Landkreis Erding:Biogasanlagen sind des Hasen Tod

Jäger schlagen Alarm: Innerhalb von drei Jahren ist die Zahl der Hasen und Fasane stark zurückgegangen. Gibt es einen Zusammenhang mit dem verstärkten Maisanbau?

Thomas Daller

Fasanen und Hasen zahlen einen hohen Preis für die erneuerbaren Energien: Mit den ehemaligen Stilllegungsflächen, die nun für den Maisanbau der Biogasanlagen genutzt werden, verschwinden auch ihre Lebensräume. Und weil es im Landkreis Erding mit mehr als 70 Biogasanlagen einen sehr hohen Maisbedarf gibt, sind die Bestände dieser Tiere mittlerweile so dramatisch eingebrochen, dass sich der Landesjagdverband Mitte Oktober bei einem Symposium mit Konzepten zur Rettung von Hase und Fasan beschäftigen wird.

Feldhase

Der Feldhase als Opfer von Biogasanlagen? Jäger im Landkreis schlagen Alarm.

(Foto: dpa)

Für Thomas Schreder, Wildbiologe und Vorsitzender des Kreisjagdverbandes, geht es längst nicht mehr darum, einen Fasan oder Hasen vor die Flinte zu bekommen, sondern nur noch um den Erhalt der stark bedrohten Populationen: Mit der Begründung "ich schieß' doch nicht den letzten Fasan ab" hätten viele Revierinhaber bereits auf Niederwildjagden verzichtet.

Es sind empirische Beobachtungen der Jäger, auf denen die Einschätzung der rückläufigen Populationen basiert: Die Tiere sind in den vergangenen Jahren immer wieder gezählt worden. Bei diesem Wildmonitoring sind jedes Jahr pro Revier 150 Hektar überwacht worden. Im Frühjahr, wenn die Saat auf den Feldern noch nicht so hoch ist, fahren die Jäger mit Autos, auf denen starke Scheinwerfer montiert sind, an die Feldränder und leuchten die Flächen ab. "Man kann die reflektierenden Augen gut unterscheiden", sagte Schreder. "Beim Reh sind die Augen höher und beim Fuchs haben sie eine andere Farbe."

So sind auf 150 Hektar im Revier Reichenkirchen 1 im Jahr 2008 noch 43 Hasen gezählt worden, 2010 waren es auf der gleichen Fläche nur noch 13. Im Revier Reichenkirchen 2 sank der Bestand von 31 auf 19 und in Langengeisling von 17 auf acht. Ähnlich verhält es sich bei der Fasanenpopulation.

Bereits im vergangenen Jahr war der Rückgang so deutlich, dass der Kreisjagdverband Erding einen Antrag beim Landesjagdverband eingereicht hatte, die Ursachen zu untersuchen. Am kommenden Wochenende, 15. und 16. Oktober, wird nun das von den Erdingern angestoßene "Symposium der Jäger zur Rettung von Hase und Fasan" in Essenbach bei Landshut stattfinden.

Der 16. Oktober ist traditionell der Auftakt der Hasenjagd, doch diesmal sind die Jäger nicht auf der Pirsch, sondern diskutieren in einem Kreis von Experten die Zukunft des Niederwilds. "Wir sind keine Wissenschaftler", sagte Schreder, deswegen habe man Wissenschaftler und Praktiker zu diesem Treffen eingeladen, um nach den Ursachen für den rasanten Rückgang zu forschen. "Es gibt meistens nicht nur einen Faktor: Räuber wie Fuchs, Krähe oder Greifvögel, das Wetter oder ein erhöhtes Verkehrsaufkommen. Aber der Wegfall der Stilllegungsflächen ist sehr auffällig. Es gibt nicht viele Landkreise, die einen derart hohen Anteil an Biogasanlagen haben. Der Kampf um die Fläche wird immer härter."

"Ich schiebe keinem den Schwarzen Peter zu", betonte Schreder, vielmehr gehe es darum, wieder Lebensräume für Hasen und Fasane zu schaffen. "Den Landwirten gehört der Boden, wir können nur gemeinsam etwas erreichen." Beispielsweise könnte man Fördermittel aus dem Bayerischen Kulturlandschaftsprogramm nutzen. "Wir stehen auch in Kontakt mit dem Amt für Landwirtschaft und Forsten, um zu informieren und wieder Lebensräume zu schaffen."

Der Maisanbau nimmt mittlerweile etwa 40 Prozent der Ackerfläche im Landkreis Erding ein. Vor dem Boom der Biogasanlagen waren es etwa 30 Prozent. Während Hasen und Fasane immer seltener werden, profitieren die Wildschweine offenbar davon: Wildschweine leben in so hoher Zahl in den heimischen Wäldern und Fluren wie seit Menschengedenken nicht. Man spricht bereits von einer "Schwarzwildwelle", verbunden mit entsprechenden Flurschäden.

Wenn sich die Mais-Monokulturen im Landkreis Erding weiter ausbreiten und verfestigen, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis auch hier ganze Rotten die Äcker umpflügen. "Die richten übelste Schäden an", sagte Barbara Ettl von der Pressestelle des Bayerischen Landesjagdverbandes. Und in den "endlosen Maisfeldern" könnten sich die Wildschweine mästen, ohne dass ein Jäger sie schießen könne. "Und dann heißt es wieder, wir sind schuld", sagte Ettl.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: