Mitten in Erding:Der Mops und die Telefonzelle

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Für Loriot galt ein Leben ohne Mops als möglich, aber sinnlos. Viele Menschen würden das wohl über das Smartphone sagen

Von Walter Gierlich

Der große Humorist Loriot hielt einst ein Leben ohne Mops zwar für möglich, aber sinnlos. Nun ist Vicco von Bülow, wie Loriot mit bürgerlichem Namen hieß, schon seit fast sechs Jahren tot. Und heute dürften sich die wenigsten Deutschen die Frage stellen, ob ihr Dasein ohne den nicht unbedingt schönheitspreisverdächtigen Vierbeiner seinen Sinn verlieren würde. Längst ist es etwas anderes, das für gefühlt neun von zehn Menschen in diesem Lande für absolut unverzichtbar gehalten wird. Und zwar immer und überall: das Smartphone.

Es reicht ein Blick auf die Wartenden an einer Bushaltestelle oder am S-Bahnsteig, um die Behauptung bestätigt zu finden. Bei Autofahrern, die an der roten Ampel stehen, schweift der Blick zwischen dem Lichtsignal und dem kleinen Bildschirm in der Hand hin und her. Im Café sitzen sich Paare gegenüber, und zwar je jünger, desto häufiger, die sich nicht miteinander unterhalten, sondern mithilfe ihrer schlauen Telefone mit irgendwelchen weit entfernten Freunden chatten. Und wer morgens Mütter beobachtet, die ihre Kleinen zur Kita bringen, staunt, wie sie es schaffen, unfallfrei den Kinderwagen mit einer Hand zu schieben und mit der anderen die neuesten Nachrichten auf dem Smartphone zu verfolgen.

Doch bisweilen geschehen noch Zeichen und Wunder: So blieb kürzlich ein junger Mann mit seinem Fahrrad stehen und fragte eine Frau, die gerade aus ihrem Auto ausgestiegen war, nach ...? Nein, nicht dem nächsten Supermarkt, einer Bank oder dem Rathaus. Der Mittzwanziger wollte wissen, wo die nächste Telefonzelle sei. Zur Erläuterung für die jüngeren Leser: Dabei handelte es sich um winzige Glashäuser an Straßenrändern, in denen Telefone hingen, von denen aus man nach dem Einwurf von Münzen anrufen konnte. Mittlerweile sind diese Einrichtungen nahezu ausgestorben. Umso mehr verwundert es, wenn ein junger Mann danach fragt. Doch als wäre das nicht genug, läuft einem wenige Meter weiter eine Frau über den Weg, die einen Mops an der Leine führt.

© SZ vom 06.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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