Pfarrer:Der Herrgott lenkt

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Stephan Rauscher aus Nandlstadt ist ein ungewöhnlicher Geistlicher. Schon als Kind segnete er seine Mitschüler. Er hat keine Scheu, mit Jugendlichen in die Disco zu gehen. Sich selbst sieht er als Sämann, der hofft, dass seine Körner aufgehen

Interview von Katharina Aurich, Nandlstadt

Das Lachen und sein Humor sind die Markenzeichen von Pfarrer Stephan Rauscher, der immer auf dem Sprung ist. Im Moment organisiert er in Nandlstadt eine Bibelausstellung, damit sich die Mitglieder der Pfarrverbände Attenkirchen und Nandlstadt besser kennen lernen. Natürlich ist es keine langweilige Ausstellung, das würde nicht zu Rauscher passen, sondern alle Sinne sind gefragt: Im Geruchszelt riecht es nach Weihrauch, angeboten werden biblische Speisen aus Datteln, Oliven und Fladenbrot, Honig, zopfartiges Gebäck sowie Lamm und Ziegengerichte. Die Bibel betreffe alle Gläubigen, sagt Rauscher, auch jüdische oder muslimische Menschen, sie ist das verbindende Element. Besonders freut er sich auf die biblische Weinprobe, die ein Pfarrer im Ruhestand bei der Ausstellung anbietet. Vielleicht mache er ja auch aus Wasser Wein, sagt Rauscher lachend.

SZ: Woher kam Ihre Leidenschaft für den Beruf des Pfarrers und alle damit verbundenen Konsequenzen?

Rauscher: Das weiß ich nicht, aber bereits als Zweijähriger nähte mir meine Uroma einen kleinen Talar, mit dem ich segnend durch unser Haus lief und mir eine kleine Kapelle einrichtete. Auch im Kindergarten predigte ich und spendete den Segen. Der Glaube faszinierte mich. Meine Mutter war anfangs nicht begeistert und verbot es mir. Sie sagte, spiele mit etwas anderem, so dass ich meinen Talar auf dem Klo versteckte. Schließlich überzeugte meine Kindergärtnerin meine Mutter, mich gewähren zu lassen. Die anderen Kinder spielten bei meinen Hochzeiten und Taufen mit und fanden es in Ordnung.

Wie ging Ihre Familie mit diesem ungewöhnlichen Verhalten um?

Damals schämte sich mein Bruder für mich, wenn ich zum Beispiel auf dem Weg zur Schule im Bus die aussteigenden Kinder segnete. Aber den Kindern hat es gefallen. In meiner Familie war es immer wichtig, bloß nicht aufzufallen. Das war aber mit mir vorbei, der Herrgott ist halt manchmal lustig.

Das zeugt auch von einem enormen Selbstbewusstsein. Wie ging es dann weiter?

Ich hatte nie ein Problem, vor Menschen zu stehen und zu reden oder zu singen. Das hat mir immer geholfen. Mit zwölf Jahren stand ich als "bayerischer Heintje" auf der Bühne, das machte mir viel Freude. Da ich nicht gerne lernte, machte ich nach dem Hauptschulabschluss eine Ausbildung zum Kinderpfleger. Außerdem gründete ich mit 13 Jahren meine erste Jugendgruppe. Mein Berufswunsch war immer, Pfarrer zu werden, nur - dafür musste man studieren. Schließlich erfuhr ich von dem Gymnasium und Spätberufenenseminar in Waldram, wo ich mich mit 17 Jahren wieder auf die Schulbank setzte und das Abitur machte. Es waren wenige Schüler, es gibt ja keine Priesterschwemme (lacht), so dass die Betreuung sehr gut war.

Dann folgte das Studium als Voraussetzung für den Priesterberuf?

Ich studierte an der LMU Theologie und Philosophie und trat gleichzeitig in das Priesterseminar ein. Das Studium ist ja eine sehr verkopfte Sache, aber die Hand des Herrgotts hat mich geführt. Ich machte nebenher ein Hospizpraktikum und eine Ausbildung als Notfallseelsorger, denn in solchen extremen Situationen darf die Kirche nicht fehlen. Ich habe immer mein Handy dabei, damit ich erreichbar bin, wenn mich jemand braucht.

Hatten Sie nie Zweifel an Ihrer Entscheidung, Priester zu werden?

