Es ist fast genau 90 Jahre her, als beim Wieserbräu in Notzing 16 Landwirte zusammenkamen. Sie hatten ein Ziel: Sie wollten gemeinsam singen. Also gründen sie die "Sängerrunde Notzing" - einen Chor, den es heute immer noch gibt. Mittlerweile heißt er "Singkreis Erdinger Moos", hat gut 40 Sänger und Sängerinnen und wie ein Besuch bei der Probe am Dienstag zeigt, erfreut er sich trotz des hohen Alters bester Gesundheit. Gerade wird eine Jubiläumsmesse zum 90-jährigen Bestehen einstudiert, die am Sonntag, 21. Mai, in der St. Nikolauskirche in Notzing zur Aufführung kommt.
Wer singen will, muss erst mal aufstehen, sich schütteln, strecken und gähnen. Das Einsingen im Notzinger Bürgerhaus erinnert ein wenig an Aufwärmübungen beim Sport. Für Josef Weihmayr , der seit Herbst 2106 die Chorleitung innehat, hat Singen durchaus etwas Sportliches: "Man muss den Körper in Anspannung halten und austarieren, zugleich wird eine Lockerheit benötigt", ermahnt er die Sänger. Jeden Dienstag wird in Notzing geprobt. Gut ein Drittel des Chors sind Männer, das ist für gemischte Chöre eine sehr gute Quote, wie der 30-Jährige sagt: "Mit Männern haben wir zum Glück kein Problem" - auch wenn neue Mitglieder jederzeit willkommen seien.
Die 1927 im Erdinger Moos gegründete "Sängerrunde" war zunächst ein reiner Männergesangsverein, "dessen Hauptanliegen wie bei den meisten Singvereinen dieser Zeit die Geselligkeit und das Singen und Verbreiten deutschen Volksliedguts ist", sagt Judith Heger vom Singkreises. Werner Fleschütz, der 1. Vorstand des "Singkreises Erdinger Moos e.V.", erzählt, wie es weiterging. 1949 benannte sich der Chor in "Männergesangsverein (MGV) Notzing" um. Im Jahr 1980 tat sich der Männergesangsverein mit dem Chor des Volksbildungswerks Erdinger Moos mit Sitz im ehemaligen Franzheim zusammen. Der nun gemischte Chor nannte sich fortan "MGV Notzing mit Singkreis Erdinger Moos".
1987 übernahm Peter Heger, Klavierlehrer an der Kreismusikschule Erding, langjähriger Kreischorleiter und auch sonst im Kulturleben des Landkreises kein Unbekannter, die Chorleitung aus den Händen von Hans Lutzenberger. Im vergangenen Jahr gab er nach knapp 30 Jahren die Leitung an Josef Weihmayr ab. "Es war Zeit für einen Tapetenwechsel", sagt Heger. Dem Singkreis blieb er aber weiterhin als Sänger treu. Überhaupt scheinen die Mitglieder des Singkreises immer recht lange dabei zu sein: Vorstand Josef Gerschlager war 45 Jahre im Amt, als er 1995 von Werner Fleschütz abgelöst wurde.
Jubiläen werden gebührend gefeiert. Zum 75-Jährigen im Jahr 2002 fand zum Beispiel am Münchner Flughafen ein großes Kreissingen mit zirka 30 Chören statt. Im selben Jahr änderte der Chor den Vereinsnamen in "Singkreis Erdinger Moos mit MGV Notzing". Ein Höhepunkt in dem Jubiläumsjahr war die Teilnahme beim internationalen Wertungssingen in Prag, bei dem der Singkreis den zweiten Platz belegte. Im Sommer 2002 wurde eine CD aufgenommen. Das Repertoire des Chors reicht von weltlicher und geistlicher Chormusik über Rock und Pop bis zu internationaler Folklore, Spirituals und zeitgenössischen Werken, die Mitglieder singen sowohl auf Bairisch als auch auf Englisch.
Seit 2005 gibt es auch den Kinderchor "Mooskitos" unter der Leitung von Regina Altmann-Weihmayr, der Ehefrau von Josef Weihmayr. Derzeit sind zwölf Kinder dabei, darunter auch einige Buben. Aktuell hat der "Singkreis Erdinger Moos e.V." ungefähr 160 Mitglieder, davon 40 aktive Sängerinnen und Sänger im Alter zwischen 40 und 80 Jahren. "Es gab im Laufe der Jahre Durststrecken, aber der Chor hat sich immer wieder aufgerappelt", sagt Werner Fleschütz. Heute kommen die Sängerinnen und Sänger aus dem Gemeindegebiet von Oberding, aber auch aus der Großen Kreisstadt Erding und dem angrenzenden Landkreis München.
Zum 90. Geburtstag wird am Sonntag, 21. Mai, um 9 Uhr eine Jubiläumsmesse in der St. Nikolauskirche in Notzing gefeiert. Danach ist im Bürgerhaus ein Frühschoppen geplant. Die offiziellen Feierlichkeiten zum Jubiläum finden am 21. Oktober in der Mehrzweckhalle in Oberding statt. Um die Zukunft des "Singkreises Erdinger Moos" macht sich Peter Heger keine Sorgen. "Die nächsten 30 Jahre sind gesichert", sagt er mit Blick auf seinen Nachfolger Josef Weihmayr. Der lacht und wirkt überhaupt nicht bange.