Nandlstadt:"Bio ist inzwischen überall salonfähig geworden"

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Gartenbaumeister Erhard Schönegge empfindet seinen Beruf auch als Berufung, die ihn erfüllt. Urlaub ist da eher zweitrangig. (Foto: Marco Einfeldt)

Erhard Schönegge betreibt seit 20 Jahren mit seinem Bruder den gleichnamigen Naturgarten, der sich zu einem Begegnungszentrum entwickelt hat

Interview von Katharina Aurich, Nandlstadt

Gartenbaumeister Erhard Schönegge pflegt nicht nur seine Gemüsekulturen, sondern auch den Kontakt zu seinen Kunden, seinen Mitarbeitern und Kommunalpolitikern. Die wichtigste Rolle spielt natürlich seine Familie, seine sechs Kinder sind im Naturgarten Schönegge aufgewachsen. Inzwischen steigt die älteste Tochter mit in den Betrieb ein und gründet gerade einen Naturkindergarten. Auch die Lebenshilfe hat ein Klassenzimmer auf dem Hof und behinderte Jugendliche können hier in die Arbeitswelt hinein schnuppern. Aus dem kleinen Pflänzchen Gemüsebaubetrieb ist inzwischen eine ständig wachsende Gemeinschaft mit immer neuen Ideen geworden. Dies alles zu verbinden und das Ganze wie eine Klammer zusammen zu halten sieht Schönegge als seine wichtigste Aufgabe.

SZ: Sie waren sich immer sicher, dass sie mit dem Biogemüseanbau Ihren Lebensunterhalt bestreiten können?

Schönegge: Ich wollte nie Klimmzüge machen, um der Natur etwas abzupressen, wie es im konventionellen Landbau häufig geschieht. Wir sind mit einer Fülle der Natur gesegnet, es ist sehr spannend, genau hinzusehen, wie die Natur funktioniert. Das geht natürlich nicht, wenn man nur die Ertragsmaximierung anstrebt.

Im Bioanbau sind die Kulturen viel stärker von der Witterung abhängig oder zum Beispiel vom Schneckenbefall, das ist doch ein Risiko.

Natürlich haben wir Höhen und Tiefen erlebt, das Risiko ist im Bioanbau größer. Wenn es beispielsweise im Frühjahr viel regnet, dann ist der mineralische Stickstoff für die Kohlrabis weggewaschen. Es dauert lange, bis er sich wieder neu im Boden mineralisiert, derweil verhungern die Kohlrabipflanzen und wir haben einen Ausfall. Denn wir können keinen chemischen Stickstoff dazugeben. Diese Abhängigkeit vom Wetter bedingt, das es manchmal sehr große Kohlrabis gibt, manchmal kleine oder auch gar keine.

Machen die Kunden da mit?

Damit sie das tun, ist unsere Gärtnerei 24 Stunden für die Selbsternter geöffnet. Wir möchten unseren Kunden verständlich machen, wie die Natur funktioniert, nicht nach einer bestimmten Norm. Unsere Kunden erleben, was auf den Feldern passiert, dass wir für den Betriebserfolg auf die Natur angewiesen sind.

Ihr Gemüse wird nicht nur von den Kunden selbst geerntet, wie vermarkten Sie Ihre Produkte?

Auf den Wochenmärkten in Moosburg und Freising, das liebe ich. Schon als Kind stand ich auf dem Markt und habe mit verkauft. Der Kontakt zu den Kunden ist mir bis heute sehr wichtig. Inzwischen vermarkten wir 95 Prozent unserer Ernte direkt an unsere Kunden, der Lieferservice ist ein wichtiges, drittes Standbein geworden. Bio ist inzwischen überall salonfähig geworden. Das war aber nicht immer so, anfangs haben wir ausschließlich an Wiederverkäufer geliefert, für die waren wir dann aber bald zu klein, sie wollten immer größere Mengen desselben Produkts. Aber uns ist die Vielfalt wichtig, deshalb produzieren wir keine großen Mengen einer Kultur, sonder viele verschiedene.

Das heißt, von dem Öko-Gemüsebetrieb können zwei Familien leben?

Nein, ehrlicher Weise muss man sagen, dass ich mit meiner IT-Firma eine weitere Einnahmequelle habe, ohne die vieles nicht möglich gewesen wäre. Da ich mich schon immer für Mathematik und Physik begeisterte, begann ich vor Jahren für unsere Direktvermarktung eine Software zu entwickeln. Bis dahin lief alles über Zettel. Inzwischen wird dieses Programm deutschlandweit von 70 Prozent aller Gemüse-Abokistenanbietern verwendet. Ich habe eine extra Firma dafür gegründet und beschäftige fünf Mitarbeiter.

