Solidaritätstrinken für Erdogan und Alu-Hüte gegen Ufo-Strahlen:Gaudi gegen Politikverdrossenheit

Junge Dorfener haben einen Ortsverband der satirischen Vereinigung von "Die Partei" gegründet. Mit ihrem ungewöhnlichen Programm wollen sie bei den nächsten Kommunalwahlen antreten

Interview von Thomas Daller, Dorfen

"Die Partei" ist eine Kleinpartei mit parodistischem Charakter, die 2004 von Redakteuren des Satiremagazins Titanic gegründet wurde. Sie erfüllt zwar die juristischen Anforderungen des Parteiengesetzes, ihre Ernsthaftigkeit wird jedoch in Frage gestellt. Sie gilt als Spaßpartei, die unter anderem für den Wiederaufbau der Mauer eintritt. Mittlerweile gibt es den ersten Ortsverband im Landkreis, und zwar in Dorfen. Vor kurzem hat Die Partei ihre zweite Demonstration am Unteren Markt veranstaltet und die Mitglieder wollen auch bei den nächsten Kommunalwahlen antreten. Die SZ sprach mit dem Vorsitzenden Michael Trapp und seinem Stellvertreter Kalle Oefele über ihre politischen Zielsetzungen.

SZ: Seit wann gibt es den Ortsverband und wofür geht man an die Öffentlichkeit?

Oefele: Er wurde am 5. März 2015 gegründet und bisher haben wir ein Solidaritätstrinken für Erdogan, für zu niedrig bezahlte Top-Manager und die Pharmaindustrie veranstaltet. Außerdem noch die letzte Demo "alkoholisierte Aluhüte gegen gewalttätige Bilderberg-Illuminati-Polizisten".

Das ist nicht ihr Ernst?

Trapp: Das hat das Landratsamt bei der Anmeldung unserer Demo auch gefragt.

Warum haben Sie bei der Demo Hüte aus Aluminiumfolie getragen?

Trapp: Zum Schutz gegen Ufo-Strahlen und gegen die NSA. Es hat geklappt. Während der Veranstaltung ist ein Hubschrauber der Illuminaten über uns gekreist, aber sie konnten nicht in unsere Köpfe eindringen. Chemtrails spielen natürlich auch eine Rolle.

Die Demo sah mehr nach einem Grillfest mit einem eigenartigen Kegelspiel aus, bei dem offenbar Trinkfestigkeit eine zentrale Rolle spielt.

Die Partei Dorfen

Kalle Oefele, Stellvertreter im Ortsverband

(Foto: Daller)

Trapp: Das nennt sich Flunky-Ball. Im Internet gibt es dazu Anleitungen. Es geht hauptsächlich um Bier trinken. Den Rest habe ich auch nicht verstanden.

Die Dorfener Polizei kam auch mal vorbei . . .

Trapp: Die haben sich daran gestört, dass unsere Ordner-Binden aus alten Socken bestanden, die wir selbst beschriftet haben. Aber wir wollten keine kapitalistischen Ordnerbinden-Hersteller unterstützen.

Aus wie vielen Mitgliedern besteht der Dorfener Ortsverband?

Oefele: Mit den sieben neuen, die wir bei der Demo geworben haben, sind wir nun mehr als 20.

Woher kennen sich die Gründungsmitglieder - aus dem Jugendzentrum Dorfen oder dem Gymnasium?

Oefele: Sowohl als auch.

Was macht Die Partei für Sie attraktiv, beispielsweise im Vergleich mit anderen Kleinstparteien wie den Bibeltreuen Christen oder der Bayernpartei?

Trapp: Die Bibeltreuen Christen sind schon cool, aber das Parteiprogramm ist 2000 Jahre alt. Bei uns spielt Bier eine wichtige Rolle und mit Bier kann man in Bayern Einiges reißen. Uns geht es einfach darum, an die Macht zu kommen.

Oefele: Außerdem sind Kreuzzüge out und unsere Forderung nach dem Mauerbau ist zeitgemäßer, wie man in Ungarn sieht.

Statt einer Mauer: Ist die Dorfener Ortsgruppe auch für einen Wiederaufbau des vierten Dorfener Stadttores?

Trapp: Nein. Wir fordern stattdessen einen ganzjährig eisfreien Tiefseehafen, damit Dorfen eine Ostsee-Anbindung bekommt. Dann könnten wir Strandpartys feiern, Jetski fahren und wir hätten einen Puffer für schmelzende Polkappen. Die Anbindung an die A 94 darf nicht der letzte Schritt hin zur Globalisierung bleiben, da geht noch mehr. Man kann den Fortschritt nicht aufhalten.

Die Partei Dorfen

Michael Trapp, Vorsitzender des Ortsverbandes.

(Foto: Daller)

Was muss sich sonst noch in Dorfen ändern?

Oefele: Wir sind für eine Schwimmbrillenpflicht für Fahrradfahrer bei Regen. Wer ohne fährt, gefährdet sich und andere. Sicherheit geht vor.

Trapp: Außerdem muss Die Partei den Bürgermeister stellen.

Oefele: Mit 100 Prozent plus X-Stimmen.

Wie soll die Machtübernahme in Dorfen erfolgen: mittels Wahlen, mit einem Generalstreik oder durch kollektive Erleuchtung?

Trapp: Demokratie ist schon cool, aber zur Not probieren wir es ohne Gewalt. Wann die Machtübernahme geplant ist, kann ich nicht sagen, ich habe meinen Terminkalender nicht dabei. Da müssen wir spontan schauen. Aber morgen geht es nicht, da hab ich Schulaufgabe.

Mal Spaß beiseite: Sie haben doch nicht vor, tatsächlich bei den nächsten Kommunalwahlen anzutreten?

Trapp: Doch. Wir werden auf dem Stimmzettel stehen. Und ich auf Listenplatz eins.

Die Dorfener haben Sinn für Humor. Sind Ihnen die Konsequenzen klar, wenn Sie tatsächlich in den Stadtrat gewählt würden?

Trapp: Sehen wir so aus? Wir wollen der Politikverdrossenheit mit Gaudi begegnen. Politik kann Spaß machen. Ein Großteil der Bevölkerung in der Provinz hat doch das erste Mal von Satire gehört, als die Redakteure von Charlie Hebdo erschossen wurden. Aber man darf nicht unterschätzen, wie machtvoll Satire sein kann.

Auf den Flyern der Partei steht: "Ja zu Europa - Nein zu Europa". Soll Dorfen in der EU bleiben?

Trapp: Ein Austritt hätte viele Vorteile, wenn man nur an den künftigen Freihafen denkt. Mangels einer Börse könnte in Dorfen auch keine abstürzen wie in Großbritannien.

Oefele: Außerdem geht es in diesem Interview viel zu sehr um Inhalte. Wir wollen Inhalte überwinden.

Wo würden Sie sich politisch einordnen?

Oefele: In der radikalen Mitte. Ich mag dieses Links-Rechts-Spektrum nicht. Ich würde Die Partei oben ansiedeln.

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