Mittin in der Region:Das Rätsel der Meisen

Wir müssen den Vögeln eine Entschuldigung aussprechen

Von Wolfgang Schäl

Wir müssen heute noch einmal ein altes Thema aufgreifen, das aber nach wie vor etwas Ungereimtes, ja Rätselhaftes enthält. Wir hatten damals bitter über den Undank der Kohlmeisen geklagt, die uns schmählich auf einem überdimensionierten Vorrat an Meisenknödeln hatten sitzen lassen. Es war frische Ware, mit Liebe auf dem Balkon aufgehängt, aber unsere gefiederten Freunde ließen sich nach anfänglichem Interesse einfach nicht mehr blicken, bis, und das ist das Mysteriöse: bis zum Erscheinen einer meisenkritischen Kolumne. Dann änderte sich alles, schlagartig.

Wir schwören: Bereits drei Tage später war der Knödel nur noch halb so groß, und nach nicht einmal einer Woche hing nur noch das leere Netz auf dem Balkon. Alles weg, ratzeputz! Kein Körnchen mehr übrig. Wir haben dies aus Scham über das den Kohlmeisen angetane Unrecht bislang verschwiegen, wohl aber über deren Verhalten nachgedacht und keine andere Erklärung gefunden, als dass diese Vogelart zu unseren Lesern gehört und sich in der Lokalausgabe offenbar die erwähnte Kolumne herauspickt hatte. Bei deren Lektüre muss ihnen dann ihr Fehlverhalten bewusst geworden sein. Ja, so war es wohl. Klar, dass wir unter dem Eindruck dieser Erkenntnis sofort und voller Begeisterung unsere Vorräte umfänglichst wieder aufgefüllt und das winterliche Nahrungsangebot an die Meisen erneuert haben, man ist als Tierfreund schließlich nicht nachtragend.

Doch wer vermag unsere Enttäuschung in Worte zu fassen - nun fängt wieder alles von vorne an. Same procedure! Der Knödel schaukelt seit drei Wochen unberührt und trostlos im Wind, niemand interessiert sich dafür. Deshalb wenden wir uns diesmal direkt und ausschließlich an die Meise mit dem Appell: Jetzt aber mal los, sonst wird der Tisch abgeräumt, für alle Zeiten aber dann!

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