Reinhard Marx auf dem Domberg Freising:Unerquickliche Kamingespräche

Homosexualität bleibt genauso Tabuthema wie Frauen im Kirchendienst. Junge Katholiken sind enttäuscht von der konservativen Haltung von Bischof Marx.

Sabrina Dahl und Sabina Dannoura

Vor dem Eingang des Kardinal-Döpfner-Hauses auf dem Freisinger Domberg herrscht ein buntes Durcheinander. Dutzende Jugendliche mit Rucksäcken warten darauf, endlich Einlass zu finden.

Reinhard Marx auf dem Domberg Freising: Viele Baustellen gibt es nach Meinung der Jugendlichen in der katholischen Kirche.

Viele Baustellen gibt es nach Meinung der Jugendlichen in der katholischen Kirche.

(Foto: Marco Einfeldt)

Sie erhoffen sich Antwort auf ihre Forderungen während des Jugendforums 2009: von Erzbischof Reinhard Marx - dem Mann, der in wenigen Tagen von Papst Benedikt XVI. in den Kardinalsstand erhoben wird; der als Vorsitzender der bayerischen Bischofskonferenz entscheidend zur Absetzung des umstrittenen Augsburger Bischofs Walter Mixa beigetragen hat; der als Oberhirte den Spruch "Ubi spiritus domini ibi libertas" (Wo der Geist des Herrn wirkt, dort ist Freiheit) wählte.

Im November 2009 waren 700 Jugendliche auf den Domberg gekommen und hatten dem Bischof während der Jugendkorbinianswallfahrt ihre Anliegen vorgetragen. Anna und Bettina waren dabei, als Marx mit Themen wie "Gleichberechtigung von Mann und Frau bei kirchlichen Ämtern" oder "Enttabuisierung von Liebe und Sexualität" konfrontiert wurde.

"Wir haben das Gefühl, dass sich seit den damaligen Gesprächen nicht viel geändert hat. Daher wollen wir wissen, warum wir nicht ernst genommen werden", sagen die Münchnerinnen. Bilanz ziehen - das möchten auch die meisten anderen, die am späten Samstagabend vor der verschlossenen Saaltür im Kardinal-Döpfner-Haus warten.

Fünf Themen wollen sie mit dem Erzbischof diskutieren, doch nur 80 Jugendliche können jeweils an den Veranstaltungen teilnehmen. Während bei manchen Gesprächsrunden zahlreiche Sitzplätze frei bleiben, erfreut sich ein Thema besonderen Zuspruchs: "Zwischen Bett und Beichtstuhl." Es geht um den offeneren Umgang mit Liebe, Partnerschaft und Sexualität.

Daniela Wittmann und Michael Ortmeier vom Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) in Mühldorf sind die Gesprächsleiter. "Bereits vor einem Jahr haben wir mit Marx über das Thema Homophobie und den verantwortungsvollen Umgang mit Sexualität und Verhütung gesprochen. Wir wollten ihn auf die Ungerechtigkeit aufmerksam machen, mit der die Kirche homosexuelle Menschen behandelt", erzählt Daniela Wittmann.

Moderne Katholiken

Die 19-Jährige nimmt zum vierten Mal an Jugendkorbinian teil. Sie ist über den Reformstau der katholischen Kirche und die traditionsverhaftete Einstellung mancher Katholiken mehr als enttäuscht. "Nachdem wir das Thema Liebe und Sexualität im vergangenen Jahr zur Diskussion gestellt haben, wurden wir aus konservativen Kreisen im Internet massiv angegriffen."

Seitdem habe sich nicht viel geändert. Ernüchtert resümiert sie die Debatte mit dem Erzbischof: "Wir wollten ihn dazu bringen, sich über unsere Kritik Gedanken zu machen. Das Gefühl, dass er unsere Anliegen ernst nimmt und auch entsprechend weiterträgt, damit es zu einer Veränderung kommt, hatten wir jedoch nur teilweise." Michael Ortmeier nickt zustimmend: "Gerade beim Thema Homosexualität wurde ich das Gefühl nicht los, dass die Kirche um den heißen Brei herumredet", sagte der 24-Jährige.

Mit seinem Lippenpiercing und der Zigarette im Mundwinkel wirkt Ortmeier nicht gerade wie ein konventioneller Kirchengänger. Doch bei der Jugendkorbiniandwallfahrt geben die meisten der zwischen 14- und 25-jährigen Jugendlichen ein äußerst modernes Bild junger Katholiken ab. Nicht zeitgemäß - darin sind sich viele Teilnehmer einig - wirken auf sie dagegen die Wertvorstellungen der Kirche.

Diese Wertvorstellungen scheinen in Gefahr, wenn sich Mädchen als Gottesdiensthelfer im Münchner Dom engagieren würden. Diese bescheidene Forderung des Jugendforums will der zuständige Dompfarrer nicht erfüllen: Weil, so ließ er mitteilen, Ministrantinnen in der bewährten Konzeption der lithurgischen Dienste einen "Eingriff" bedeuten würden und es folglich keinen Sinn mache, eine neue Konzeption zu erarbeiten, "die die Funktionsfähigkeit des lithurgischen Dienstes gefährden könnte".

Eine enttäuschende Reaktion für die Organisatoren des Jugendforums, zumal auch zahlreiche Gespräche zur Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Kirche keine zufriedenstellenden Ergebnisse gebracht hätten, berichten sie. Und Erzbischof Marx? Der zieht sich beim Kamingespräch aus der Verantwortung und sagt, er sei nicht zuständig.

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