Naturschutz:Einspruch gegen Hochwasserpläne

Naturschutz: Die Sempt bei Pretzen: Trinkberger regt an, sie mit Flutmulden aufzuweiten, um dort Hochwasser zu puffern. Das Wasserwirtschaftsamt hält nichts davon.

Die Sempt bei Pretzen: Trinkberger regt an, sie mit Flutmulden aufzuweiten, um dort Hochwasser zu puffern. Das Wasserwirtschaftsamt hält nichts davon.

(Foto: Renate Schmidt)

Naturschutzbeirat Helmut Trinkberger hält Flutmulden und das Öffnen alter Rückstaubereiche für die bessere Lösung

Von Thomas Daller, Erding

Das geplante Hochwasserkonzept entlang der Sempt setzt auf Dämme und Deiche, die aber im Wasserbau mittlerweile nur noch als zweitbeste Lösung gelten - an Isar und Donau wird beispielsweise versucht, die Gewässer zu renaturieren, Flüsse und Bäche wieder aufzuweiten, Flutmulden zu schaffen, verlandete Gräben und Altwässer zu öffnen und so wieder möglichst viel Rückstauraum für Hochwasser zu schaffen. Helmut Trinkberger, Naturschutzbeirat im Landratsamt Erding und ehemaliger ÖDP-Stadtrat, vertritt den Standpunkt, dass dies auch das bessere Hochwasserkonzept für Erding und die Gemeinden entlang der Sempt sein könnte. Er hat beim Wasserwirtschaftsamt München Einspruch gegen die aktuellen Planungen eingelegt. Trinkberger fordert das Amt auf, alle geeigneten Bereiche zu ermitteln und durchzurechnen, in welchem Ausmaß man damit die Wassermassen bei einem Hochwasser puffern könnte. Viel helfen würde das aber nicht, heißt es aus dem Münchner Wasserwirtschaftsamt. Dessen Leiterin Sylva Orlamünde sagte der Erdinger SZ, dass man sich durchaus mit dem Thema beschäftigt habe. "Wir brauchen 1,3 Millionen Kubikmeter Rückhaltebecken." Allein mit Renaturierungen gehe das "nie und nimmer", sagte sie.

Aktuell sind zwei umstrittene Varianten für den Hochwasserschutz entlang der Sempt geplant: Variante 1 sieht hohe Deiche in Altenerding, Aufhausen und Langengeisling vor, Variante 2 ein Hochwasserrückhaltebecken in Wörth, das von einem Damm aufgestaut werden soll. Eine Variantenentscheidung ist noch nicht gefallen - wobei das Wasserwirtschaftsamt klar das Rückhaltebecken bei Wörth präferiert - und Trinkbergers Einspruch richtet sich gegen beide Planungen. Er habe auch Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) davon in Kenntnis gesetzt und Gotz sei mit diesem Vorgehen einverstanden gewesen.

Trinkberger sagte, er könne die Befürchtungen der Bürger in Niederwörth verstehen, dass sie Angst hätten, ihre Keller würden voll laufen, wenn man dort ein Hochwasserrückhaltebecken für die Sempt errichte. Das lasse sich auch mit den geplanten Spundwänden im Boden nicht zuverlässig lösen, weil man damit auch in den Grundwasserfluss eingreife, ohne wissenschaftlich verwertbare Grundwassermodelle dafür zu haben. Dieses wird allerdings derzeit vom Wasserwirtschaftsamt erstellt und soll schließlich Auskunft darüber geben, welchen Einfluss der Damm auf das Grundwasser haben würde.

Außerdem entstehe, so Trinkberger, bei Variante 2 ein Damm. Er wird zwischen einem und 3,5 Metern hoch sein und soll, so das Wasserwirtschaftsamt, begrünt werden und sich so gut in die Landschaft einfügen. "Eines der letzten nicht verbauten Flusstäler soll total abgesperrt und jegliche Sicht durchs Tal genommen werden", sagt hingegen Trinkberger.

Früher konnten Flüsse und Bäche mäandern und sie waren eingebettet in Auwaldbereiche, in denen durch die Überschwemmungen kaum Schaden entstand. Erst seit der Mensch diese Fließgewässer begradigt und in ein enges Korsett gezwängt hat, tritt das Hochwasser immer mehr auch an unerwünschten Stellen über das Ufer. Trinkberger verweist in diesem Zusammenhang auf altes Erdinger Kartenmaterial, auf denen die Sempt noch in ihrem alten Verlauf dargestellt wird. Zudem gebe es auch viele alte Gräben, die lediglich verlandet sind und ebenfalls als Hochwasserpuffer dienen könnten. Man müsste sie lediglich wieder öffnen und aufweiten. Allein der Moosgraben bei Pretzen habe schon gutes Potenzial. Darüber hinaus könnte man das Sempttal flussaufwärts von Pretzen zu einer zehn Meter breiten Flutmulde aufweiten, mit Kiesbänken, die bei Hochwasser überspült würden. Ähnlich könne man mit dem Fehlbach flussabwärts von Langengeisling verfahren, um die Unterlieger zu schützen. Im Zuge solcher Renaturierungsmaßnahmen würden zudem Naturräume entstehen, in denen eine hohe Artenvielfalt möglich wäre. Eine Win-Win-Situation, von der sowohl die Anwohner als auch die Natur profitieren würden.

Nachbargemeinden wie Wörth würde Helmut Trinkberger nicht aus der Mitverantwortung entlassen. Aber nicht in Form eines Dammes, sondern dass dort auch Flutmulden errichtet und Gräben wieder aufgeweitet werden. Dem Naturschutzbeirat schwebt eine "Semptallianz" vor, in der die Stadt Erding und alle betroffenen Gemeinden sich verpflichten, Flutmulden und Rückhaltebecken anzulegen und alle Gräben zu renaturieren.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: