Prozess am Landgericht Landshut:Gewalt in der Beziehung

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37-Jähriger ist angeklagt, seine Freundin vergewaltigt zu haben

Von Alexander Kappen, Landshut/Freising

Wegen Vergewaltigung und versuchter Vergewaltigung muss sich seit Montag ein 37-jähriger Freisinger vor dem Landshuter Landgericht verantworten. Laut Anklage war der Beschuldigte aufgrund seiner organischen Persönlichkeitsstörung infolge eines fetalen Alkoholsyndroms - das sind die Folgen von Alkoholkonsum der Mutter während der Schwangerschaft - in seiner Steuerungsfähigkeit während den Taten "erheblich beeinträchtigt". Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft war sie "jedoch nicht so schwer gestört, dass diese aufgehoben gewesen wäre".

Wie aus der Verhandlung hervorging, handelt es sich sowohl beim Angeklagten als auch bei den beiden mutmaßlichen Opfern um Menschen mit Handicap, die im Alltag einer Betreuung bedürfen. Laut Anklage unterhielt der heute 37-jährige Freisinger seit dem Jahr 2008 eine Liebesbeziehung zu einer der beiden Frauen und zog 2009 mit ihr zusammen. Die Frau habe zunächst in einer Einrichtung für Betreutes Wohnen gelebt und sei dann mit ihrem Freund in dessen Wohnung ambulant betreut worden, sagte ein Sozialpädagoge, der für die beiden zuständig war, als Zeuge aus. Ihm seien blaue Flecken an der Frau aufgefallen. Darauf angesprochen, habe diese zunächst behauptet, sich in der neuen Wohnung nicht so gut auszukennen und sich gestoßen zu haben. Als sie im Januar 2010 ein großes Hämatom im Gesicht hatte, nahm man der Sozialpädagoge diese Version nicht mehr ab. Die Betreuer suchten das Gespräch mit dem Paar. Der Angeklagte habe, so der Zeuge, schließlich zugegeben, seine Freundin vergewaltigt zu haben. Dabei schlug er sie offenbar auch mit der Faust ins Gesicht.

Man sei damals mit allen Beteiligten übereingekommen, "von einer Anzeigenerstattung abzusehen, wenn der Angeklagte eine Therapie macht". Der 37-Jährige und seine Freundin waren danach mit Unterbrechungen noch Jahre lang ein Paar - bis der Angeklagte nach eine weiteren versuchten Vergewaltigung in einer Einrichtung für Betreutes Wohnen in Freising 2017 schließlich im Bezirksklinikum Mainkofen untergebracht wurde. Nach einem Streit mit seiner Freundin versuchte der Angeklagte in der Betreuungseinrichtung in Freising laut Anklage eine andere Bewohnerin zu vergewaltigen. Diese habe das aber durch ihren Widerstand verhindern können. Als die Frau sich den Betreuern anvertraute und zur Polizei ging, kam auch der Fall aus dem Jahr 2010 wieder auf den Tisch.

Der Angeklagte wollte zum Prozessauftakt am Montag vor Gericht keine Angaben mehr machen. Bei der Polizei hatte er zuvor eine Geständnis abgelegt - mittlerweile hat er dieses aber schon widerrufen. Ein Umstand, der es dem Gericht nicht einfacher macht. "Die Sache ist neu, dass wir uns heute auf kein Geständnis mehr berufen können", sagte Vorsitzender Richter Ralph Reiter.

Auf Anregung des Verteidigers zogen sich dieser sowie die Richter und die Staatsanwältin zu einem Rechtsgespräch zurück. Der Verteidiger, so berichtete Reiter anschließend im Gerichtssaal, habe angekündigt, "ein Glaubwürdigkeitsgutachten für die Opfer zu beantragen". Im Falle einer Bewährungsstrafe, so habe der Anwalt ihn wissen lassen, könne der Angeklagte als Auflage eine Therapie in München machen. Die Staatsanwältin habe aber durchblicken lassen, dass sie eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren anstrebe und eine Bewährung nicht mittrage. Ein Gutachten über den Angeklagten bescheinige diesem ein Rückfallrisiko von 30 bis 45 Prozent, so der Richter. Dieses könne durch eine ambulante Therapie nicht verringert werden, es sei eine längere sexualtherapeutische Behandlung notwendig.

Was die Glaubwürdigkeit der Opfer angeht, hatte der als Zeuge vernommene Betreuer keine Zweifel. Die Freundin des Angeklagten habe das Geschehen "absolut glaubhaft geschildert". Bis ein Glaubwürdigkeitsgutachten vorliege, so der Richter, könne es Frühsommer werden. Zunächst einmal ist in dem Prozess für kommenden Mittwoch ein weiterer Verhandlungstag angesetzt.

© SZ vom 12.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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