Mitten in der Küche:Was Großmutter noch wusste

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Hollerküchel mit Rezepten aus dem Internet schmecken einfach nicht so gut wie damals bei Oma

Kolumne von Katharina Schmid

Wenn er blüht, dann sind die genüsslichen Gedanken frei: der Holler oder Holunder, so sein korrekter deutscher Name. Genauer noch, sambucus nigra, die botanische Bezeichnung des schwarzen Holunders. Bizarr eigentlich dieser Name. Blüht er doch im Frühsommer so schön weiß. In den dunkelvioletten Früchten des Hollerbuschs lässt sich die namensgebende Farbe schon eher wiederfinden.

Wie dem auch sei. Blüht jedenfalls der Holler, wie eben gerade, dann läuft dem Betrachter sprichwörtlich das Wasser im Munde zusammen. Die Gedanken wandern zu all den Spezialitäten, die sich aus seinen Blüten und Früchten herstellen lassen. Hollerküchel. Hollersirup. Hollersaft. Schnell ist ein Beschluss gefasst. Das kann doch nicht so schwer sein, denkt sich der Sprössling aus einem Hause der guten bayerischen Küche. Hat nicht die Oma immer diese krossen, wohlschmeckenden, fein duftenden Hollerküchlein gebacken, die das Kind, noch lauwarm und mit Puderzucker bestäubt, so gerne verdrückte? Wäre doch gelacht, würde man das nicht genauso hinkriegen.

Also googelt der ambitionierte Nachwuchskoch munter drauf los - ein Rezept muss her. Und eine Sekunde später auch schon eine Entscheidung zwischen zig Rezeptvorschlägen unter anderem von einer Landfrau, einem Chefkoch und sogar einem "Foodhunter", einem Essensjäger also. Im Fall der Hollerküchel, ganz eindeutig, wird das Vertrauen dann doch der Landfrau geschenkt. Aber was da wenig später auf dem Teller liegt, es ist einfach nicht das, was es bei Oma einst war.

Vielleicht hätte man doch lieber diesen blauen, fast bilderlosen Wälzer befragen sollen, das "Bayerische Kochbuch". Am besten wäre es wohl gewesen, sich bei Oma in die Küche einzunisten und mit ihr tagelang nur zu kochen, zu backen, zu braten, zu brauen - kurz: sich die wirklich schmackhaften Rezepte zeigen zu lassen, die den Gaumen schon als Kind geprägt haben und deshalb immer die besten bleiben werden - da können noch so viele Chefköche und Landfrauen digital daherkommen. Ein Hoch auf die Rezepte in den Köpfen der Omas.

© SZ vom 24.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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