Kurz vor Gerichtstermin:Flüchtling darf Schneider werden

Der Kampf von Nurullah Burhani mit den Behörden hat ein Ende

Von Clara Lipkowski, Moosburg

Nurullah Burhani, afghanischer Asylbewerber, der seit 2014 in Moosburg lebt, darf nach einem Jahr Auseinandersetzung mit den Behörden eine Ausbildung zum Schneider machen. Das hat das Landratsamt am vergangenen Dienstag genehmigt. Eine neuerliche Verhandlung am Mittwochmorgen vor dem Münchner Verwaltungsgericht wurde daraufhin kurzfristig abgesagt.

"Nur 18 Stunden davor" kam grünes Licht vom Amt, sagt Asylhelfer Reinhard Kastorff am Donnerstag. Zuvor hatte der 35-Jährige zwei Mal gegen das Vorgehen des Landratsamts geklagt, das ihm wiederholt eine Ausbildungserlaubnis verweigert hatte, weil seine Identität nicht geklärt sei. Entscheidender Grund für die Genehmigung nun: Burhani konnte nun mit einer Tazkira, einer Art afghanischem Personalausweis, seine Identität belegen.

Im Grunde hat er damit lediglich die vom Landratsamt geforderten Unterlagen eingereicht. "Hätte Herr Burhani vor einem Jahr seine Tazkira vorweisen können, hätte er vor einem Jahr seine Ausbildungsgenehmigung erhalten", sagt Amtssprecher Robert Stangl. Reinhard Kastorff aber meint: Erst mit dem Klageweg habe sich Burhani die nötige Zeit verschafft, um an die Tazkira zu kommen. Deren Beschaffung nämlich sei zeitaufwendig und das sei bekannt. "Nurullah kann ja nicht einfach im Hindukusch aufs Amt gehen."

Er bekam das Dokument nach langem Hin und Her über einen früheren Schulfreund, der sich in Schweden aufhält und den er via Facebook fand. Dieser Freund hat in Afghanistan noch Verwandte. Die wiederum besorgten die Tazkira. "Die Übersetzung ins Englische und die Beglaubigung im Außenministerium organisierten andere in Kabul", schildert Kastorff. Ende November dann war die Tazkira endlich in der Post. Im Landratsamt wurde sie laut Kastorff vom einem Mitarbeiter des Landeskriminalamts geprüft. Das hatte der zuständige Münchner Richter umgehend verlangt. So wurde die zweite Verhandlung überflüssig.

Nurullah Burhani ist gebürtiger Afghane, hat aber die meiste Zeit seines Lebens in Iran gelebt und dort nach eigenen Angaben bereits 18 Jahre als Schneider gearbeitet. In Moosburg machte er 2016 in einer Schneiderei ein Praktikum und unterschrieb anschließend einen Ausbildungsvertrag. Antreten konnte er die Lehre bisher allerdings nicht. Seine Klage war die erste dieser Art in Bayern.

Schon lange wird im Landkreis Freising darüber gestritten, warum die Behörde in Fällen wie diesen Ausbildungen nicht unter Vorbehalt genehmigt - sich also vorbehält, die Genehmigung zurückzunehmen, etwa wenn nach einer Frist die Identität nicht nachgewiesen oder der Asylbewerber straffällig wurde. Die Chancen Burhanis, bleiben zu dürfen, stehen bei etwa 50 Prozent.

Auch in Wolfersdorf steht ein Flüchtling vor der "Hürde der Tazkira", weil er weder Verwandte noch Freunde in Afghanistan hat, nun versucht er über ein Büro einen Kontaktmann in Afghanistan zu finden. Eine Ausbildungsgenehmigung hat er nicht. Ebenso kompliziert ist die Lage eines anderen Flüchtlings, der bei einer Moosburger Familie lebt.

Asylberater Kastorff kann nicht verstehen, warum das Landratsamt Freising nicht ohne Tazkira eine Ausbildung erlaubt, getreu dem Motto: Alles ist besser als rumsitzen. Schaden würde es dem Staat nicht, ist er sicher. "Nurullah musste ein Jahr Däumchen drehen und dem Staat auf der Tasche liegen."

Landratsamtssprecher Stangl kennt diese Argumentation, sagt aber: "Was meinen Sie, was das für einen Aufschrei gäbe, würde ein Asylbewerber, dessen Identität wir nicht kennen, straffällig werden? Dann würde es heißen, dass die Person schon lange hätte ausgewiesen werden müssen." Dass die reine Kenntnis über die Identität eine Straftat nicht verhindert, sei ihm aber auch klar.

Burhani kann die Schneiderlehre nun im Januar 2018 antreten. "Ich bin sehr glücklich darüber", sagte er am Donnerstag. Auch seine Chefin Gabi Urban ist erleichtert. Sie will mit der Berufsschule regeln, dass er verspätet im Januar in das Schuljahr einsteigen kann. Und eine Nähmaschine für ihren neuen Mitarbeiter besorgen.

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