Landkreis:"Gleich Perlen im schönen Kranzgeflechte"

Freiherr Ignaz Joseph von Obernberg veröffentliche 1816, vor genau 200 Jahren, in seiner Buchreihe "Reisen durch das Königreich Baiern" einen Bericht über den Landgerichtsbezirk Erding. Zuerst besuchte er dabei Dorfen - und geriet ins Schwärmen

Von Thomas Daller, Landkreis

Anno 1816, also vor genau 200 Jahren, erschien der zweite Band der Buchreihe "Reisen durch das Königreich Baiern". Verfasser war der Freiherr Ignaz Joseph von Obernberg, geboren 1761 in Amberg, ein Verwaltungsbeamter und Lokalhistoriker. In diesem zweiten Band, der wiederum in drei Hefte untergliedert ist, schildert er auch Eindrücke einer Reise durch den Landgerichtsbezirk Erding. Auch damals schon prägten die heutigen Städte Dorfen und Erding den Blick auf den Landkreis. Die SZ Erding stellt diese Reise, aus heutiger Sicht eine Zeitreise, in zwei Beiträgen vor. Der erste Teil gibt Obernbergs Eindrücke von Dorfen wieder, der zweite handelt von Erding. Für die Wiedergabe des Berichts haben wir die Orthografie des Originals beibehalten. Wer sich für den gesamten, etwa 80-seitigen Reisebericht in altdeutscher Schrift interessiert, wird im Internet fündig. Er liegt als E-Book im Original mittels Scans von Google-Books vor.

"Ein wichtiger Bezirk liegt vor uns, bedeutend durch Ausdehnung und Gestalt", beginnt Joseph von Obernberg seine Beschreibung. "Das Landgericht Erding ist es, das wir jetzt betreten. Nach seinem Flächen-Inhalt von 14 und ein zehntel Quadratmeilen ist es das vierte der größten Landgerichte des Isarkreises kommt also jenen von Landsberg und Weilheim nahe und steht nur dem Landgerichte Miesbach an Größe beträchtlich nach. Aber an geograahischer Lage, bequem für Kultur und Handel, lässt es viele weit zurück."

Obernberg kam erst durch Erding, "verweilten aber jetzt nicht lange, sondern verschoben die nähere Betrachtung desselben auf die Rückkunft von einer kleinen Nebenreise nach Dorfen. Dahin führet ein zweyter neugebahnter Vizinalweg, über wohlangebaute Hügel, welche sanft dahin wogen, hie und da mit Wäldchen mehr geziert, als überladen. Es war bereits Abend geworden, als wir Erding verlassen hatten, und die Nacht umhüllte uns, ehe wir Dorfen erreichten, das nur fünf Stunden von jener Stadt im Südosten gelegen ist."

Landkreis: Der Blick über Dorfen hat vor 200 Jahren auch schon Freiherr Ignaz Joseph von Obernberg gefallen.

Der Blick über Dorfen hat vor 200 Jahren auch schon Freiherr Ignaz Joseph von Obernberg gefallen.

(Foto: Peter Bauersachs)

Fünf Stunden Fußweg musste man damals für diese Strecke veranschlagen, für eine Distanz, die man heute mit dem Auto in 20 Minuten zurücklegt. Joseph von Obernberg rechnet dem Leser vor, dass man die Strecke auch mit dem Pferdewagen zurücklegen kann, wobei man für jede Stunde Fußmarsch eine dreiviertel Stunden mit der Kutsche einrechnen muss. Das erlaubt auch Rückschlüsse auf den damaligen Zustand der Straßen.

Obernberg kommt also im Dunkeln in Dorfen an und sieht den Ort erst am nächsten Tag: "Welch ein Anblick am Morgen des folgenden Tages! Zwar schwebt ein leichter Nebelschleyer über dem Lande, der Gesichtskreis war verdunkelt, die verschönernde Abwechslung des Lichtes und Schattens ermangelte, der Boden lag unter einer leichten Hülle von Schnee; - gleichwohl konnte der Winter die Reitze der Situation nicht vertilgen; - die Schönheit des Ganzen, über jede Jahreszeit erhaben, sprach uns freundlich an, und verkündete und für heitere Frühling- und Sommertage die Vergnügen der Anschauung einer anmutigen Landschaft.

Wir standen an der Pfarr- und Wallfahrtskirche, zu welcher man vom Markte über 148 Marmor-Stufen gelangt, und überblickten das Thal, seine Fläche, und die umgebenden Hügel. Dieses Gotteshaus krönet den sogenannten Ruprechtsberg, welcher hier gegen Osten abläuft, und den Markt mit seinem Fuße berührt. Im Rücken der Kirche westlich steht das Priesterhaus, in der Form eines kleinen Klosters gebaut, die schöne Aussicht nach Osten, Süd und Westen beherrschend. Weiter zurück gegen Abend steht die alte Pfarrkirche der Gegend, Oberdorfen, auf der Höhe, nunmehr durch Abtheilung des Pfarrsprengels, von ihrer, zur Pfarrkirche erhobenen Tochter Maria Dorfen getrennt.

Nördlich der Anhöhe kommt die Isen zum Vorschein, und schlängelt sich im Thale dahin. Im weiten Umkreise erheben sich die Ortschaften: Kopfsburg, Mosen, und Wasen-Tegernbach, und blicken freundlich herauf, und herab, gleich Perlen im schönen Kranzgeflechte.

Der Name Ruprechtsberg veranlaßte die grundlose Sage, der heilige Rupert habe eine Zeitlang hier neben der Kapelle gewohnt, in welcher auf seinem Betrieb ein Marien-Bild aufgestellt worden (sic). Man will dieses ursprünglich Kirchlein an der, neben dem Gotteshaus stehenden, alten Josephs-Kapelle noch erkennen. Allein der gelehrte Karl Meichelbeck lieferte uns eine Urkunde vom 26. Regierungsjahre Herzogs Tassilo II. folglich vom Jahre 774, welche einen anderen Aufschluß giebt. Hierin kommt eine Villa Druperhteshusir vor, welche der Priester Heribald der bischöflichen Kirche zu Freising zum Eigenthum übergab. Der letzte Theil dieses Namens kommt öfter vor, und ist gleichbedeutend mit: Hausen; als Druperhteshausen. Was hindert uns, es auszusprechen: Drudbergshausen? Nach uralter Tradition standen an der Stelle, welche jetzt der Markt Dorfen einnimmt, nur drey Häuser. Drudberg könnte allerdings von den Druiden, oder heidnischen Priestern sich ableiten, welche im Alterthume vielleicht hier gewohnt, und auf dem Berge einen Opferplatz hatten. Die ersten christlichen Glaubenslehrer benützten derley Orte und Gebäude für die Ausübung ihrer Religion, und die Bilder, welche sie in selben aufstellten, mussten in der Folge um so ehrwürdiger werden, und Wallfahrten veranlassen, je früher sie da der Verehrung ausgesetzt worden. Was die Urväter und Vorältern lange gethan hatten, setzten die Enkel und späteren Nachkommen um so eifriger fort. Es war zur mehrhundert jährigen Gewohnheit geworden, zumal auf Höhen und Bergen, welche alle Völker des Erdbodens für religiöse Uebungen stets vorzuziehen pflegten. Es mag daher allerdings seyn, daß schon unter dem heil. Corbinian dieser Ort dem christlichen Kultus geweihet worden, und ein hohens Alter behaupte, zumal da die Fruchtbarkeit der Gegend Ansiedlungen sehr begünstigte, und das Volk zur Ausreutung der Wälder mehr als anderswo reitzte."

Joseph von Obernberg setzt den Bericht an dieser Stelle mit einer ausführlichen Geschichte der Dorfener Wallfahrt fort, die den Rahmen dieses Artikels sprengen würde. "Der Ort zählt gegenwärtig 942 Einwohner, welche vielen Nutzen von der Wallfahrt, und dem Priesterhause ziehen. Dieses brachte seit der Entstehung in nicht vollen 100 Jahren sichere 400,000 Gulden in Umlauf. Drey Kleinkrämer theilten sich lange Zeit eine jährliche Einnahme von 10,000 Gulden. In Hinsicht auf ihren Kulturfleiß ist zu bemerken, dass die sechs Bräuer Hopfen bauen, jedoch für ihr Gewerbe noch zur Zeit einen Theil fremdes Gut, aber wenig mehr aus Böhmen zukaufen.

Der Markt, bis zur Organisation der Landgerichte und Rentämter der Sitz eines eigenen Gerichts, theilt sich in vier Quartiere, indem seine zwey Straßen im Mittelpunkte sich durchkreuzen. Er ward 1648 von den Schweden verwüstet und 1650 in Asche gelegt. Seit dem letzten Jahrzehend des vorigen Jahrhunderts auf ihren fruchtbaren Feldern von Schauerschlägen (Hagel; Anm. d. Red.) verschont, hatten sie in schneller Folge, 1811, 1813 und 1815 große Beschädigungen hievon zu erdulden. Der letzte vom 23. Julius des genannt vorigen Jahres kam von Erding her, traf, nur mit Ausnahme dreyer Ortschaften, die ganze Pfarre Ober- und Maria Dorfen und war total verheerend. (...) Indessen würde dem, welcher sich in einer angenehmen, fruchtbaren, und größtentheils schauerfreyen Gegend in diesen Theilen des Landes ein Tusculum (Villenbezirk vornehmer Römer; Anm. d. Red.) zu bauen, und sich anzusiedeln gedächte, nicht unglücklich zu wählen, wenn er sich dieses Revier sich wollte gefallen lassen. Dorfen hatte doch 20 schauerfreie Jahre, das nicht sehr entfernte Schwindkirchen 40 derselben bis zum Jahre 1813, wo zwar ein Hagel fiel, aber nicht allgemein verheerend war. Erding war 60 Jahre von einer Naturbeschädigung dieser Art befreyt, bis zum abgeflossenen Jahre 1813. In dieser Hinsicht behaupten also die Bezirke um die Sempt, Isen und Schwindau einen entschiedenen glücklichen Vorzug.

Wir hatte das Vergnügen, den nächsten Morgen, freundlich und heiter im Glanze der aufgehenden Sonne schimmernd, zu erblicken. Entfaltet lag der weite Gesichtskreis um uns her, und der junge Tag lud uns zu seinem Genuße an der schönen Stätte ein. Doch meine Zeit war abgelaufen; ich mußte Abschied nehmen. Dieß geschah mit dem Entschluße, wiederzukehren in langen Sommertagen, und nach einigen Exkursionen die blühenden Thäler der Vils und Rott bis an ihre Mündungen an der Donau und dem Inn zu durchwandern. Dann lieber Freund, giebt es vielleicht eine schöne Nachlese an der Isen, aber ganz gewiß eine reiche Ernte von interessanten Bemerkungen über jene bedeutende Reviere des Landes."

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