Mitten in der Region:Frisch zapfen

Milchautomaten auf Bauernhöfen könnten ein Weg zu einem faireren Michlpreis sein

Von Alexandra Leuthner

Die stählerne Kuh - da war doch was. Wer vor 1980 geboren ist, wird sich vielleicht noch daran erinnern. Da gab es diese dickwandigen Glasflaschen, die man sich bei Minimal oder Tengelmann holen konnte, um sie dann beim Milchautomaten einzuschrauben, gleich neben der Rückgabestelle für Pfandflaschen. Ein Druck auf das Knöpfchen und schon sprudelte das frische Weiß mit Schwung in das Gefäß hinein. Damals hatte man noch nicht "Laktose", die Eltern predigten einem nicht ständig, dass Milch kein Getränk, sondern ein Lebensmittel sei. Es hieß "Die Milch macht's" und nicht "Milch macht dick, Herzinfarkt und Cellulite". Damals machte die Milch nicht Bauern reihenweise arm, sondern "müde Männer munter", und überhaupt hatte man beim Blick auf das jungfräuliche Weiß im Glas immer Heidi vor Augen. Und Bergwiesen.

Dann aber stellten wir plötzlich fest, dass die dicken Glasflaschen so schwer in den Taschen lagen. Irgendwer - vermutlich die Industrie - behauptete, die Milch würde in den Stahlbehältern sauer und sei deshalb am besten im lichtdicht beschichteten Pappkarton aufgehoben. Dann wurde das Tetrapak, gerade noch als ökologisches Schreckgespenst gegeißelt, zum Recyclingwunder stilisiert. Und wir glaubten es gerne. War ja alles eh schon egal, die Wälder sauer, die Luft von Feinstaub geschwängert, Heidis Almwiesen von Skiern kaputtgepflügt. Dafür aber blieb das Tetrapak ganz, wenn es aus einer der bunten Plastikeinkaufstüten fiel, und man konnte sich das lästige Spülen der Flaschen sparen. Gegen das schlechte Gewissen gab's den Gelben Sack, in dem Millionen leerer Tetrapaks verschwanden, so wie die Stählernen Kühe aus den Läden.

Nun aber sind es die echten Kühe, die versonnen kauend im Abendrot dem Geschmack des Weidegrases nachspüren, denen das endgültige Verschwinden droht - soweit nicht ohnehin nur noch der Geruch ihrer kraftfutteroptimierten Ausscheidungen daran erinnert, dass sie noch in manchem Stall herumstehen, wo sie nichts zu tun haben, als ihr Euter einem Computer hinzuhalten. Ironie der Geschichte, dass die Braunfleckigen oder Schwarzbunten durch die Rückkehr ihrer stählernen Verwandten auf den Bauernhof ausgerechnet in einer Maschine eine Verbündete bekommen könnten.

Für kleine Bauern ist der Milchautomat am Hof eine Chance, dem Druck des immer rationeller, effektiver und größer produzieren Müssens etwas entgegen zu setzen. Und wir Verbraucher können etwas gegen unser schlechtes Gewissen tun. Wir können aufhören, immer noch einen Cent weniger im Supermarkt für die Milch bezahlen zu wollen. Stattdessen sollten wir einen Rucksack schultern, zum Bauernhof radeln und dort unsere Flasche auffüllen. Das hilft dann auch gleich gegen überflüssige Pfunde.

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