Kritik an neuer Servicestelle:Der Hausarzt ruft den Facharzt an

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Die neue Servicestelle für Termine beim Spezialisten wird im Landkreis nicht benötigt. Bei der KBV gilt sie als "sinnfrei"

Von Judith Issig, Landkreis

Wer einen Termin beim Orthopäden, Urologen oder einem anderen Facharzt braucht, hat künftig eine neue Anlaufstelle: Seit 25. Januar 2016 gibt es eine telefonische Terminvermittlung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB). Patienten, die auf einen Termin bei einem Spezialisten warten, bekommen - sofern sie die entsprechende Überweisung ihres Hausarztes haben - innerhalb einer Woche einen Termin zugewiesen. Dieser Termin soll im Zeitraum von vier Wochen bei einem Facharzt in der Region stattfinden.

Doch eine spezielle Service-Hotline werde im Landkreis gar nicht gebraucht, sagt Elmar Gerhardinger. Er ist der Vorsitzende des Ärztlichen Kreisverbands Erding: "Ich habe in meiner Hausarztpraxis meine eigene Servicestelle: Ich rufe den Fachkollegen einfach an", sagt er. Auf diesem kurzen Dienstweg würden die Patienten viel schneller behandelt, als wenn sie sich an die Terminservicestelle wenden. Die hilft ohnehin nur, wenn die Patienten eine Überweisung vom Hausarzt vorweisen können, die darauf hinweist, dass die Behandlung besonders dringend benötigt wird. Nur Termine beim Augenarzt oder beim Gynäkologen würden auch ohne Überweisung vermittelt, sagt Michael Stahn, Sprecher der KVB. Außerdem müssen Patienten, die sich an die Terminvermittlung wenden, unter Umständen längere Fahrten in Kauf nehmen: 30 Minuten länger als bis zum nächstgelegen Facharzt, bei besonders speziellen Ärzten sogar eine Stunde Fahrt. Das sei zwar nicht schlimm, sagt Elmar Gerhardinger: "Wenn jemand wirklich krank ist, ist er froh, wenn er einen Arzt findet. Dem ist es egal, wie weit er fahren muss." Doch die meisten Patienten würden von ihm erwarten, dass Gerhardinger ihnen einen Spezialisten empfiehlt. Wie jeder Hausarzt habe er ein Netzwerk von Kollegen, die er persönlich kenne und von deren Behandlungsmöglichkeiten er wisse. "Von Fall zu Fall kann ich so entscheiden, wo meine Patienten am besten aufgehoben sind."

Bei Überweisungen hat Gerhardinger eine große Auswahl. Die Zahl der im Landkreis Erding niedergelassenen Ärzte ist ausreichend: Ob Kinderarzt, Hals-Nasen-Ohren-Arzt oder Augenarzt, die Versorgungsrate liegt bei mehr als 100 Prozent. Sogar mehrere Anästhesisten und Radiologen gibt es im Landkreis, allerdings nur einen Kinder- und Jugendpsychiater. Das gute Angebot liege auch an der unmittelbaren Nähe zu München, sagt Gerhardinger. Dort lassen sich die meisten Ärzte lieber nieder als in den abgelegeneren Regionen Bayerns.

Nach Elmar Gerhardingers Wissen müssen die Menschen im Landkreis in der Regel nicht lange auf einen Termin beim Facharzt warten. "Bei hochakuten Erkrankungen bekommen die Patienten innerhalb von einigen Stunden einen Termin." Je nach Dringlichkeit warte man höchstens einige Wochen. Einer Studie der OECD zufolge bekommen in Deutschland 83 Prozent der Patienten innerhalb eines Monats einen Termin beim Spezialisten. Das ist im internationalen Vergleich der beste Wert.

Trotzdem müssen die Kassenärztlichen Vereinigungen bundesweit 17 Terminvergabestellen einrichten. Das sieht das Versorgungsstärkungsgesetz der Bundesregierung vor. Doch die KVB ist der Meinung, die neue Terminvermittlung sei "sinnfrei". "Das wurde uns von der Politik so vorgegeben", sagt Michael Stahn. Dabei funktioniere die Zusammenarbeit zwischen den Hausärzten und den Spezialisten bereits sehr gut. Die Terminvermittlung sei nur als zusätzliches Angebot zu verstehen. Die Kosten für dieses bundesweite zusätzliche Angebot schätzt die KVB auf mehrere Millionen Euro.

© SZ vom 27.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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