ADie Krähen haben Wort gehalten. Sie haben ihre jugendliche Nachkommenschaft aus Erding herausgeführt, haben ihr gezeigt, wo sie Nahrung bekommt und wo man übernachten kann. Es muss ja nicht unbedingt mehr der Lieblingsbaum der Eltern sein, wenn einer jungen Saatkrähe der Sinn nach Luftveränderung und Freiheit steht. Anders als die kleinen Menschenkinder dürfen junge Krähen nämlich tatsächlich schon mit wenigen Monaten auswärts übernachten. Wahrscheinlich sagen sie ihren Eltern noch nicht einmal Bescheid, wo sie schlafen.
Für die großen und kleinen Menschenkinder in Erding hat diese frühzeitige Unabhängigkeit der Krähen spürbare Folgen: Der Lärmteppich über Erding hat Löcher bekommen, das ständige Geschrei der leider nicht sonderlich hochbegabten Singvögel ist dünner geworden. Sicher, ganz still ist es immer noch nicht. Auch im Park ist der Ruf der Krähe noch immer zu vernehmen, jedoch in abgeschwächter Form. Es sind wohl die Eltern, die ihre Kleinen nicht ziehen lassen wollen und die ihnen nachrufen, dass sie gerne auch noch zu Hause schlafen dürfen, wenn sie möchten.
So bestimmen Kinder und andere Singvögel jetzt mit wieder mehr Erfolg die Klangatmosphäre im Erdinger Stadtpark. Mädchen und Buben fordern bei ihren Aktivitäten lauthals die Aufmerksamkeit ihrer Eltern ein, ganz so wie die jungen Krähen. Die Abnabelungsphase der Menschenkinder dauert bekanntlich sehr viel länger. Ist es aber so weit, wollen auch sie unabhängig und ungebunden sein. Auf kluge Ratschläge können sie gut verzichten und stöpseln sich bei Bedarf einfach die Ohren zu. Wer in den vergangenen Monaten unter dem Krähengeschrei besonders gelitten hat, sollte für sich in Erwägung ziehen, ob dieses für die Adoleszenz so typische Verhalten nicht auch in späteren Lebensphasen Anwendung finden sollte: Kopfhörer rauf, die "Ungarischen Tänze" von Johannes Brahms auf die Ohren. Und schon kann kein noch so hartnäckig nörgelndes Krähenbaby dem friedlichen Wohlbefinden etwas anhaben.