Schlaglochrallye:Mathe auf der Seenplatte

Ein beliebtes Grundstück am Markt Schwabener Bahnhof gleicht einer gefluteten Kraterlandschaft

Von Korbinian Eisenberger, Markt Schwaben

Die Suche endet steinig: Mitten im Kies ist noch Platz frei, allerdings stehen Maria Weinschl noch Hindernisse bevor. Denn der Parkplatz vor ihr gleicht einer Kraterlandschaft. Der Kiesboden ist von Schlaglöchern übersäht, manche von ihnen so groß, dass zwei SUVs drin Platz hätten. Und weil die Löcher in diesen Tagen noch dazu voll mit Wasser sind, lässt sich nur erahnen, wie tief sie sind. Maria Weinschl hält an, sie hat einen Kleinwagen mit Erdinger Kennzeichen und winzigen Reifen. "Es ist ziemlich neu", sagt sie. Durchfahren ist riskant, weil das Schlagloch gut und gerne 40 Zentimeter tief ist. Vorbeifahren geht auch nicht, dafür ist das Loch zu breit. Also steigt die Erdingerin aus, betrachtet das Dilemma und überlegt.

Der Ort Markt Schwaben hat nicht nur einen Weiher, sondern seit längerem auch eine eigene Seenplatte. Zumindest kommt einem der Gedanke, wenn man dort am Bahnhof nach 8 Uhr früh einen Stellplatz fürs Auto sucht. An diesem Vormittag kommt alle paar Minuten ein Park-Interessent am Gleis entlang gefahren, wie so oft stehen die Autos vom Bahnhofsgebäude bis weit hinter den Bahnübergang. Alles dicht, es hilft nichts. Einzige Park-Chance: der Kiesplatz mit der Kraterlandschaft.

Kurz nach halb zehn, ein rostiger Kleinwagen kommt dahergesaust, auf dem Rücksitz schaut ein Hund aus dem Fenster. Die Fahrerin biegt auf den Kiesparkplatz, drosselt leicht das Tempo und brettert weiter. Sie nimmt vier Schlaglöcher mittig, es sieht aus, als würde sie durch einen Fluss düsen. Den Hund schüttelt es ordentlich durch, die Ohren wippen. Das Wasser geht bis zum Blech, es spritzt wie bei einer Rallye. Dann steigt das Frauchen aus, den Hund an der Leine. "Das Auto ist schon 18 Jahre alt", sagt sie. Da machen die paar Dellen auch nichts mehr aus.

Bemerkenswert sind die Szenen deshalb, weil Markt Schwabens Kommunalpolitiker seit Monaten über ein Problem im Ort diskutieren: Es gibt zu wenige Parkplätze für zu viele Autos. Warum also kümmert sich niemand darum, dass die Kraterlandschaft ausgebessert wird? Darum, dass man dort wieder ordentlich parken kann?

Nachfrage bei der Deutschen Bahn, dem Grundeigentümer. Von dort heißt es, dass die Kiesfläche schon bald gesperrt werde. Während der Umbauarbeiten am Bahnhof wolle die Bahn das Gelände für Baufahrzeuge und Geräte nutzen. "Die Arbeiten beginnen nach aktuellem Planungsstand Anfang 2019 und dauern rund zwei Jahre", erklärt eine Bahn-Sprecherin.

In dieser Zeit bekommt Markt Schwaben unter anderem einen fünften Bahnsteig und wird barrierefrei umgebaut. Anschließend soll das Grundstück wieder mit Kies eingeebnet werden. Allerdings nicht als Parkplatz. "Langfristig wird das Grundstück für die geplante Betriebssteueranlage Markt Schwaben benötigt", so die Sprecherin. Es soll also ein Gebäude kommen, in dem Signale und Weichen gesteuert werden. Wann genau, ließ die Sprecherin offen.

Wenn in einem Jahr die Bagger anrollen, fallen am Bahnhof an die hundert Parkplätze weg, die offiziell gar keine sind. Während dort gebaut wird, verschärft sich also das Parkproblem im Ort. Im Markt Schwabener Verkehrsausschuss und im Gemeinderat gab es zuletzt zwei Ideen, dem entgegenzusteuern: Mehr Parkplätze schaffen, damit mehr Autos Platz haben, fordern die einen. Den öffentlichen Nahverkehr verbessern und so die Anzahl an Autos dezimieren, fordern die anderen. Was wohl besser klappt? Schwer zu sagen. Eine Einigung gab es bisher nicht.

Und so lässt sich an Markt Schwaben gut erkennen, wie kompliziert es ist, ein 900 Jahre altes Dorf den Verkehrsanforderungen des 21. Jahrhunderts anzupassen - gerade in der Region um München, der nachweislich schlimmsten Staustadt Deutschlands im Jahr 2017. Nach der ersten urkundlichen Nennung 1115 wurde Markt Schwaben von Handwerkern in Zünften strukturiert. Damit man innerhalb der Ortsgrenzen möglichst viele Betriebe unterbrachte, sparte man im Mittelalter bei den Dorfstraßen an Platz. Vielen Ortschaften Bayerns sind die engen Straßerl geblieben - in Markt Schwaben heißen sie heute Gschmeidmachergasse, Weißgerber Weg, Färber- oder Webergasse. Für Fuhrwerke reichten die Durchgänge locker aus, ein SUV passt hingegen kaum hin, geschweige denn Parkplätze.

Verglichen mit dem Markt Schwabener Ortskern ist die Parksituation am Bahnhof da fast noch entspannt - auch dank dem Bahn-Grundstück mit der Seenplatte. Eine Frau fährt jetzt mit einem Geländewagen die Einfahrt hinein, rumpelt über das erste Schlagloch, als wäre nix gewesen. "Mein Mann nimmt jetzt immer den Mini", sagt sie mit einem Grinsen. "Der würde hier bestimmt absaufen." Maria Weinschl, deren Auto eher an einen Mini als an einen Geländewagen erinnert, lässt das Abenteuer deswegen lieber bleiben. "Ich suche noch mal", sagt sie und steigt in ihr Auto. Wahrscheinlich sucht sie heute noch.

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