Kommentar:Verletzter Heimatstolz

Mit dem Klinikum geht es nicht wie erwartet bergauf. Und ein Krankenhaus ohne Kreißsaal ist ein Armutszeugnis. Das sehen nicht nur werdende Eltern so

Von Florian Tempel

Klinikchef Sándor Mohácsi hatte bislang das volle Vertrauen von Landrat Martin Bayerstorfer, der als Vorsitzender des Verwaltungsrats sein direkter Vorgesetzter ist. Seit Mohácsi vor sechs Jahren die wirtschaftliche Leitung des kommunalen Krankenhauses übernommen hat, haben er und Bayerstorfer stets gemeinsam den Kurs des "Gesundwachsens" propagiert, mit dem das Klinikum über kurz oder lang aus den roten Zahlen kommen und sich gut entwickeln werde. Doch Mohácsi und Bayerstorfer werden nicht vom Glück verfolgt. Von positiven Folgen gesunden Wachstums ist nichts zu spüren. Ganz im Gegenteil: Die Verluste nehmen zu, und das Krankenhaus krankt auch nach außen hin für jedermann sichtbar. Eine Kreisklinik ohne Kreißsaal ist ein Armutszeugnis.

Dass im Erdinger Krankenhaus keine natürlichen Geburten mehr möglich sind, ist vor allem für viele schwangere Frauen eine Belastung. Es regte aber auch Kreisrat Hans Wiesmaier so sehr auf, dass er aus Protest nicht mehr für die Defizitübernahme stimmen wollte. Es sei eine schreckliche Vorstellung, sagte Wiesmaier, dass Erding nicht mehr als Geburtsort in den Ausweisen vieler Erdinger stehen werde, die in den kommenden Monaten zur Welt kommen.

Aus Wiesmaiers Hinweis sprach verletzter Heimatstolz. Der Landkreis Erding ist doch sonst auf so vielen Gebieten immer auf der Gewinnerseite: super geringe Arbeitslosenquote, enormes Wachstum bei der Steuerkraft, top ausgestattete Schulen. Und der eigene Anspruch des Klinikums ist groß: "Spitzenmedizin ganz nah." Nun aber schafft man es nicht einmal, werdenden Müttern eine funktionierende Geburtshilfe in Erding zu bieten. Das Klinikum und mit ihm der Landkreis steht in diesem Punkt ganz ungewohnt als Verlierer da.

Bayerstorfer hat darauf mit einem versteckten, aber doch erkennbaren Seitenhieb reagiert. Er ließ Mohácsi und alle anderen wissen, man müsse womöglich über eine "Rekommunalisierung" des Klinikums nachdenken. Das macht eigentlich gar keinen Sinn, weil das Krankenhaus eh schon zu hundert Prozent kommunal ist. Bayerstorfer hat damit etwas ganz anderes mitgeteilt: Er hat Mohácsi in aller Öffentlichkeit wissen lassen, dass er ganz schnell Erfolg haben oder seinen Hut nehmen muss.

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