Wie haben Ihre Nachbarn damals, vor 20 Jahren auf die "Ökos" nebenan reagiert?

Wir hatten von Anfang an sehr guten Kontakt, sind voll akzeptiert und konnten sogar Flächen dazu kaufen.

Sie gründeten die "Naturgarten Schönegge GmbH" gemeinsam mit Ihrem Bruder und dessen Frau, also ein reines Familienunternehmen. Worauf muss man bei einer solchen Konstruktion besonders achten?

Im Grunde bin ich mit meinem Bruder fast wie verheiratet. Wichtig sind Vertrauen und Distanz, sowie klar abgegrenzte Aufgabengebiete. Mein Bruder Horst ist für die Gewächshäuser zuständig, ich für das Freiland. Wir reden uns da gegenseitig nicht rein. Wir haben hier alles gemeinsam Stück für Stück mit viele Eigenarbeit aufgebaut, meine Frau Barbara und ich haben sechs Kinder, meine Bruder und seine Frau Gisela drei. Deshalb war schon immer viel los bei uns, die Kinder wuchsen zusammen auf, das verbindet.

Was ist Ihnen bei der Betriebsgestaltung noch wichtig?

Bei uns gibt es einige Teilzeitstellen, hier arbeitet zum Beispiel ein Paar, das sich eine Stelle und ihren Haushalt sowie die Kinderbetreuung flexibel teilt. Jedes Paar sollte die Möglichkeit haben, diese Aufteilung nach seinen Vorstellungen zu gestalten, was ja leider häufig nicht geht, da meist nur Vollzeitjobs angeboten werden.

Ihr Gemüsebaubetrieb hat sich mittlerweile zu einem Begegnungszentrum entwickelt, wie kam das?

Aufgrund meiner Erfahrung als Zivi bei der Lebenshilfe wusste ich, wie bereichernd die Zusammenarbeit mit behinderten Menschen ist und wie wichtig es für sie ist, am "richtigen" Leben teilzunehmen. In der Praxis ist es jedoch schwer, alle bürokratischen Hürden zu nehmen, um als Betrieb behinderte Menschen zu beschäftigen. In Kooperation mit der Lebenshilfe haben wir auf unserem Hof inzwischen ein Klassenzimmer gebaut, hier wird die 10. Klasse an vier Tagen in der Woche unterrichtet und die Schüler können bei uns in den Arbeitsalltag hinein schnuppern.

Auf den Feldern und in den Gewächshäusern sind Jugendliche bei der Arbeit, welche Rolle haben sie?

Wir sind ein WOOF-Deutschland-Betrieb, (World-Wide Opportunities on Organic Farms, Anm. d. Red.) das bedeutet, dass Jugendliche aus der ganzen Welt bei uns arbeiten und dafür hier wohnen und essen. Außerdem machen bei uns Waldorfschüler mit und wir bilden natürlich aus. Zusammen mit unseren neun Kindern hat sich auf dem Hof ein Treffpunkt für junge Menschen entwickelt.

Sie sind Chef von rund 20 Mitarbeitern und Praktikanten, wie ist ihr Führungsstil?

Ich hoffe kollegial! Führung sollte sich aus Kompetenz begründen, mir ist wichtig, wahrzunehmen, was passiert, ich rede viel mit den Mitarbeitern und bin aufmerksam.

Machen Sie auch Urlaub?

Ja, mittlerweile schon. Meinen ersten Urlaub machte ich mit 40 Jahren, bis vor kurzem aber immer nur eine Woche, jetzt wird es manchmal auch länger. Aber mein Bedürfnis danach ist nicht so groß, ich empfinde meinen Beruf auch als Berufung, die mich erfüllt.

Seid dieser Wahlperiode sitzen Sie für die Grünen im Kreistag und im Marktrat von Nandlstadt. Warum?

Ich wurde gefragt, ob ich kandidiere und habe zugestimmt.

Was möchten Sie auf kommunaler Ebene erreichen und wie gehen Sie dabei vor?

Demokratie ist mühsam, man braucht viel Geduld, ich bin offen für alle Menschen, egal welcher Partei. Mein Ziel ist, Bewusstsein für regionale Kreisläufe zu schaffen, daher haben wir die Regionalwährung "Bärling" ins Leben gerufen. Ich bin überzeugt, dass jeder einzelne von uns Verantwortung übernehmen und durch sein Konsumverhalten unsere Umwelt gestalten kann.

© SZ vom 06.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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