Markt Schwaben:Und dann kamen die Bulldozer

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Daoud Nasser erzählte in Markt Schwaben über das Leben in Palästina. (Foto: Christian Endt)

Der Palästinenser Nasser erzählt über seinen gewaltlosen Kampf

Von Korbinian Eisenberger, Markt Schwaben

Folgende Vorstellung: Man kommt gerade von der Arbeit heim und will sich am Feierabend in seinen Garten setzen. Beim Aussteigen aus dem Auto merkt man plötzlich, dass etwas nicht stimmt, und zwar ganz und gar nicht: Der Garten ist platt gewalzt, Bäume, Pflanzen und Hecke gleichen einem Schlachtfeld. Ziemlich genau das ist dem Palästinenser Daoud Nasser passiert, der seine Geschichte in Markt Schwaben erzählt hat. Vor etwas mehr als zwei Jahren rollten israelische Bulldozer an und walzten 1500 Weinstöcke, Apfel- und Aprikosenbäume nieder. Schockierend sei das gewesen, kurz vor Beginn der Erntezeit. "Mir ist wichtig, dass man einen Weg ohne Gewalt findet", sagte Nasser.

In der Markt Schwabener Philippuskirche versuchte der 45-Jährige die Ereignisse von damals in Bilder und Worte zu kleiden. Etwa hundert Gäste waren gekommen, um zu sehen was der Mann mit den grauen Strähnen in den Haaren zu erzählen hatte. Der Gospelchor sang Friedens-Lieder, Nasser hatte Jeans und Hemd gewählt, eine Armbanduhr am linken Arm. Zivilkleidung für einen Auftritt, bei dem es nicht um die Auseinandersetzung gehen sollte, sondern um das miteinander vertragen.

Wo Nasser herkommt, geht es um einender ältesten Konflikte der Menschheit, der seit Jahrtausenden Todesopfer fordert. In seiner Heimatstadt Betlehem geht es um einen Kampf zweier Völker um Land. Im Westjordanland haben israelische Siedler tausende eingeborene Palästinenser vertrieben, nur Nasser ist geblieben. Er, der evangelische Christ, ist so etwas wie der letzte Fels in der Brandung. Seine Familie lebt auf dem einzigen Hügel zwischen Betlehem und Hebron, der noch nicht von israelischen Siedlern besetzt ist, und wo kein Stacheldraht um den Ort gewickelt ist.

In Markt Schwaben sieht man selten Stacheldraht. In der Gemeinde wird zwar bisweilen gezankt, etwa wenn es um strittige Bauvorhaben geht oder um die klamme Gemeindekasse. Meist findet sich aber für alles eine Lösung, irgendwie kriegen es die Menschen dann doch ganz gut miteinander hin. Ein Zuschauer fragte im Anschluss, wie das in seiner Heimat sei. Ob es denn gar keine Chance auf Annäherung gebe? Für Nasser ist das die entscheidenden Debatte: Ihm geht es nicht nur darum, dass er sein Land behalten darf. Er will dies mit friedlichen Mitteln erreichen. "Ich werde nicht weglaufen", sagte er. "Aber ich lasse jeden auf mein Grundstück, der keine Waffe trägt."

Nasser erzählte von seinem Friedensprojekt "Tent of Nations" (Zelt der Nationen) - seine Familie hat ihr 42 Hektar großes Gelände in den Dienst der Versöhnung gestellt. Menschen vieler Nationalitäten und Religionen treffen sich hier, um in Seminaren, Camps und Kinderfreizeiten nach friedlichen Lösungen für die Region zu suchen. Aber gibt es die?

Wenn Nasser mit der Kaufurkunde seines Großvaters von 1916 dafür argumentiert, dass er das Landstück rechtmäßig beanspruche, dann kommen seine Gegner mit einem noch älteren Besitz-Dokument: Der Bibel. 150 000 Euro habe er investiert, sagt Nasser, an Anwaltskosten, um Abrissbefehle zu verhindern. Vor zwei Jahren nicht mehr, da kamen die Bulldozer. "Er hat sich mit Durchhaltevermögen und Kreativität gewehrt", sagt Markt Schwabens Pfarrer Karl-Heinz-Fuchs, der Nasser seit 22 Jahren kennt und eingeladen hat. Er werde sich nicht entmutigen lassen, sagt Nasser. Auch weil es unter den Menschen jüdischen Glaubens viele gebe, die nach Frieden strebten. Seine zerstörten Weinreben und Apfelbäume blühen mittlerweile wieder, sagt er. Beim Anpflanzen, da haben ihm englische Juden geholfen.

© SZ vom 14.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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