Mitten in der Region:Nichtschenken bereitet Freude

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Zum ersten Mal seit Jahren hatte man die realistische Aussicht auf eine stressfreie Vorweihnachtszeit

Von Alexander Kappen

Es schien alles so gut zu laufen. Zum ersten Mal seit Jahren hatte man die realistische Aussicht auf eine stressfreie Vorweihnachtszeit. Das vermeintliche Universal-Geschenk für sämtliche Verwandte - sonst stets im Last-Minute-Hauruck-und-Zufallsverfahren zwischen dem 23. und 24. Dezember ausgedacht und besorgt - war dank einer rechtzeitig verschickten Vorschlagliste des Reformhaus-Pressedienstes diesmal schon Mitte September eingetütet. Zumindest gedanklich. Man hätte nur noch schnell im Reformhaus seines Vertrauens vorbeischauen und das gute Stück einpacken müssen, das man sich aus besagten Weihnachtsgeschenk-Tipps herausgepickt hat. Und jetzt das.

Ausgerechnet der auserkorene "Geschenktipp 2", der Handscanner, der "in Sekundenschnelle die Biomarker analysiert, die für Kontrolle und Optimierung einer gesunden Lebensweise maßgeblich sind" und an dem wirklich alle, vom Karnickel der Tochter über die Groß-Cousine dritten Grades bis zur Schwiegermutter, ihre helle Freude gehabt hätten, ausgerechnet dieses Biozoom-Gesundheitsmessgerät also ist im Angebot der teilnehmenden Reformhäuser "wegen noch nicht endgültig abgeschlossener vertraglicher Verhandlungen" nun doch nicht erhältlich. So schreibt es der Pressedienst in einer aktuellen Mitteilung. Das ist umso ärgerlicher, als das Gerät zum Schnäppchenpreis von nur 499 Euro zu haben gewesen wäre.

Und jetzt? Das bewährte Hauruck-Zufallsverfahren kurz bevor die Jingle bellt? Oder die entspanntere Variante? Also mal nachsehen, ob man unter den Reformhaus-Geschenktipps, die man zu Gunsten des unschlagbaren Biozoom-Handscanners bereits aussortiert hatte, doch noch was Brauchbares findet. Vielleicht das "herrlich duftende" Fett-Feucht-Balancer-Energie-Serum mit "kostbaren Pflanzenölen wie Avocado-, Jojoba-, Mandel- und Orangenöl"? Oder lieber "Meditatives Bogenschießen" an der Reformhaus-Fachakademie in Oberursel? Unter fachkundiger Anleitung lernt man dort "den Geist zu zentrieren" und "zu zielen, ohne zu zielen". Hm. Vielleicht ist es für die Beschenkten das größte Präsent, ihnen das alles zu ersparen. Wir zentrieren unseren Geist und nennen es: "Schenken, ohne zu schenken."

© SZ vom 13.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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