Nein. Ich hatte ja Zeit zum Üben, ob ich ohne eine Beziehung zu einer Frau zurecht komme. Das war ok. Meine größte Angst war, alleine zu sein, die Einsamkeit. Deshalb hatte ich auch überlegt, in ein Kloster zu gehen, um in einer Gemeinschaft zu sein. Aber ich brauche Leben um mich, bin ein sozialer Mensch und ich gehöre aufs Land. An meinem ersten Weihnachten als Diakon zwang ich mich, alleine zu sein und nicht nach Hause zu fahren. Am ersten Weihnachtsfeiertag saß ich also alleine in der Wirtschaft mit anderen, die auch alleine waren und wir lächelten uns zu. Ich legte mein Leben in Gottes Hand und fragte mich, wie ich es weiter gestalte. 2008 wurde ich nach zwei Jahren Praktikumszeit in Freising St. Georg zum Priester geweiht. Bevor ich hier dann selbst Pfarrer wurde, folgten fünf Jahre als Kaplan in Gilching und Velden an der Vils.

Und wie gestalten Sie Ihr Leben?

Wichtig sind mir meine Freunde, die Pfarrei ist meine Familie. Ich gehe mit den Jugendlichen zum Essen und auch in die Disco - natürlich im Talar (lacht). Das finden sie cool. Ich betreue im Moment 200 Ministranten. Jetzt lebe ich im Pfarrhaus in Attenkirchen mit zwei 80- und 77-jährigen Klosterschwestern. Wir sind eine kleine Gemeinschaft, beten zusammen, sie versorgen mich und freuen sich, einen Platz zu haben. Wenn ich einmal alt bin, werde ich sicher auch froh sein, wenn sich jemand um mich kümmert oder ich gebraucht werde.

Welchen Stellenwert haben Kirche und Glauben heute? Die Gottesdienste sind ja häufig eher leer.

Ich kann die Leute nicht in die Kirche tragen. Meine Arbeit empfinde ich wie die eines Sämanns, ich säe viele Körner aus und ein paar treiben aus und wachsen. Ich möchte Jugendlichen Orientierung geben, es prasselt so viel auf sie ein. Wichtig finde ich zu vermitteln, dass jeder so wie er ist, von Gott geliebt wird, niemand muss zum Beispiel ein Topmodel sein. Meine Kirchen sollen eine Heimat sein, aus der Junge und Alte, alle Menschen, Kraft schöpfen.

Wie planen Sie Ihre Predigten, damit sie nicht langweilig sind?

Grundsätzlich kann ich alles planen, aber der Herrgott lenkt. Der Pfarrer ist wie ein Gefäß, manchmal ist es voll und manchmal ist es leer, ich kann manchmal flammend predigen, ein anders Mal ist es eher nicht so gut. Meine Predigten sind oft spontan, da ich kein schriftliches Konzept habe. Ich schaue die Menschen in der Kirche an und oft fällt mir dann zu einem Gesichtsausdruck etwas ein. Manchmal predige ich auch von der Kanzel, das überrascht die Gläubigen im Gottesdienst, oder ich baue einen Witz ein. Lachen ist wichtig, die Gottesdienstbesucher sollen mit einem Lächeln hinaus gehen.

Sie trauen auch Ehepaare, viele lassen sich wieder scheiden. Was raten Sie für das Gelingen einer Ehe?

Ich denke, fast jeder Mensch sucht etwas Dauerhaftes, wir sind nicht dafür gemacht, von Blümchen zu Blümchen zu fliegen. Die Liebe Gottes soll zwischen zwei Menschen spürbar sein, Liebe und Ehe kann nur funktionieren, wenn man etwas dafür tut. Sie ist ein Geschenk Gottes, das viel Pflege braucht. Ich traue jährlich ungefähr 20 Paare und sage ihnen immer, streitet euch, dass die Fetzen fliegen, das gehört dazu. Für eine Liebe muss man kämpfen.

Wie spenden Sie Angehören Trost, wenn jemand gestorben ist?

Ich versuche zu vermitteln, dass niemand vor dem Tod Angst haben muss, denn es ist schön da drüben. Christen suchen nicht den Tod, aber es geht drüben weiter. Das ist für mich eine existenzielle Botschaft unseres Glaubens. Ich mag besonders den Brandner Kaspar, denn er vermittelt auf bayerische Art genau diese Haltung. Zwischen 60 bis 80 Mal im Jahr gestalte ich zusammen mit meinem Kaplan Robert Kröpfl Beerdigungen.

Was machen Sie in Ihrer Freizeit?

Ich habe einen Hund, mit dem ich spazieren gehe. Ich lerne gerade Klavier und singe natürlich sehr gern oder ich sehe mir DVDs an, da kann ich in eine andere Welt abtauchen und entspannen. Ich bin total verschnulzt, da kommen mir auch mal die Tränen, wenn es traurig ist.

© SZ vom 24.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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