Landshut/Neufahrn:"Ekelerregende" Verstöße

Sachverständige schildern die hygienischen Zustände bei Müller-Brot beim Prozess am Landshuter Landgericht. Die Verteidigung wirft den Lebensmittelkontrolleuren Praxisferne vor

Von Peter Becker, Landshut/Neufahrn

Ein bisschen Dreck hat noch nie Jemandem geschadet. Es wäre aber eine zweifelhafte Methode für eine Großbäckerei, nach diesem Prinzip zu wirtschaften. Doch die Wirtschaftskammer am Landshuter Landgericht wirft den einstigen Chefs von Müller-Brot in Neufahrn nicht nur Insolvenzverschleppung vor, sondern auch "ekelerregende" Verstöße gegen die Lebensmittelhygiene. Der Prozess gegen die einstigen Chefs der Großbäckerei zieht sich seit Anfang November. Ein Urteil hätte bereits im Dezember gefällt werden sollen. Jetzt sieht es ganz danach aus, als sollte bis dahin der Sommer ins Land ziehen. Die Wirtschaftskammer unter dem Vorsitz von Richter Alfons Gmelch hat gerade begonnen, die hygienischen Zustände bei Müller-Brot unter die Lupe zu nehmen. Dazu dient eine Reihe von Bildern, die der Beamer im Gerichtssaal an eine Leinwand wirft. Entstanden sind sie bei einer Kontrolle im Jahr 2011. Lebensmittelkontrolleure des Landratsamts haben sie gemacht, um ihre Beanstandungen zu dokumentieren. Hauptdarsteller sind an diesen Verhandlungstagen Georg Sulzer, Sachverständiger für Lebensmittelhygiene sowie vier Zeugen: zwei Lebensmittelkontrolleure des Landratsamts und zwei ehemalige Beschäftigte von Müller-Brot - ein Bäckermeister und ein Konditor. Alle Zeugen werden gleichzeitig mit den Bildern konfrontiert und müssen sich dazu äußern. Einer der beiden Lebensmittelkontrolleure erläutert seine Beobachtungen so gut dies eben nach fünf Jahren möglich ist. Was Richter und Verteidiger der drei Angeklagten oft vermissen, ist eine Zuordnung der fotografierten Gegenstände in die verschiedenen Produktionslinien. Es stellt sich die Frage, ob damit Lebensmittel produziert worden sind oder nicht. Gmelch stellt fest, dass er einige der Bilder nicht werten könne.

Der Bäckermeister erinnert sich, dass die fragliche Kontrolle an einem Samstagabend um 18 Uhr stattgefunden hatte. "Das ist ein fieser Termin", betont der Zeuge. Denn die Produktion sei erst vor kurzem beendet und die Reinigung der Gerätschaften noch nicht abgeschlossen worden. Auf einem weiteren Bild ist ein Einlauf in einen Mischtank zu sehen. Auch an ihm scheinen Verkrustungen zu haften. Der Bäckermeister sagt, es könne sich um einen still gelegten Tank aus der Werkstatt handeln. Ein anderes Bild zeigt einen ähnlichen Gegenstand, der mit Flugrost behaftet ist. "Dazu fällt mir nichts ein", sagt der Bäckermeister, der einräumt, dass manche Bilder einen etwas unrühmlichen Eindruck hinterlassen.Das liege aber am Kontrolltermin, behauptet er.

Ein weiteres Bild zeigt ein Einflussrohr einer Maischanlage. Darin werde offenbar übriges Schnittbrot wieder mit Wasser vermengt und aufgelöst. Es entsteht eine bräunliche Substanz, ähnlich der von Hefe, die dem Mehl zugeführt werde. Daraus entstehe neuer Teig, sagt der Bäckermeister. Die Verkrustungen auf dem Einlaufstutzen bagatellisiert er. Die Anlage sei mittels Dampfstrahler in kürzester Zeit zu reinigen, behauptet er. Angerostete Rührkessel, die beanstandet wurden, sollen die Lebensmittelkontrolleure in einer Werkstatt nahe der Produktionshalle fotografiert haben. Dort sollten sie gereinigt und neu verzinnt werden. An der Erzeugung von Lebensmitteln seien diese zu diesem Zeitpunkt nicht beteiligt gewesen.

Sachverständiger Sulzer findet die Zustände, in denen sich Elemente der Produktionskette auf den Bildern befanden, weniger erheiternd. Die Reinigungsmethode für die Tanks, die der Bäckermeister beschrieb, bezeichnet er als "ungewöhnlich". Das Wasser in diesen einen Tag lang stehen zu lassen, sei ein Unding. Es entwickle sich zu einer Brutstätte für Keime, die letztlich den beanstandeten Fäulnisgeruch verursacht habe. Die Verkrustungen stammen seiner Erfahrung nicht aus der Tagesproduktion. Diese begründete der Sachverständige an deren Erscheinungsbild. Die Verteidiger sind bemüht, die Bilder und den Sachverständigen in Zweifel zu ziehen. Die Bilder, monieren sie, weisen ihrer Ansicht nach einen Rotstich auf, der vieles in einem ungünstigen Licht erscheinen lässt. Dem Sachverständigen werfen sie Praxisferne vor. Einer der Verteidiger kündigte an, seine Fachkompetenz überprüfen lassen zu wollen. Der Prozess wird im April fortgesetzt.

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