Raus aus der Gewaltspirale:Wenn Täter Hilfe brauchen

Thomas Bahr

Thomas Bahr ist Sozialpädagoge und ausgebildeter Gewaltberater. Er arbeitet in Erding und München.

(Foto: Stephan Görlich)

In Erding gibt es eine Fachberatung für Männer, die in der Beziehung gewalttätig werden. Die Brücke will ihnen neue Wege aufzeigen und koordiniert ein weiteres Projekt im Landkreis München

Von Regina Bluhme, Erding

Ein Paar streitet, dann schlägt der Mann zu. Das kommt in allen Gesellschaftschichten vor, in der Stadt, auf dem Land. Manchmal wird die Polizei gerufen, meistens bleibt es unbemerkt. Die Dunkelziffer bei häuslicher Gewalt liegt bei 80 Prozent. Doch es gibt Männer, die aus der Gewaltspirale ausbrechen wollen. Für sie wurde 2016 in Erding eine Anlaufstelle eingerichtet: Beim Verein Brücke Erding bietet Thomas Bahr zwei Stunden in der Woche eine Fachberatung für gewalttätige Männer an. Gewaltberater wie Bahr sind rar. So kommt es, dass die Brücke Erding die Männerberatung im Landkreis München (MILK) mitaufgebaut hat und Bahr dort in einem Pilotprojekt tätig ist.

Thomas Bahr ist Sozialpädagoge mit Fachausbildung zum Gewaltberater und bei der Brücke Erding angestellt. Nicht alle Landkreise haben eine solche Beratung, weiß Barbara Huber, Geschäftsleiterin der Brücke Erding. Allerdings kann Bahr in Erding nur in sehr geringem Umfang in der Männerberatung tätig sein. Zwei Stunden die Woche sind dafür budgetiert. Zahlen für Erding hat Bahr nicht parat, das Gesprächsangebot sei aber "durchaus nachgefragt". Feste Sprechzeiten gibt es nicht. Termine werden nach telefonischer Vereinbarung vergeben. Immerhin gibt es damit eine erste Anlaufstelle

Die Klienten der Gewaltberatung in Erding sind laut Bahr "überwiegend Selbstmelder, die an sich arbeiten wollen". Es komme auch vor, dass Einrichtungen, denen Partnerschaftsprobleme bereits bekannt sind, gewalttätige Ehepartner an die Brücke vermittelten. Die Männer, die sich ihm melden "sind in der Krise", weiß Bahr. Im Erstgespräch lasse er den Klienten zunächst einmal nur erzählen, aus welchem Anlass er in die Beratung komme. "Wir versuchen, den Klienten und seine Situation zu stabilisieren und über weitere Hilfsmöglichkeiten zu informieren", erklärt Thomas Bahr.

Basis für weitere Gesprächsangebote sei "ein Tateingeständnis und die Verantwortungsübernahme", betont Bahr. "Und es muss für mich glaubhaft sein." Insgesamt fünf Gesprächstermine seien die Grundlage der Beratung, sagt der Erdinger Brücke-Mitarbeiter. Um zu sehen, ob das Ganze überhaupt Sinn mache. "Die Männer müssen das auch wirklich wollen."

Ziel der Beratung sei, das Bewusstsein der Männer zu ändern, "dass sie lernen, ihr Gegenüber respektieren". Gemeinsam werden Strategien überlegt. Angemessene Verhaltensweisen werden manchmal auch anhand von Rollenspielen eingeübt. "Dazu gehören zudem viel Selbstwahrnehmung und -erkenntnis", weiß Bahr. Im Anschluss ist eine regelmäßige Beratung über den Zeitraum von zwölf Monaten vorgesehen, doch das wird in Erding selten in Anspruch genommen, sagt Bahr. Denn im Gegensatz zum Landkreis München, wo der Landkreis die Beratung finanziert, müssen in Erding die Klienten selbst in die Tasche greifen.

Die Selbsterkenntnis ist der erste wichtige Schritt. Erst dann kann zum Beispiel über Umgangsregelungen mit Kindern gesprochen werden. In der Beratungsstelle in München werden diese Regelungen in Kooperation mit der Interventionsstelle München getroffen, berichtet Bahr. Dabei werde das Opfer von der Interventionsstelle beraten, der Täter von MILK. Die Zusammenarbeit mit diese Einrichtung habe sich sehr gut bewährt, sagt Bahr. In Erding schließt die Interventionsstelle Ende des Jahres. Laut dem neuen Träger, dem BRK, soll zum 1. März der Dienst wieder aufgenommen werden.

Zur Zeit ist die Brücke Erding auf Personalsuche: Weil MILK nach dem Start 2016 steigende Zahlen aufweist, kommt zur halben jetzt eine Ganztagsstelle dazu. Gesucht wird laut Stellenanzeige ein sozialpädagogische Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin mit Erfahrung im Bereich Gewaltberatung im Kontext Häuslicher Gewalt und im Kontext "Prävention mit Ziel der Gewaltvermeidung". Für Brücke-Geschäftsleiterin Barbara Huber ist der präventive Aspekt besonders wichtig. Männerberatung bedeute nämlich immer auch Kinderschutz.

"Wir sind sehr froh, dass es in Erding diese Stelle gibt", sagt Ingrid Kaps, Direktorin am Amtsgericht Erding. In Familienverfahren sei am Amtsgericht immer wieder häusliche Gewalt ein Thema. Im Regelfall sei die Gewaltberatung ein freiwilliges Angebot. Denn erst, wenn die Männer von sich aus bereit wären, sich Hilfe zu holen, sei eine echte Aufarbeitung möglich, ist Kaps überzeugt. Die Arbeit der Brücke findet sie "sehr unterstützenswert". Richter würden immer wieder Bußgelder verhängen, die dem Verein zukommen. Somit leiste das Amtsgericht auch einen wichtigen finanziellen Beitrag für die Brücke, betont Barbera Huber.

"Wenn wir keine Stelle hätten, zu der wir die Täter von häuslicher Gewalt hinschicken könnten, würde wir uns schon ein wenig hilflos fühlen", sagt Amtsgerichtsleiterin Ingrid Kaps. Es gelte, mitunter jahrelange Verhaltensmuster aufzubrechen. Das sei mit der Verhängung einer Strafe allein nicht zu schaffen.

Interessenten, die ein Erstgespräch mit Gewaltberater Thomas Bahr führen wollen, können sich bei ihm melden unter Telefon: 0176/20812784

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: