Landkreis Erding:Landwirte unter Druck

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Wegen fallender Verkaufspreise, zunehmender Bürokratie und des großen Angebots von Jobs mit besserer Arbeitszeit werden immer mehr Bauernhöfe aufgegeben. Auch der Siedlungsdruck frisst Anbauflächen

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Die Zahl der Landwirte, die ihren Betrieb in Voll- oder in Teilzeit bewirtschaften, wird immer kleiner. Dafür werden die Höfe immer größer. Galten früher 50 bis Hektar als maximale Größe für einen Familienbetrieb im Vollbetrieb, sind es jetzt um die 100, wie Stefan Hörmann vom Bayerischen Bauernverband Erding sagt. Die Gründe für den Rückgang der Betriebe sind vielfällig: Preisdruck, der steigende Flächenverbrauch für Immobilien und Infrastruktur wie Straßen, immer mehr Vorschriften, die zu immer mehr Verwaltungsaufgaben führen, und lukrative Alternativen wie Jobs in der freien Wirtschaft und Verpachtungen.

2039 landwirtschaftliche Betriebe, davon 987 Haupt- und 1052 im Nebenerwerb gibt es nach Angaben des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Erding (AELF) noch in diesem Jahr im Landkreis. Sie bewirtschaften 29,27 Hektar im Durchschnitt. 2010 sind es noch 2146 Betriebe, davon 1050 im Haupterwerb und 1096 im Nebenerwerb gewesen. Bei einer Durchschnittsgröße von 27,82 Hektar. Der Vergleich zum Jahr 2000 zeigt den Rückgang noch deutlicher: damals gab es noch 2432 Bauernhöfe im Landkreis Erding. Und es wurden durchschnittlich nur 24,42 Hektar bewirtschaftet.

"Es wird immer schwieriger", sagt Stefan Hörmann vom Bayerischen Bauernverband. Der Beruf Landwirt sei leider angesichts dessen, was die Bauern für ein ausreichendes Einkommen leisten müssen, immer unattraktiver. Das sehe man immer auch dann, wenn ein Generationenwechsel am Hof anstehe. Solange die ältere Generation noch mitarbeite, sei zum Beispiel ein Viehbetrieb noch zu stemmen - auch vielleicht im Nebenerwerb. Spätestens dann, wenn die Eltern wegfallen, stehe die Entscheidung an, ganz aufzuhören oder zumindest auf Feldanbau umzustellen. Denn der erfordere nicht einen täglichen Einsatz. "Ackerbau nebenbei kann noch funktionieren."

Die Arbeit, die man als Landwirt leisten müsse, schrecke, neben dem Preisdruck durch die Abnehmer, viele der jüngeren Generation ab. "Viele Fragen sich dann, ob sie sich das antun müssen. Oder lieber eine geregelte Arbeit haben, mit vielleicht 40-Stunden-Woche, Urlaubsanspruch und einen sozialen Netz, das sie auffängt. Gerade im Raum München, wo es genügend Jobs gibt, ist das eine lukrative Alternative", sagt Hörmann. Offenbar auch für potenzielle Ehefrauen, denn "Bauer sucht Frau" sei auch im Landkreis ein Thema. "Nicht viele sind mehr mir Herzblut Bäuerinnen."

Vor allem nicht, wenn in Nachrichten von fallenden Preisen für Milch, Fleisch oder Getreide die Rede ist, die das Auskommen eines Landwirtes immer mehr schmälere. "Früher gab es Verträge, da wurde die Abnahme der Erzeugnisse garantiert. Heute werden die Preise, wenn die Mengen auf dem Markt zu hoch sind, von den Discountern gedrückt. Die haben zwar ihre Hausmarken, liefern aber nur die Verpackungen mehr an. Wer die dann befüllt, ist egal. Genommen wird der billigste. Die Gewinnspanne bleibt beim Discounter oder beispielsweise bei der Molkerei gleich. Der Bauer am Ende der Kette zahlt drauf", sagt Hörmann. Der müsse, um den gleichen Gewinn zu erzielen, immer mehr produzieren. "Größe allein heißt aber nicht unbedingt besser." Denn mehr Hektar oder Vieh könne oft nicht mehr von einer Familie bewirtschaftet werden. Beschäftige man aber Helfer, müssten Löhne bezahlt werden. "In einem Familienbetrieb können sie über eine gewisse Zeit den Gürtel enger schnallen, aber nicht, wenn man regelmäßig Gehälter zahlen muss", sagt der Fachberater im Bauernverband.

Erschwerend komme dazu, dass der Beruf Landwirt immer mehr Verwaltungsaufwand erfordere. "Die Auflagen beim Tier- und Pflanzenschutz erfordert immer mehr Dokumentenpflege für Kontrollen. Bauer ist mittlerweile mit viel Bürokratie verbunden", sagt Hörmann. Ohne eine sehr gute Ausbildung sei es kaum mehr möglich, einen Betrieb wirtschaftlich zu führen.

Aber auch der "extreme Flächenverbrauch" durch den Siedlungsdruck mache den Bauern zu schaffen. "Für Baugebiete, Straßen oder Bahntrassen werden Flächen benötigt. Dazu kommen Ausgleichsflächen, die im Gegenzug ausgewiesen werden müssen, aber nicht mehr intensiv bewirtschaftet werden können. Es können gar nicht so viel Bauern aufhören, wie Fläche verbraucht wird", sagt Stefan Hörmann. Aber auch die Verpachtung von landwirtschaftlichen Flächen sei bei den Preisen derzeit lukrativer als weiter Bauer zu sein.

© SZ vom 18.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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