüfung ab, 2016 waren es nur noch 100. Im Landkreis Erding ist die Zahl im gleichen Zeitraum von acht auf zwei gesunken. Diese Entwicklung betrifft auch Fachverkäufer/in im Lebensmittelhandwerk: von 435 im Jahr 2007 auf 255 im Jahr 2016 oberbayernweit und im Landkreis von 18 auf zwei. Auch Friseure haben Grund zur Klage über Nachwuchsmangel: Die Zahl der Auszubildenden, die ihre Gesellenprüfung bestanden haben, lag 2007 noch bei 521 in ganz Oberbayern und sank bis 2016 auf 336. Im Landkreis halbierte sich die Zahl von 16 auf acht.

Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Denn es gibt sehr wohl auch Handwerksberufe, die bei jungen Leuten beliebt sind. Die Beschäftigung mit Holz zum Beispiel. Schreiner und Zimmerer sind Berufe, die starken Zulauf haben. Bei den Gesellenprüfungen haben die Schreiner in Oberbayern in den vergangenen zehn Jahren von 360 auf 423 zugelegt und im Landkreis von neun auf 20. Bei den Zimmerern stiegt die Zahl im Regierungsbezirk von 199 auf 282 und auf Landkreisebene von neun auf 14. Auch die Ausbildung zum Elektroniker leidet nicht unter dem viel zitierten Gesellenschwund: Ihre Zahl stieg von 515 im Jahr 2007 auf 550 im Jahr 2016, wobei sie 2015 einen Höchststand von 616 in Oberbayern erreicht hatte. Hier deckt sich der Trend jedoch nicht mit der Entwicklung im Landkreis Erding, wo die Zahlen von 20 auf neun zurückgegangen sind. Aber dabei ist auch zu berücksichtigen, dass diese Landkreiszahlen zu gering sind, um für eine aussagekräftige Statistik einen seriösen Trend abzuleiten.

Stabile Entwicklungen gibt es bei Metallberufen wie Metallbauern oder Feinwerkmechanikern; beide liegen im Schnitt bei etwa 250 Gesellenprüfungen pro Jahr mit statistischen Ausreißern von plus oder minus 50. Im Landkreis schwanken die Feinwerkmechaniker zwischen 18 und 22 und die Metallbauer zwischen fünf und zehn. Eine stabile Entwicklung gibt es bei den Maurern, die oberbayernweit sowohl 2007 als auch 2016 auf 215 bestandene Gesellenprüfungen kamen. Stabile bis leicht steigende Zahlen gibt es auch aus den Berufen Maler und Lackierer, Anlagenmechaniker und Kraftfahrzeugmechatroniker. Das Handwerk lässt sich somit keineswegs über einen Kamm scheren.

Aber was spielt bei den jungen Leuten die ausschlaggebende Rolle bei der Berufswahl im Handwerk? Sind es beispielsweise die Arbeitszeiten, bei denen das Bäckerhandwerk einen Malus hat? Ist es die Bezahlung oder will man sich bei der Arbeit nicht schmutzig machen? Berufsberater Ortwin Großmann von der Agentur für Arbeit Erding hat die Erfahrung gemacht, dass schwere körperliche Arbeit schon ein Kriterium für junge Leute ist, einen Beruf abzulehnen. Auch die Ausbildung zur Fleischereifachverkäuferin sei schwer zu vermitteln, weil viele junge Frauen sich vor rohem Fleisch ekeln würden. Für den Rückgang der Zahlen im Friseurhandwerk hat Großmann ebenfalls eine Erklärung: Der männliche Nachwuchs fehlt. Der Beruf habe einen Imagewandel erlebt, gelte als unmännlich und deswegen wolle kaum noch ein Junge Friseur werden.

Gefragt seien bei männlichen Jugendlichen das technische Handwerk, insbesondere die Ausbildung zum Kraftfahrzeugmechatroniker. Auch Bauberufe hätten ein gutes Image, weil man bereits in der Ausbildung nicht schlecht verdiene. Bei jungen Frauen sei neben der Bürotätigkeit auch der Verkauf beliebt, aber nur, wenn es um "schicke Klamotten" oder Kosmetik gehe, sagte Großmann. "Es muss schon gehobenere Ware sein, nichts Profanes." Nicht zuletzt müsse die Lehrstelle auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sein, was im Landkreis Erding, wo es viele Betriebe in ländlichen Gemeinden gebe, nicht immer gegeben sei.

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