Mitten in Erding:Anruf beim Tourismusverein

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Wer in Erding anruft, kommt nicht unbedingt in Erding raus

Von Sebastian Fischer

Wunderschön, wenn man einen Urlaub an der Algarve plant. Im Internet die Bilder felsiger Küsten über dem grünblauen Atlantik, Fischerboote im Pier. Schnell ein Hotel rausgesucht, gleich die Nummer gewählt, da meldet sich der Hotelier, sein Englisch wird von den portugiesischen "dschi"-Endungen ergänzt, und er gibt schon mal ein paar Restauranttipps für den besten Bacalhau durch. Herrlich authentisch, denkt da der Anrufer, und bucht gleich ein Zimmer mit Frühstück. Ähnlich ist es bei Anrufen in Vorarlberg, wenn einem nach dem zweiten Klingeln der Skilehrer entgegenjodelt. Oder Paris, wenn im Hintergrund ein Akkordeon La Valse d'Amélie spielt. Hach, denkt da der Urlauber, und fühlt sich im Fremden schon übers Telefon zu Hause. Toll ist es auch, wenn man in Erding anruft. Da denkt der Tourist ja an Oberbayern, Weißbier und Bauernhof. Und dann meldet sich diese Stimme: "Gemoje! Aich sei froh, dass Sie do anrufe'." Wie bitte?

Ja, so könnte das klingen, wenn ein Tourist heute beim Erdinger Tourismusverein anruft. Denn wie Josef Höchtl, Geschäftsführer von Kooperationspartner "global office", am Dienstagabend bei der Jahreshauptversammlung vom Tourismus Region Erding e.V. berichtete, sitzen seine Mitarbeiter in Montabaur/Rheinland-Pfalz, an der hessischen Grenze. Wenn im Büro in der Landshuter Straße in Erding gerade Mittagspause ist, Feierabend oder keine Zeit zum Telefonieren werden Anrufer gleich dorthin weitergeleitet, so die Vereinbarung. Das ist natürlich ein toller Service, 1018 Gespräche in 15 Monaten, 143 Anrufer allein im August, die sonst nur ein Tuten gehört hätten. Und ja, immerhin sitzen die Mitarbeiter nicht, wie in der Branche durchaus Usus, für Niedriglöhne in Pristina oder Kalkutta. Aber ausgerechnet die Urlaubsplanung, eine der letzten Bastionen der Romantik?

Keine Sorge, hat Josef Höchtl abgewunken, und mit vertrauenserweckendem münchnerischem R-rollen erklärt, dass Kompetenz und Authentizität ganz wichtig seien. Deshalb bekämen seine Call-Agents viel Input über die Region, einen Kalender und eine Liste mit Frequently Asked Questions. Ja, sie würden sogar wissen, wann das Herbstfest stattfindet und was ein Weißbräu ist.

© SZ vom 15.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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