Landshut:Flüchtling muss ins Gefängnis

Ein 30-Jähriger aus Somalia, der in Dorfen lebt, sticht betrunken auf einen 19-Jährigen ein. Das Gericht stuft die Tat als versuchten Totschlag ein. Die Alkoholisierung wirkt strafmildernd

Von Florian Tempel, Landshut

Ein 30 Jahre alter Mann aus Somalia, der in einer Flüchtlingsunterkunft in Dorfen einquartiert war, ist vom Landgericht Landshut wegen versuchten Totschlags zu drei Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt worden. Der Mann hatte am 18. April in einer Flüchtlingsunterkunft in Essenbach bei Landshut, wo er zu Besuch war, nach einem verbalen Streit mit einem Küchenmesser auf einen 19-jährigen Landsmann eingestochen.

Der Angeklagte wollte zum eigentlichen Tatgeschehen keine Angaben mache. Er ließ seinen Anwalt Thomas Fauth ausrichten, er könne sich wegen seiner starken Alkoholisierung nur an die Vorgeschichte erinnern. Verteidiger Fauth erklärte, sein Mandant habe in Essenbach seinen Cousin besucht und sich zusammen mit diesem und einem weiteren Landsmann betrunken. Sie hätten zu dritt zwei Flaschen Wodka geleert. Eine Untersuchung ergab für den Angeklagten einen Alkoholwert von mehr als 1,5 Promille. Als es nach 23 Uhr zu einem lautstarken Streit kam, habe das spätere Opfer dem Angeklagten Vorwürfe gemacht, weil er den Alkohol besorgt hatte. Ein "weitere Ursache" für den Streit sei aber auch " die Herkunft" des Angeklagten. Er gehöre einem Stamm an, dessen Mitglieder von vielen Somalis ausgegrenzt würden. Diese Diskriminierung sei "der Grund für seine Flucht nach Deutschland" gewesen.

Das spätere Opfer habe ihm zum Beispiel in der Unterkunft in Essenbach "verboten, die gleiche Toilette wie er zu benutzen". In der zunächst verbalen Auseinandersetzung habe schließlich der 19-Jährige ihm mit der Faust ins Gesicht geschlagen und sei dann weggegangen. Der Angeklagte ging ihm hinterher, könne sich aber von da an nichts mehr erinnern. Ob und wie er mit einem Messer auf ihn einstach, wisse er wegen seiner starken Alkoholisierung nicht mehr. Nur eines sei sicher: Er habe das Opfer nicht töten wollen.

Das Opfer widersprach der Darstellung des Angeklagte in vielen Punkten. Die Stammeszugehörigkeit eines Landsmannes "spielt für mich keine Rolle". Er habe ihn niemals wegen seiner sozialen Herkunft beleidigt. Die Sache mit der Toilette sei so: Der Angeklagte, der sich schon tagelang in Essenbach aufgehalten habe, habe sie oft dreckig hinterlassen, mehrmals auch mit Erbrochenem, da er Alkohol offenbar schlecht vertrage. Er habe ihm nicht verboten, die Toilette zu benutzen, sondern ihn lediglich mehrmals aufgefordert, sie sauber zu machen.

Als sich der Angeklagte am Abend des 18. April mit anderen zusammen im Aufenthaltsraum der Unterkunft wieder einmal betrunken habe, habe er seine Landsleute um Ruhe gebeten. Mit dem Hinweis, der Lärm könnte zu Ärger mit den Nachbarn führen, was für alle unangenehm werden könnte. Er habe schließlich gedroht, er werde selbst die Polizei rufen, wenn sie nicht leiser seien, und wollte dann in sein Zimmer im ersten Stock gehen. Der Angeklagte sei ihm darauf gefolgt und habe sich mit einem Messer auf ihn gestürzt. Er habe dabei mindestens zweimal geschriehen, "ich bringe dich um".

Das Opfer schaffte es, die Stiche weitgehend abzuwehren. Der 19-Jährige erlitt nur drei oberflächliche Schnittwunden am Oberkörper, am Rücken und am Kopf. Dann brach die Klinge des billigen Küchenmessers ab und der Kampf war zu Ende. Wohl auch, weil der Angeklagte eine Unterarmfraktur erlitten hatte, wahrscheinlich durch einen Abwehrschlag des Opfers.

Der Angeklagte sagte auf Nachfrage eines Richters, er habe in seiner Heimat, wo er eine Ehefrau und drei kleine Kinder zurückgelassen habe, nie Alkohol getrunken. Wie sich denn des Alkoholkonsum mit seinem Glauben als Muslim vereinbaren lasse, wollte der Richter auch noch wissen. Der Angeklagte antwortete: "Es ist verboten - aber ich bin ein Mensch." Das Opfer wurde vom Gericht gefragt, wie es den Fall mittlerweile sehe. Der 19-Jährige sagte: "Ich habe ihm verziehen. Ich will auch nicht, dass er ins Gefängnis kommt."

Das Gericht berücksichtigte die Alkoholisierung als strafmildernd. Der Vorsitzende Richter Markus Kring sagte, dass dies aber nur deswegen erfolgt sei, weil der Angeklagte keinen Alkohol gewohnt war. Wegen der relativ glimpflichen Verletzung sei die Tat zudem nur eine "minderschwerer Fall des versuchten Totschlags." Die Staatsanwältin hatte fünf Jahre Haft beantragt. Verteidiger Fauth sah in dem Fall nur eine gefährliche Körperverletzung und hatte auf ein Jahr auf Bewährung plädiert.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: