Nach Angriff beim Erdinger Herbstfest:24-Jähriger muss wegen sexueller Nötigung 30 Monate in Haft

Lesezeit: 3 min

  • Nach dem Besuch des Herbstfestes in Erding sind zwei Frauen von einem 23-Jährigen in sexueller Absicht angegriffen worden.
  • Das Amtsgericht verurteilt den 24-Jährigen zu zweieinhalb Jahren Haft.

Von Florian Tempel, Erding

"Wir sind um unser Leben gelaufen. Er hat uns gejagt wie zwei Viecher." Was die 37-jährige Frau aus Markt Schwaben und ihre 17 Jahre alte Tochter erlebt haben, ist der Albtraum jeder Frau. Nach einem Besuch des Erdinger Herbstfests am 1. September 2015 wurden sie in stockdunkler Nacht auf dem Weg zu ihrem Auto von einem unbekannten Mann verfolgt und angefallen.

Auf einer Wiese am Kronthaler Weiher holte er sie ein und riss mit einem Sprung die Mutter zu Boden. Als er ihr seine Zunge in den Mund drückte, biss sie zu. Mit aller Kraft und so lange, bis er von ihr abließ, und sie und ihre Tochter, die verzweifelt mit ihrer Handtasche auf den Mann eingeschlagen hatte, fliehen konnten.

Der Täter war etwa eine halbe Stunde später gefasst. Am Mittwoch hat das Amtsgericht Erding ihn wegen sexueller Nötigung und Körperverletzung zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt.

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Im Juli 2015 ist der Täter in Bayern angekommen

Der Tag seiner Verurteilung ist der Geburtstag des Angeklagten, er wird 24. Seit etwa acht Monaten ist er in Deutschland, die längste Zeit davon hat er in Untersuchungshaft verbracht. Erst im Juli 2015 war er in Bayern angekommen. Nach der Erstaufnahme in München wurde er in eine Unterkunft in Isen einquartiert. In seiner Heimat in Pakistan war er Schneider mit einem eigenen Laden.

Sein Vater habe 6000 Euro für Schleuser bezahlt, die ihn über die Türkei, Griechenland und den Balkan bis nach Deutschland brachten, sagt der Angeklagte. Er habe fliehen müssen, weil er von einer Terrorgruppe bedroht worden sei. Nachdem er der pakistanischen Polizei einen Hinweis auf einen Komplizen eines Attentäters gegeben hatte, habe er um sein Leben fürchten müssen.

Am Nachmittag des Tattags fährt er mit einem Landsmann mit dem Bus von Isen nach Erding. Sie haben vom Herbstfest gehört und wollen es sich mal anschauen. Drei Stunden sitzen sie draußen zwischen den Zelten. Der Angeklagte trinkt drei Maß Bier. Gegen 22 Uhr lässt er seinen Bekannten sitzen und kommt nicht wieder.

"Wir haben geschrien wie am Spieß, ihm war das total egal."

Zweieinhalb Stunden später, es ist nach Mitternacht, trifft er auf seine Opfer. Mutter und Tochter sind auf dem Heimweg, als er sie am nördlichen Ende des Festgeländes bei den Schrebergärten anquatscht: "Give me money." Als die Tochter ihm erwidert, er soll sie in Ruhe lassen, schubst er sie mehrmals. Die Frauen schreien ihn an, "go away", und gehen weiter. Der Angeklagte folgt ihnen in zehn bis 15 Meter Abstand.

An der kleinen Brücke über den Fehlbach kommt er näher. Die Mutter nimmt eine leere Bierflasche vom Boden, schreit ihn erneut an, er soll verschwinden. Er steht nur da und starrt sie an. Sie schlägt ihm mit der Flasche gegen den Arm, aber "er hat nicht mal mit der Wimper gezuckt". Die Frauen bekommen es mit der Angst zu tun und laufen los. Der Angeklagte rennt ihnen hinterher. Die Frauen rennen über eine Wiese, bis zu ihrem Auto wären es noch 200 Meter.

Er läuft schneller, überholt mit Leichtigkeit die Mutter und baut sich vor ihr auf. "Wir haben geschrien wie am Spieß", sagt die 37-Jährige, "ihm war das total egal". Als er sie mit einem Sprung niedergerissen hat und ihr seine Zunge in den Mund steckt, beißt sie in Todesangst zu. "Ich habe gedacht, jetzt hat unsere letzte Stunde geschlagen - erst bringt er mich um, dann meine Tochter".

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Angeklagter bittet um Vergebung

Das Zubeißen zeigt Wirkung. Der Mann kippt wie bewusstlos zu Seite. Die Frauen rennen zu ihrem Auto, fahren los und rufen die Polizei. Zwei Polizeibeamte finden wenig später am Tatort eine Blutlache und Blutspuren auf dem Weg zum Volksfestplatz. Dann kommt die Meldung, ein Rettungswagen bringe gerade einen Mann mit halb durchgebissener Zunge ins Klinikum. Der Angeklagte war zurück zum Herbstfest gegangen und hinter einem Bierzelt zusammengebrochen. Er wird im Klinikum festgenommen.

Vor Gericht sagt er, er könne sich an nichts erinnern. Er habe an jenem Abend zum ersten Mal in seinem Leben Alkohol getrunken. Er sagt aber auch, dass er "einen Fehler" gemacht habe und bittet "um Vergebung". Die Staatsanwältin beantragt vier Jahre Gefängnis. Verteidiger Thomas Krimmel plädiert auf 20 Monate mit Bewährung.

Der Vorsitzende Richter Björn Schindler sieht einiges, was zugunsten des Angeklagten bedacht werden müsse. Er sei "vom Alkohol enthemmt" gewesen und "besonderes haftempfindlich", da er nicht Deutsch spreche und hier keine Verwandten habe. Zudem sei "die sexuelle Handlung von der Intensität her im unteren Bereich - was er sonst noch vorgehabt hätte, ist Spekulation, das können wir bei der Strafzumessung nicht berücksichtigen."

© SZ vom 18.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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